~ Zwei ~

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Was wollte die Kleine bloß, dachte Niall während er und seine Kumpels ihre Instrumente zusammen packten.

„Niall, wir müssen los, unsere Konzert fängt in 10 Minuten an!“, rief Liam, der Keyboarder, ihm panisch zu. Seine braunen Haare standen zu allen Himmelrichtungen ab und seine Augenbrauen wackelten gefährlich auf seinem Gesicht hin und her. Er war eindeutig gestresst.

Niall hatte vorgehabt ihn zu ignorieren, denn wenn Liam einmal Feuer gefangen hatte, hörte er nicht mehr auf ihm auf die Nerven zu gehen. Letztendlich lehrte er sich eines Besseren und zeigte ihm den Mittelfinger, während er seine Gitarre seelenruhig einpackte. 

Von dem ließ er sich nichts sagen, dachte Niall sich schmunzelnd und drosselte sein Tempo zusätzlich ein wenig, um Liam auf den Zenit der Ungeduld zu bringen. Er lachte immer wieder leise vor sich hin, wenn er beiläufig in das hochrote Gesicht von Liam sah. 

Dann fing er provozierend leise an Linkin Parks „Leave Out All The Rest“ zu summen, und zu schauen, wie sich der Rotton auf Liams Gesicht in ein dunkles Purpur verwandelte. 
Musiker waren nun mal nicht pünktlich, dachte Niall genervt, man konnte ihm doch nicht vorschreiben, wann er zu spielen hatte. Die Queen tat es ihm da gleich und das, obwohl sie höchstwahrscheinlich noch kein einziges Mal in ihrem Leben ein Instrument berührt hatte.
Die Queen kam nie zu spät, die anderen waren immer zu früh da. Und so war es mit Niall und seiner Band auch.

Eigentlich müsste er froh sein, dass er überhaupt spielen durfte, und dafür auch noch etwas Geld bekam, gestand er sich schließlich ein, denn in letzter Zeit sah es nicht unbedingt rosig auf seinem Konto aus. Die monatliche Miete war mal wieder fällig und wenn er jetzt nicht bald mal ein paar Gigs hatte, konnte er zu seinen Eltern fahren und sie auf Knien anflehen ihn bei sich auf zu nehmen. 
Bevor er das tat, lebte er aber lieber auf der Straße. 

Erschwerend kam hinzu, dass die Jungs ihm seit langer Zeit schon auf der Tasche lagen, weil sie unbedingt ins Studio wollten, um ihre erste Cover – Platte aufzunehmen. Cover, schnaubte Niall abwertend. 
Natürlich war es toll Songs von großartigen Bands zu spielen, aber das Gefühl einen eigenen Song zu haben war tausendmal besser. Nur leider hatte er dieses Gefühl nie erleben dürfen.

Und jetzt wollten die Jungs auch noch, dass sie eine Sängerin engagierten, damit sie ihre Zielgruppe erweiterten. Auf seinen Konzerten würden dann kleine Mädchen mit rosa Nagellack und Sommerkleidchen auftauchen, die von Rockmusik so viel Ahnung hatten wie vom Leben. Nämlich gar keine.

Es würde sowieso keine Sängerin geben, die den Stil der Band mochte und ihn singen konnte. Auch wenn sie in letzter Zeit nur Songs gecovert haben, die auch einigermaßen populär waren, ganz verbiegen lassen würde Niall sich auch nicht. Er würde das Kind schon schaukeln.

Vielleicht konnte er die Jungs ja noch umstimmen. Wenn sie erst mal mitbekamen, dass nicht alle Frauen einen so guten Charakter hatten, wie sie aussahen, würde ihnen der Spaß an der Sache ganz schnell vergehen. 
Sie mussten ihm schließlich nichts vormachen. Sie waren nur auf der Suche nach einer Freundin und einer willkommenen Abwechslung. Aber Niall hatte sich vor langer Zeit geschworen, dass er die Musik und seine Liebesgeschichten nicht unter einen Hut bringen konnte und wollte.
Die Musik war immer seine große Leidenschaft gewesen, keine Frau konnte diese inniger Verbindung unterbrechen oder gar übertrumpfen. 

Unwillkürlich schweiften seine Gedanken wieder zu dem Mädchen, dass sich vor dem Fenster des Musikladens die Nase platt gedrückt hat. Das Wort Frau zu verwenden wäre hier einfach nicht angebracht gewesen-  sie sah aus wie ein katholisches Schulmädchen.
Trotzdem schien sie begeistert von der Musik gewesen zu sein. Es sah so aus, als ob sie wirklich fasziniert war, als ob sie sich in der Musik verlieren würde.

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