~ Zwanzig ~

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„Um ehrlich zu sein: Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt mit dir machen soll“, stellte Liam fest, als er sich hinter das Keyboard stellte und Aleyna von oben bis unten musterte.

Sie versuchte seinen Blick zu erwidern und nicht wegzuschauen, während sie überlegte, ob sie sich eher freuen sollte, dass Niall nicht bei ihrer ersten Übungsstunde anwesend war oder sich lieber wünschen sollte, dass er noch kommen würde, um sie zusammen zu stauchen und Liam zu sagen, was er zu tun hatte.

„Hat dir Niall denn gar nichts mehr gesagt?“, fragte Aleyna ungläubig.

Er hatte doch sicherlich noch mit ihnen gesprochen, ihnen von Aleynas Schwächen erzählt und vielleicht sogar eine Aufnahme von ihrem Gesang gezeigt? 

„Nicht mehr als dir“, stellte er klar, während er auf dem Keyboard klimperte. 

Er hatte lange, filigrane Finger, die flink über die schwarzen und weißen Tasten flogen. 
Man konnte schon gar nicht mehr davon sprechen, dass er sie wirklich berührte, denn seine Bewegungen waren so schnell und präzise. 
Seine Hände auf den Tasten war eher wie ein flüchtiges Hauchen, ein Atemzug aber nicht mehr und trotzdem konnte er solche Klänge zu Stande bringen. 

Als er spürte, dass Aleyna ihn beobachtete blieben seine Finger ruckartig stehen und sein dunkler Blick traf auf Ihren. Sie wusste, dass er sie bereits gestern eingängig beobachtet hatte, nun konnte sie das Gleiche bei ihm nachholen. 

Liam war großgewachsen, auch wenn er im Gegensatz zu den anderen Jungs etwas kleiner und nicht ganz so muskulös war. Er hatte braunes glattes Haar, das ordentlich lag unterstützt von einer Menge Gel, und Barstoppel im Gesicht auch wenn er frisch rasiert wirkte. 
Wie auch die anderen Jungs war er deutlich älter als sie, Aleyna schätzte ihn auf Anfang zwanzig. 

„Und“, begann sie, um die Stille zu durchbrechen. „Kannst du die Melodie spielen?“

Liam warf ihr einen niederstechenden Blick zu, während Aleyna sofort zurück zuckte. 
Was hatte sie denn jetzt schon wieder Falsches gesagt? 

„Ich spiele nach Gehör“, antwortete er und klimperte weiter, doch sein Blick folgte immer weiter Ihrem. 

„Wow, das ist bewundernswert“, beeilte sich Aleyna zu sagen, um ihn nicht weiter zu verstimmen. 

Musiker waren wirklich launisch.
Es machte sie unruhig, dass er so viel älter als sie war, sie wusste nicht, wie sie ihm begegnen sollte. 
Sollte sie eher so tun, als ob sie auf einer Ebene stehen würden? 
Oder wirkte sie dann überheblich oder womöglich frühreif? Aber wenn sie sich ihm unterordnen würde, hätte sie gar keine Gewalt mehr über die Geschehnisse. 
Wenn sie es wiederum nicht tat, würde Niall sie ganz schnell zu Kleinholz zerhacken ohne mit der Wimper zu zucken.

„Hast du eine klassische Ausbildung gemacht, oder hattest du überhaupt keinen richtigen Unterricht?“, fragte Aleyna neugierig. 

Liam warf ihr einen verwirrten Blick zu, er schien nicht wirklich mit einer solchen Frage gerechnet zu haben. 
Eigentlich hatte er gar keinen Grund dafür gehabt, sie so anzusehen, Niall hatte ihnen schließlich alles über sie erzählt. War es da nicht nur logisch, dass auch sie ein paar Informationen haben wollte? 

„Ich habe 12 Jahre Unterricht an einer klassischen Musikschule genommen. Ich spiele seit meinem achten Lebensjahr Klavier. Und nach dieser Zeit habe ich nur noch für die Band gespielt.“ 

Aleyna nickte anerkennend, es war sicherlich nicht einfach gewesen, die Musikschule und alle ihrer Vorteile aufzugeben, um dann als Keyboarder, der zumindest in dieser Band keine besonders große Bedeutung hatte, für wenig Geld weiterzuspielen.
Er schien es aus Leidenschaft zu der Musik zu tun. 

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