~ Dreißig ~

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„Nur um das an dieser Stelle festzuhalten: Ich hasse dich, Niall“, bemerkte Aleyna gerade, als sie die Tür zu der berüchtigten Karaokebar von der Niall ihr erzählt hatte, betraten. 

Sofort traf Aleyna der Geruch von Alkohol, gemischt mit einem muffligen Duft, der ihr nicht behagte. 
In sicherer Entfernung konnte sie die Bühne ausmachen, die für normale Maßstäbe nicht besonders groß wirkte, es handelte sich einfach nur um ein Podest mit einem Fernseher darauf, der die Lyrics anzeigte, aber für Aleyna erschien diese Bühne auf einmal unheimlich groß und die 30 bis 40 Menschen, die daneben standen oder an Tischen saßen, waren nun ein großes Menschenmeer. 
Nebenbei konnte sie Niall aus ihren Augenwinkeln noch lächeln sehen, doch sie bemühte sich ihn geflissentlich zu ignorieren.

„Komm schon Ali, du schaffst das“, munterte Harry nun Aleyna auf, der hinter sie getreten war, seine Hände auf ihre Schultern legte und sie weiter hinein in den Raum schob.

Aleyna versuchte währenddessen Harry nicht für sein sonniges Gemüt zu hassen, er wollte sie einfach nur aufmuntern und wahrscheinlich wäre die Situation, wenn sie gerade nicht der Hauptakteur war, sicherlich witzig und entspannt gewesen. 

Als sie schließlich in der Mitte der Bar standen, traf Aleyna helles, gleißenden Neonlicht. 
Auf der Bühne konnte sie eine mittelalte Frau erkennen, die sich gerade die Seele aus dem Leib sang, und das nicht im positiven Sinn.
Sie trug ein T – Shirt mit der Aufschrift: „Männer sind Schweine“ und als Aleyna ihren Blick weiter fahren ließ, konnte sie darunter eine weitere, etwas kleinere Aufschrift erkennen, die in Klammern gesetzt war, darauf stand: „(Ja, mein Freund hat mich betrogen, noch irgendwelche Fragen?)“ 
Logischerweise. 

Im Publikum konnte sie weitere Frauen mit einem solchen T – Shirt erkennen, sie jubelten gerade ihrer Freundin auf der Bühne laut zu, als diese gerade einen wirklich wichtigen Ton, gnadenlos versemmelt hatte. 
Dazu muss vielleicht noch erwähnt werden, dass der Song, denn sie sang nicht besonders einfach war. 
Es handelte sich um Adeles Someone Like You, das nun so oft im Radio hoch und runter gespielt wurde, dass Aleyna es leid war ihn zu hören, aber den Frauen schien es zu gefallen, oder auch nicht, wie auch immer.

„Never mind I'll find someone like you. I wish nothing but the best for you two”, sang sie gerade sehr eindrucksvoll schief, während sie das “You” soweit in die Länge zog, dass es beinahe an eine Sirene erinnerte.
Dahinter setzte sie in bester Improvisationsmanier ein: „Ich hasse dich, du Idiot“, was vollkommen Paradox zu den vorherigen Zeilen war, während ihre Freundinnen laut johlten. Tja, auch Frauen konnten unter Alkoholeinfluss und Liebeskummer absolut peinlich sein und die Frauenbewegung um mindestens 20 Jahre zurückwerfen.

„Don´t forget me“, schrie sie nun ins Mikrofon, und Aleyna hätte darauf schwören können, dass ihr Freund wäre er hier anwesend gewesen und hätte nicht allen anderen seiner Mitmenschen diese schmerzvolle Erfahrung für die Ohren machen lassen, sie nicht vergessen. 
Niemals. 

Hinter ihr konnte sie die Jungs lachen hören und Aleyna konnte auch nicht anders, als selbst ein wenig zu schmunzeln, obwohl eigentlich jemand diese Frau von der Bühne hätte holen sollen, aber da ihre Freundinnen sich nicht darum bemühten und sie sich scheinbar pudelwohl fühlte, mal von ihrem Gefühlsleben abgesehen, sah Aleyna sich nicht gezwungen etwas an ihrer misslichen Lage zu ändern. 
Traurig war es aber trotzdem, irgendwie. 

Als die Frau schließlich endetet, hörte man viele Leute erleichtert klatschen und einen weiteren Schluck Alkohol zu sich nehmen, während die Freundinnen mit ihren erstklassigen T – Shirts gar nicht mehr aufhören konnten zu jubeln. Währenddessen stieß Aleyna jemand weiter nach vorne, Harry. 

„Was denn?“, fragte sie plötzlich panisch, während ihre Knie begannen zu zittern. 
Bitte nicht, bettete sie still. Bitte nicht. 

„Du schaffst das“, schaltete sich jetzt auch Liam ein, der sie fürsorglich musterte, während Aleyna durchaus einen Moment abgelenkt war von ihrer misslichen Lage, denn sie hatte Liam noch nie so freundlich ihr gegenüber erlebt. 
Er war zwar immer kooperativ gewesen und hatte sie nicht missbilligt, aber so wirklich nett war er nie gewesen. 

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