~ Neunundsechzig ~

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„Leute, das Konzert beginnt in 5 Minuten! Wo ist Aleyna!“, schrie Niall laut, während er immer wieder hektisch hin und herlief und alle zwei Minuten den Vorhang ein wenig zurückschob, um zu sehen, wie sich die Menschenmassen vor der Bühne immer weiter vertieften. 

Der Platz, auf dem sie das Open Air Abschlusskonzert veranstalten war brechend voll, obwohl die gleißenden Sonnenstrahlen beinahe greifbar waren.
Sie hatten schon viele gut besuchte Konzerte erlebt in der letzten Zeit, aber nichts war vergleichbar mit diesem Massenansturm. Und das obwohl die Luftfeuchtigkeit bei gefühlten 100 Prozent lag und die Jungs bereits mehrmals ihre T – Shirts gewechselt hatten.

„Sie ist noch bei Ava, kommt gleich!“, antwortete Liam ihm ebenfalls laut, damit sie sich in dem Gewusel überhaupt noch verständigen konnten.

Stimmen über Stimmen verflossen zu einer einzigen Geräuschkulisse bis keine hörbaren Übergänge mehr zu erkennen waren. 

„Wie lange kann man denn bitte brauchen, um sich fertig zu machen“, brummte Niall wütend vor sich hin.

Ava war, so geschäftstüchtig und gewinnorientiert sie auch wirkte, in manchen Angelegenheiten einfach unbedarft oder einfach nur fehlgeleitet von ihrem Östrogen. 
Hier ging es um ein Konzert. Keine Modenschau. Nicht die getragene Kleidung zählte, sondern die Musik. 
Aber wer sollte das schon einer starrköpfigen Frau wie Ava vermitteln? Niemand. Weil es unmöglich war.
Vor allem, wenn sie von ihrem trotteligen Freund Cole unterstützt wurde, der ihr wohl ohne jede Aussicht auf Besserung, verfallen war.
Zumindest heute hatte sie ihn abwimmeln können und darauf bestanden, dass er sich unter das Publikum mischte, damit sie ihrer „Arbeit“ nachkommen konnte. Das er nicht lachte. Sie sabotierte wohl eher die Arbeit der Anderen, die wirklich arbeiten wollten.

„Wenn sie nicht gleich kommen, müssen wir Ali aus dem Programm streichen“, rief er betont lauter als eigentlich nötig, in dem Wissen, dass Ava ihren Beauty Salon nur ein paar Meter von ihnen entfernt hinter einem altbackenen Raumteiler aufgestellt hatte. 

„Denk noch nicht einmal daran, Niall“, hörte er in dem Stimmengewitter eine weibliche leicht verzweifelte, aber dennoch ernste Stimme rufen.

Ali. 

„Für dich gelten die gleichen Regeln wie die Anderen, Ali. Wenn du nicht pünktlich bist, hast du selbst schuld“, wies er sie zu Recht, doch ein Lächeln konnte er trotzdem nicht verkneifen. 

„Und das gerade von dir Niall“, hörte er unisono vier Stimmen sagen.

Die Jungs und Ali hatten sich gegen ihn vereint. Na, wenn sie meinten, so doch gegen ihn anzukommen. Es sollte ja noch so etwas wie Wunder geben.

„Weißt du, Ali, ich glaube ich singe den letzten Song doch alleine“, sagte Niall etwas leiser, als er dem Raumtrenner näher kam, damit nur sie und Ava ihn hören konnten.

Es gab einfach nichts Schöneres, als Aleyna zur Weißglut zu bringen. Vor allem, weil sie auf alles ansprang, was er sagte. Es war fast zu einfach sie zu ärgern. Aber er würde sich nicht beschweren, solange es genau so blieb.
Er konnte Ali kurz mit Ava rangeln hören und verkniff sich gerade noch so ein lautes Lachen.

„Meinetwegen“, hörte er Aleyna schließlich resigniert murmeln. „Ich bin sowieso nicht so scharf auf den Song.“ 

„Es ist Somewhere Only We Know, Ali“, erinnerte Niall sie die Stirn runzelnd. „Du hast mich eine Woche lang bekniet, bis ich dir erlaubt habe, dass wir ihn als letztes spielen.“

„Ja“, maulte sie und auch wenn Niall ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste er bereits ganz genau, wie sie ihn ansah.

Ihre Augenbrauen zusammengekniffen, dazwischen ein kleines Grübchen, ein scheinbar gefährliches Funkeln in ihren Augen und ihre Hände zu Fäusten geballt.
Einfach unglaublich.

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