~ Einundvierzig ~

179 15 35
                                    

„Das muss doch irgendwie zu schaffen sein“, murmelte Niall angestrengt vor sich hin, nachdem er sich mit Ali in einen der Nebenräume verzogen hat, um von den Anderen nicht gestört oder belauscht zu werden.  
„Es ist doch nur ein Pop – Song.“
Niall schüttelte immer wieder den Kopf, ging im Raum auf und ab, während er ganz vergaß, dass Ali noch bei ihm war.

„Kann ich dir irgendwie bei deinen Selbstgesprächen behilflich sein?“, fragte sie ihn sarkastisch, während ihm ein kleines Lächeln über das Gesicht huschte.
Er konnte hinter diesem Sarkasmus und ihren patzigen Antwort Unsicherheit erkennen, die sie versuchte geschickt zu kaschieren. 
Manche sahen sie vielleicht nicht, Niall schon. Für ihn waren sie klar erkennbar, alles an ihr schrie beinahe danach. 

Ihre Hände, die nervös am Saum ihres T – Shirts nestelten. Ihre Beine, die sie immer wieder kreuzte, bloß um in Bewegung zu bleiben. 
Und am verräterischsten waren wohl ihre Augen, die kein Funken Beständigkeit vermittelten, sondern immer nur unsicher hin und her wanderten. 
Aber diesmal verstand er ihre Unsicherheit. Sie fühlte sich unwohl, weil Niall ihr überlegen war und etwas gegen sie in der Hand hatte. 
So wie er Ali kannte, dachte sie, dass er ihre missliche Situation mit Ornella ausnutzen würde, um sie bloßzustellen. Aber selbst wenn er sich ihr gegenüber nicht immer nett oder zumindest respektvoll verhalten hatte, er wusste auch, wo seine Grenzen lagen. 

Er war kein vollkommener Idiot, auch wenn sie das dachte. Was Niall aber trotzdem einfach nicht einleuchtete, war die Tatsache, dass Ali weder geweint noch wütend gewesen war, als er sie abgeholt hatte. 
Niall hatte erwartet, dass sie in Tränen ausbrechen oder ihn anschreien würde, weil sie so wütend auf ihre Freundin war, aber irgendwie hatte sie nur ernüchternd gewirkt, als ob es zur Normalität gehören würde, dass sie im Stich gelassen wurde. Nicht sein Bier, redete er sich schnell ein. 
Er konnte jetzt auch nicht noch ihr Psychotherapeut werden, dafür waren die musikalischen Probleme, die sie hatten viel zu groß und bedeutend. Die Musik zählte, nichts weiter.

Ali musste ihre Befindlichkeiten zurückstellen. 
Aber trotzdem, focht Niall in seinem Inneren mit sich weiter. Ihre Reaktion war nicht normal gewesen, nicht vorhersehbar. Vielleicht würde sie ihre Wut und Trauer beim Singen von „Jar of Hearts“ endlich herauslassen können.
Und dann hatten sie Beide gewonnen. Niall, weil er endlich einen Fortschritt mit ihr gemacht hatte und Ali, weil sich ihre Enttäuschung nicht in ihr sammelte und dann zu einem der unpassendsten Zeitpunkten ausbrach, wie normalerweise typisch für die Kleine. 
Im Grunde genommen aber, war das Singen von „Jar of Hearts“ momentan noch ihr kleinstes Problem.
Das Duett musste Vorrang haben, wenn auch nicht jetzt.
Es konnte doch nicht sein, dass sie es nicht hinbekamen. Eins war sicher, er würde sich nicht weiter von den Jungs und Ava zur Schau stellen lassen und, wenn er sich nicht ganz irrte, ging es Ali genauso. 

„Ich habe da einen Vorschlag“, rief Niall aus, während Ali ihn überrascht ansah und eine Augenbraue hob, wie immer, wenn sie sich nicht sicher war, ob sie ihm glauben konnte.

„Du willst nicht weiter vor den Jungs und Ava bloßgestellt werden und ich auch nicht“, fuhr Niall fort und sah bedeutsam in ihre grüne Augen, die ihn gründlich musterten. 
Als er nicht fortfuhr, wurde ihr bewusst, dass sie reagieren sollte und sie nickte ihm peinlich berührt zu.

„Gut, wir müssen dieses Duett machen, da führt kein Weg dran vorbei“, versuchte Niall ihr ernst klar zu machen, während er gleichzeitig hoffte, dass seine eindringliche Worte, keine Fragen bei ihr auslösten, die sie gerne beantwortet hätte.
Von ihm. Fragen nach dem Wieso, Weshalb, Warum. Eigentlich berechtigte Fragen.

„Gut“, antwortete er eher zu sich selbst, als zu Ali, um sich wieder zu fassen. 
„Und es muss gut werden. Und damit es gut wird, müssen wir beide zusammen arbeiten“, fuhr er fort, während er sie weiterhin mit eindringlichem Blick fixierte.
„Und wir sind uns auch beide einig, dass das gerade eben nicht gut war. Von keinem von uns“, fügte er nachdrücklich hinzu. Sie nickte wieder ernst.

Sheet Music Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt