7. Die Thompsons

38 3 0
                                    

Am nächsten Morgen wurde ich von Melody geweckt. Sie hatte ein Tablett bei sich, auf dem sie Frühstück für mich brachte.
„Guten Morgen, Malina. Ich hoffe, du hast einigermaßen gut geschlafen."
Eigentlich war ich noch lange wach gewesen. Immer wenn ich die Augen schloss, sah ich Katies Gesicht vor meinem inneren Auge. Ich sah das Feuer, spürte die brennende Hitze, roch den ätzenden Rauch und schreckte wieder hoch. Selbst im Traum hatten mich Katie und der Unfall nicht verschont.
„Geht so. Ein bisschen zu kurz."
„Irgendwann wird es besser werden." Melody setzte sich neben mich aufs Bett und nahm meine Hand. Dann lächelte sie mir aufmunternd zu. „Jetzt iss erst einmal etwas. Ich habe vorhin mit dem Arzt gesprochen. Er kommt später vorbei, um zu sehen ob du entlassen werden kannst."
„Hat man denn schon einen Ort gefunden, an den ich komme?"
Melody wich meinem Blick aus. „Mach dir darum keine Gedanken. Ich komme auch später nochmal. Jetzt habe ich noch einige andere Patienten."
Hastig sprang sie auf und verließ den Raum.
Ich gab mir Mühe, jetzt nicht zu heulen. Seit wann war ich so nah am Wasser gebaut? Es war doch klar, dass sie mich sogar auf die Straße setzten würden! Bisher hatte sich nie jemand um mich gekümmert und das würde sich auch nie ändern! Ich war schon immer auf mich allein gestellt gewesen.
Genau deshalb musste ich meine Mutter finden! Sie würde sich um mich kümmern. So, wie sie es damals schon getan hatte. Wenn ich sie fand, würde alles gut werden, daran glaubte ich ganz fest. Denn meine Mutter liebte mich! Das würde sie immer tun! An diesem Gedanken musste ich festhalten!

Gegen Mittag kamen Melody und der Arzt zu mir. Sie untersuchten mich gründlich und ich ließ es über mich ergehen. Danach sagte der Arzt zu mir: „Also, Malina, das sieht schon ganz gut aus. Du kannst entlassen werden – Unter der Bedingung, dass du dich schonst. Auch wenn du nur eine leichte Gehirnerschütterung hast, ist damit nicht zu spaßen.
Melody, kümmerst du dich bitte darum?"
„Ja, selbstverständlich." Sie lächelte.
„Dann wünsche ich dir alles Gute. Bleib gesund und tu uns den Gefallen und renn nie wieder in ein brennendes Haus." Der Arzt lächelte mir zu.
„Versprochen!"
„Gut, auf Wiedersehen." Dann drehte er sich um und ging.
Nun wandte Melody sich mir zu. „Also..."
Plötzlich wurde dir Tür aufgerissen und Anna stürmte herein.
„Malina! Du glaubst gar nicht, was passiert ist!" Sie grinste von einem Ohr zum anderen.
„Was ist denn passiert?"
„Meine Eltern haben zugestimmt, dich vorerst mit zu uns zu nehmen! Zumindest bis man ein Heim für dich gefunden hat. Sie haben auch schon alles geklärt!"
Nun musste auch ich grinsen und eine Welle des Glücks durchströmte meinen Körper. Ich durfte mit zu Anna gehen! Ich würde nicht auf der Straße landen! Wie könnte ich Anna dafür jemals danken? Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, fiel ich ihr einfach um den Hals.

Irgendwann löste ich mich wieder von Anna.
„Wann wirst du denn entlassen?", fragte sie.
„Das wurde sie schon. Jedoch möchte ich vorher noch mit deinen Eltern sprechen", mischte Melody sich ein.
„Jaja, die kommen gleich." Anna grinste mich an.

Wenig später saß ich bei den Thompsons im Auto und war auf dem Weg zu Annas Haus. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass sie mich tatsächlich aufnahmen. Es war zu schön, um wahr zu sein und ich hatte Angst, aus einem schönen Traum aufzuwachen und noch immer in der Klinik zu liegen.
Doch das war kein Traum. Das war real! Ich freute mich so sehr, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte zu grinsen. Trotz den schrecklichen Dingen, die geschehen waren. Es versetzte mir einen Stich, als meine Gedanken zu Katie wanderten. Schnell verdrängte ich sie wieder und konzentrierte mich auf das Schöne.
„Und du wohnst schon dein ganzes Leben in einem Kinderheim?", fragte Mrs. Thompson.
Soviel zum Thema ablenken. „Ja, bis jetzt jedenfalls."
„Weißt du etwas über deine Eltern?"
„Nein, nur, dass sie mich dort abgegeben haben." Aus irgendeinem Grund schwieg ich über den Brief.
„Und wie sieht es mit deiner schulischen Bildung aus?"
„Was meinen Sie damit? Ich gehe zur Schule wie jeder andere auch." Was für ein Glück, dass gerade Ferien waren und ich nichts aufholen musste.
„Und was machst du in deiner Freizeit so?"
„Ich habe eine Zeit lang gefochten. Aber seit kurzem nicht mehr." Genauer gesagt seit Katie adoptiert wurde. Ich hatte dann einfach keine Lust mehr gehabt. Katie hat nie viel von diesem Sport gehalten, ich hatte trotzdem viele Jahre diesen Kurs besucht.
„Und..."
„Mom!", unterbrach Anna Mrs. Thompson. „Hör auf Malina so auszuquetschen!"
„Jaja." Man konnte förmlich hören, wie ihre Mutter die Augen verdrehte, aber sie hörte tatsächlich auf zu fragen.
Just in diesem Moment kam das Auto in der Einfahrt der Villa zum Stehen und Mr. Thompson sagte: „Wir sind da. Alles aussteigen, bitte!"
Er schenkte mir ein freundliches Lächeln. Dann gingen wir ins Haus während er den Wagen noch in die Garage fuhr. Mrs. Thompson zeigte mir das Gästezimmer indem ich schlafen würde. Anna borgte mir etwas Kleidung von sich, da mein gesamtes Zeug in dem Feuer verbrannt war.
„Abendessen gibt es immer um Punkt 18 Uhr. Die Toilette ist hier den Gang runter. Wenn du noch etwas brauchst, kannst du gerne fragen. Ach ja, und fass die Bilder, die hier hängen, bitte nicht an, die sind sehr wertvoll", erklärte Mrs. Thompson mir noch. Dann hatte ich ein wenig Zeit für mich. Diese nutze ich, um mich in dem Gästezimmer umzusehen.

Malina und AnnaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt