~ Achtundfünfzig ~

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„Willst du etwas trinken?“, fragte Niall sie wenige Minuten später scheinbar unbefangen. Geschickt wich Aleyna seinem Blick aus, in der letzten Zeit waren ihre Blickwechsel intensiver geworden, als Aleyna sich gewünscht hatte. 

„Ja, ich denke schon“, erwiderte sie zerstreut und sah in die Ferne zu den Trinkbuden, um sich auf etwas Anderes als Niall zu konzentrieren. Da kam ihr eine Idee.
„Aber ich gehe“, fügte sie standhaft hinzu, um Niall keine Möglichkeit zur Widerrede zu geben. 

Sie brauchte das jetzt einfach, versuchte sie ihm irgendwie klar zu machen, aber die merkwürdige Gabe von Niall ihre Gedanken lesen zu können, konnte nur zum Einsatz kommen, wenn er ihr ins Gesicht sehen konnte. 
Dann musste es anders gehen, dachte sie wütend. Sie würde ihren Blick nicht heben. Sonst würde all ihre Willensstärke in der Luft verpuffen und ein Mädchen zurücklassen, dass leicht zu beeinflussen war. 
Ein Mädchen, das handelte und nicht dachte. Das Schlimme daran war, dass sie jetzt gerade – auch wenn sie sich schämte es eingestehen zu müssen- ohne jeden Zweifel das Mädchen sein wollte, das handelte. 
Der Wunsch Niall noch einmal zu küssen war immer noch da, penetrant und unüberwindbar stand er im Zentrum ihres Denkens und ließ sich einfach nicht verdrängen.

„Bist du sicher?“, fragte Niall und versuchte erneut in ihrem Gesicht zu lesen. Zum ersten Mal seit Aleyna ihn kannte, wirkte er irgendwie hilflos. Hilflos wegen ihr, schoss es ihr unwillkürlich durch den Kopf. 
„Sie werden dir keinen Tropfen Alkohol ausschenken und außer Wasser haben sie sonst glaube ich nichts.“

„Natürlich werden sie das“, widersprach Ali ihm etwas zu aufbrausend. „Ich bin 17, ich darf rechtlich gesehen Alkohol kaufen.“ 

„Meinst du, sie werden dir glauben, dass du schon 17 bist?“, fragte Niall sie. Aus den Augenwinkeln sah sie ihn lächeln. 

„Klar und wenn nicht, dann zeige ich ihnen einfach meinen Ausweis, soweit wird es aber nicht kommen“, entgegnete sie trotzig. 
Musste er sie denn jetzt unbedingt demütigen? Am liebsten würde sie sagen, dass es besser zwischen ihnen laufen würde, wenn er nicht sprach, sondern sie küsste. 

Schalte dein Gehirn wieder ein, wies sie sich selbst für ihren dummen Gedanken zurecht. Denk nach. Aber anscheinend hatte sich ihr Gehirn für heute verabschiedend. Wenn man sich einmal auf jemanden verlassen musste…

„Okay, versuch es“, gab Niall schließlich seufzend nach. Er wirkte müde. 

„Mache ich“, erwiderte sie trotzig und marschierte stolz davon. Keine zehn Minuten später war sie wieder bei ihm und sprach ihn kleinlaut an.
Sie hasste es zu versagen, vor allem, wenn sie eigentlich wusste, dass sie keine Chance hatte. 

Niall drehte sich mit strahlendem Lächeln zu ihr um und brach in ein amüsiertes Lachen aus.
„Keine Chance, oder?“, fragte er. Sie nickte. „Komm mit, wir regeln das.“ 
Dicht aneinander gedrängt pressten sie sich erneut durch die Menschenmenge bis sie an der Trinkbude angekommen waren, die Ali von nun an für immer verfluchen würde.

An der Bar stand noch immer der gleiche Typ, der vielleicht ein Jahr älter als sie war, aber definitiv jünger als Niall und sah sie dümmlich grinsend an.
Na, warte, dachte sie wütend. Du wirst auch noch dein Fett abkommen. 
Als sie vor wenigen Minuten an die Bar gekommen war und für sich ein Wasser und für Niall ein Bier bestellt hatte, hatte er sie nur grinsend angesehen und gesagt:
„Na klar, hier dein Wasser, aber für das andere bis du noch ein bisschen jung. Du bist ja noch grün hinter den Ohren.“

Daraufhin hatte sie ihn fassungslos angesehen und etwas verwirrt erwidert: „Nein, ich bin 17.“

„Ja, klar und ich bin 37.“ 

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