~ Einundsechzig ~

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Niall hatte mehrmals versucht sie anzurufen. Er hatte ihr gefühlte tausend Nachrichten hinterlassen, in denen er ihr abwechselnd gedroht und dann beinahe angefleht hatte, zurück zu rufen. 
Er wusste, dass er seine Gefühle im Zaun halten musste, es ging schließlich um die Zukunft von No Name. Niall durfte die Jungs nicht im Stich lassen, denn eins war klar:
Keine Aleyna bedeutete kein Plattenvertrag.
Und das wiederum bedeutete Ärger mit den Jungs. 

Aber natürlich ignorierte Ali jeden einzelnen seiner Anrufe, als ob er nicht mehr existieren würde oder seine Nachrichten sie einfach nicht erreichen würden. 
Sie war wütend,natürlich und enttäuscht, aber das gab ihr noch lange nicht das Recht, sich aufzuführen, als ob sie das unschuldige Lamm war und er der böse Wolf. Sie hatten beide Fehler gemacht, versuchte Niall diplomatisch zu argumentieren, aber ein Teil in ihm wünschte sich einfach nur Ali kindisch die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben. Nicht besonders erwachsen, schalte er sich selbst.

Irgendwann, als Ali es leid war seinen Nachrichten zu lauschen, hatte sie ihm stattdessen mit Songtiteln bombardiert. 
Wahrscheinlich ging es ihr erst einmal nur darum, Niall zu zeigen, dass sein Nachrichtenbombenanschlag auf sie, sinnlos und zudem nervtötend war, aber  dann wurden die Songtitel immer eindeutiger und auf ihre jetzige Situation bezogen.
Vom genervten „Shut Up“, über ein enttäuschtes „Me Angainst The World“ bis hin zum kämpferischen „Shoot Your Gun“ war alles dabei gewesen. 
Als sie ihm schließlich den Song „Your Boyfriend Sucks“ von The Ataris schickte war er kurz davor gewesen, sie darauf hinzuweisen, dass der Titel nicht ganz passend war, glücklicherweise hatte er sich anders entschieden.
Sonst wäre er wohl ein Kopf kürzer gewesen.
Gegen drei Uhr früh hatte er aufgegeben sie zu erreichen. Niall war müde gewesen und seine Hoffnung sie doch noch sprechen zu können war auf ein Minimum gesunken. Manchmal hatte er während der ganzen Prozedur das Gefühl gehabt, dass er sich so an den Rhythmus des Nummer Wählens, Wartens und Auflegens gewöhnt hatte, dass er gar nicht mehr anders konnte als es erneut zu versuchen. 
Es ging nicht mehr wirklich darum Aleyna zu erreichen, sondern einfach nur sich irgendwie abzulenken. 

Mittlerweile hatte er es geschafft ein paar Stunden zu schlafen und sich aufzuraffen, um zum Proberaum zu fahren, wo sie sich heute treffen wollten, um die Songlisten, die sie auf dem letzten Konzert ausgehangen hatten auszuwerten. 
Tja und nun musste er den Jungs unter die Augen treten und ihnen mitteilen, dass Ali nicht mehr kommen würde. 

Der Tag konnte nur besser werden. 
Langsam, beinahe träge stieg er aus dem Auto. In diesem Moment hätte er alles dafür getan, um nicht diesen Proberaum betreten zu müssen und den Jungs entgegenzutreten.
Egal, stritt er mit sich selbst. Er würde es einfach hinter sich bringen, dann würden sie weitersehen. 
Doch als er die Jungs plötzlich vor seinem parkendem Auto stehen sah, war er nicht ganz so hoffnungsvoll. 
Sie wirkten wütend. Toll. 
Lässig begrüßte er sie mit den Händen in der Hosentasche, während sie ihn nur verkniffen mustern konnten. Was hatte er denn jetzt schon wieder getan?

„Na, was gibt's“, versuchte Niall locker ein Gespräch in Gang zu setzen, doch die Jungs schwiegen. 
„Was ist los? Hat es euch die Sprache verschlagen?“
Er lachte verhalten. Sie waren jetzt doch nicht wütend auf ihn?

„Wo ist Ali?“, schoss es direkt aus Louis heraus, der ihn musterte. Wenn Louis ihn nicht so feindselig angefunkelt hätte, hätte er beinahe über seine typisch direkte Art lachen können.

„Woher soll ich das wissen?“, antwortete Niall ihm scheinbar ahnungslos. 
„Sie kommt sicher gleich.“ Es brachte niemanden weiter, wenn er sie belog. Trotzdem konnte er einfach nicht anders.

„Nein, das glaube ich nicht“, fuhr Louis fort. „Du bist schon eine halbe Stunde zu spät, Aleyna kommt nie zu spät.“ 

„Nie würde ich nicht sagen“, entgegnete Niall in Gedanken an ihre erste gemeinsame Probe zu der sie zu spät gekommen war. 

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