Verliebt

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Kapitel 16

Liam ging verträumt nach Hause. Diese Jessica war echt süß. Hoffentlich fand sie ihn nicht zu aufdringlich. Aber schon komisch dieses Mädchen: Läuft mit alten Klamotten und einem komischen Koffer orientierungslos herum und sucht eine Adresse, die direkt vor ihrer Nase ist. Er beschloss, nicht gleich am nächsten Tag zu ihr zu gehen, damit er sie nicht bedrängte. Aber zum Glück haben die Sommerferien gerade erst begonnen, somit hatte er genügend Zeit, sie kennenzulernen. Als er die Tür daheim öffnete, lief er fast in seinen WG-Mitbewohner Eric rein. Eric und er waren, seit er denken konnte, beste Freunde. Letztes Jahr hatte Eric Abitur gemacht und sie sind nach seinem Abschluss sofort in diese schnucklige 3-Zimmer Wohnung gezogen. Liam machte erst in diesem Jahr seinen Abschluss. „Hi wo kommst du denn her?", fragte Eric. „Ach, ich war bloß ein bisschen surfen", antwortete Liam. „Und wo ist dein Surfbrett?" „Das habe ich im Bootshaus am Strand deponiert!", gab Liam zurück. „Und wo willst du hin?" „Ich muss meinem Vater unter die Arme greifen und auf meinen kleinen Bruder aufpassen. Dana ist nicht zu Hause. Willst du mitkommen?", sagte Eric. „Okay! Robin ist so süß, da muss ich mitkommen! Und wenn Bud Hilfe braucht, bin ich sofort zur Stelle!" Liam lachte. Erics Bruder Robin war ein Albino und total niedlich. Er war zwar erst neun Jahre alt, aber schon sehr klug. Danas ehemaliger Freund und Vater von Eric, verließ Dana, als sie schwanger mit Eric war. Sie zog ihn alleine auf und heiratete Bud, als Eric zehn Jahre alt war. Nach der Hochzeit adoptierte Bud Eric, damit er auch standesgemäß sein Vater sein konnte. Nur ein Jahr später kam Robin auf die Welt.
Die zwei Freunde fuhren mit Erics Auto los, da er schon 19 war und seinen Führerschein schon in der Tasche hatte. Liam wollte seinen Führerschein erst nach seinem Abschluss machen. Die Fahrt dauerte nicht lange und zu dritt spielten sie den ganzen Abend mit Robin, bis der Kleine müde ins Bett fiel.
*
Ich hatte mich endlich an das Leben an Land gewöhnt. Sam tat sein bestes, mich zu verwöhnen. Er hatte sich extra zwei Wochen freigenommen, um sich richtig um mich zu kümmern. Nachdem wir mein Zimmer fertig hatten, unternahmen wir gemeinsam Sachen. Doch am Abend zog es mich immer zum Meer. Ich kämpfte gegen mein Heimweh an und starrte auf das Wasser. „Hey, Jessie!" Sam war zu mir runter an den Strand gekommen. „Hi, Sam!" „Du musst rein kommen, es ist schon spät!", sagte er mit weicher Stimme. „Ich weiß, wie du dich fühlst und ich versuche alles, um dich abzulenken!" „Ich weiß", seufzte ich, „und ich bin dir auch sehr dankbar, aber ich muss immerzu an Mom denken!" Er nickte mitfühlend und half mir beim Aufstehen. ,,So ging es mir, nach dem Unglück auch!" Wir schlenderten gemütlich zurück zu Sams Haus. Wir kuschelten uns aufs Sofa und ich schlief erschöpft in seinen Armen ein.
Am nächsten Morgen wachte ich wider Erwarten in meinem Bett auf. Sam hatte mich also hinaufgetragen. Irgendwie schämte ich mich, aber nicht weil er mich ins Bett getragen hatte, sondern weil er alles Mögliche für mich tat und ich ihm nichts zurückgab. Also beschloss ich, ihn zu überraschen. Ich stand auf und ging hinunter in die Küche. Volltreffer: Sam schlief noch. Ich deckte den Tisch und brühte uns einen grünen Tee auf. Anschließend ging ich zum Bäcker um die Ecke und kaufte Brötchen und süßes Gebäck. Schnell rannte ich wieder zurück und platzierte mittig das Brotkörbchen und außen herum eine Käse- und Wurstplatte, verschiedene Marmeladen, Butter und Honig. Stolz betrachtete ich mein Werk und wartete, bis Sam aufstand. Er hatte sich schon frisch gemacht und kam fröhlich pfeifend in die Küche. Erstaunt sah er erst mich an und dann den reichlich gedeckten Tisch. „Guten Morgen!" ich grinste breit. „Äh, ja guten Morgen!", sagte Sam immer noch perplex. „Jetzt tu mal nicht so, als hätte ich hier einen Blauwal ins Haus geschleppt! Ich habe schließlich nur Frühstück gemacht!", lachte ich. „Und jetzt setz dich, die Semmeln sind noch warm!", befahl ich. Er gehorchte und setzte sich mir gegenüber an den Tisch und nahm sich ein Brötchen aus dem Korb. Auch ich griff zu und wir aßen gemütlich, als es plötzlich klingelte. „Ich komme schon!", rief ich und lief zur Tür. „Hi!" Es war Liam. „Oh, hey! Willst du reinkommen? Wir frühstücken noch!", bot ich ihm an. „Tut mir leid, dass ich beim Essen störe. Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob du Lust hast, mit mir etwas zu unternehmen." „Ja gerne! Aber komm doch noch kurz rein, damit du nicht draußen warten musst!", antwortete ich. Ich geleitete ihn in die Küche, wo Sam schon am Abräumen war. „Guten Tag, Sam!", sagte Liam schüchtern. „Guten Tag, Liam!", erwiderte er. „Darf ich heute was mit Liam unternehmen?", fragte ich Sam. ,, Wir wollen runter ans Meer, ein bisschen Schwimmen", erklärte Liam. „Natürlich! Aber kommt pünktlich zum Abendessen wieder zurück!", drohte er und schmunzelte. „Du hast die Vaterrolle echt gut drauf!", meinte ich zu ihm. „Vaterrolle?" Liam schaute mich fragend an. „Ach, nichts", winkte ich schnell ab. Ich musste aufpassen, mich nicht zu verplappern, sonst müsste ich die ganze Meerjungfrauen-Geschichte erzählen und dann würde Liam mich für verrückt halten und nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Er hatte sich wahrscheinlich gewundert, weshalb ich die Adresse meines Vaters nicht kannte und so komische Klamotten getragen und einen Koffer dabei hatte. „Ich komme gleich, ich hole nur kurz meine Tasche!", sagte ich und rannte die Treppe rauf. Ich schnappte mir einen Bikini und ein Handtuch, setzte mir meine Sonnenbrille auf und lief dann die Treppe wieder runter. „Bis später Sam!", riefen wir Sam zu und gingen nach draußen.

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