~ Achtundzwanzig ~

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Aleyna saß am Freitag bereits pünktlich im Proberaum und wartete wutentbrannt auf Nialls Ankunft. 
Der werte Herr ließ mal wieder etwas länger auf sich warten. Diese Tatsache und Nialls Verhalten ihr gegenüber in den letzten Tagen, führte sie erneut dazu sich lautstark Musik in die Ohren dröhnen zu lassen. 

„And yeah yeah yeah I'm a lot to handle .You don't know trouble but I'm a hell of a scandal”, sang Avril Lavigne ihr mal wieder die Ohren voll. 

Aleyna war diese Gefühlsachterbahn langsam leid, aber sie konnte einfach nicht anders. 
Sie konnte sich schon nicht mehr an eine Zeit zurückerinnern, in der die Musik nicht ihr Begleiter in allen Lebenslagen war. Und genau deshalb schaltete sie immer wieder die Musik ein und ließ sich von ihren Klängen berauschen, die sie Emotionen fühlen ließen, von denen sie dachte, nicht fähig zu sein sie zu fühlen. 
In diesem Moment hätte sie ohne eine Spur von Selbstzweifeln oder Schamgefühl aufspringen können und Niall zurufen können: 

„I am the best damn thing that your eyes have ever seen.“ 

Na gut, wahrscheinlich eher nicht, denn wenn sie jetzt darüber nachdachte, fühlte sie schon die Röte in ihr Gesicht steigen. Aber sie hätte sicherlich etwas Ähnliche tun können, dass etwas mehr Gehalt hatte und sie nicht wie ein vollkommener Trottel dastehen lassen würde. 
Vielleicht. 
Ava und Harry hatten ihr versprochen, dass Niall sich benehmen würde, aber, dass er sich schon die Zeit ließ, zu spät zu kommen, sprach doch eigentlich für sich.
Er hatte das Gefühl, dass sie einfach zu lenken war. 
Also konnte er sich ruhig ein bisschen mehr Zeit lassen, denn die kleine, blöde Aleyna würde ja warten.

In diesem Moment war ihr Hass auf sich selbst unüberschaubar. 
Denn sie war hin und hergerissen, zwischen ihrem nicht zu verachtenden Stolz und ihrem dummen Ehrgeiz. 
Zwei Eigenschaften an ihr, die sie abgrundtief hasste. Denn sie brachten sie immer wieder dazu Dinge zu tun, die sie lieber lassen sollte. 
Avril Lavignes Geschrei nahm langsam ab, während die letzten Zeilen, die von vielen „Yeahs“ und „Heys“ geprägt waren, Aleynas Wut wieder anstachelten. 
Sie sollte die Songs am besten von ihrem iPod nehmen, sonst würde es irgendwann nach Tote geben. 

Aber wieder einmal siegte die Liebe zur Musik über ihre Vernunft und sie ließ sich wieder von der Musik einnehmen, bis sie plötzlich spürte, wie jemand an dem Kabel ihrer Kopfhörer zog und sie überrascht und zugleich wütend über die Störung hochsah.
Die wutentbrannten Worte, die ihr gerade noch auf den Lippen gelegen hatten, blieben ihr wortwörtlich im Hals stecken, denn sie begann nach Luft japsend zu husten. Währenddessen wurde sie von zwei stahlblauen Augen belustigt gemustert, doch sie konnte Niall keine Schimpfwörter an den Kopf werfen, da sie viel zu sehr damit beschäftigt war, sich am Leben zu halten. 
Niall schlug ihr einmal fest auf den Rücken, damit sie wieder Luft bekam, die sie gleich wieder dafür nutzte ihn anzuschreien:

„Hey, das tat weh!“ 

Sie fuhr sich schmerzerfüllt über den Rücken und konnte noch immer die Berührung seiner Hand dort fühlen. 

„Ein Dankeschön hätte es auch getan. Ich habe dir schließlich das Leben gerettet“, entgegnete er ihr belustigt und stellte seinen Gitarrenkoffer, auf einen der Tische ab. 

Lieber wäre sie erstickt würde Aleyna ihm jetzt gerne zurufen, aber ihr wurde glücklicherweise selbst bewusst, wie kindisch sie dann klingen würde. 
Es reichte ja schon aus, dass sie so etwas überhaupt dachte, um vor Scham im Erdboden zu versinken. 
Niall kam wieder auf sie zu, zog einen der Kopfhörer aus ihrem Ohr, nur um ihn sich selbst wieder in die Ohren zu stecken. 
Als er ein paar Sekunden lang gehört hatte, gab er ihr den Kopfhörer seufzend zurück.

„Du bist also wirklich wütend auf mich“, stellte er fest.

„Dafür musstest du erst, die Musik, die ich höre, hören?“, fragte sie ihn ungläubig.

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