Kapitel 19
Liam schaute Jessies roten Haaren nach. Er gab sich die Schuld, weil er seine Begierde nicht zurückhalten hatte können. „Fuck!" Liam kickte einen Stein weg. Was sollte er jetzt bloß machen. Sie würde ihm wahrscheinlich nie verzeihen. Aber er durfte jetzt auch nicht klammern, sonst würde sie ihn komplett ablehnen. Nun nahm er sich vor, sie am Abend aufzusuchen und sie um Verzeihung zu bitten. Er wusste nicht, was er noch mit dem Tag anfangen sollte. Darum holte er sein Handy aus der Hosentasche und rief Eric an: „Hey Ic, kannst du mich abholen?" „Klar! Wo bist du?" „In der Mercouristraße." „Ich komme gleich!" Eric legte auf.
Schon zehn Minuten nach ihrem Gespräch, sah Liam den schwarzen Wagen von Eric in der Ferne. Das Auto hielt direkt vor Liam und er machte die Beifahrertür auf. Als er das lackierte Metall anfasste verbrannte er sich fast die Finger, so heiß war der Türgriff. „Autsch! Verdammte Scheiße!", fluchte Liam. „Was ist los?", fragte Eric. „Ach, der gesamte Tag ist einfach nur beschissen!", grummelte Liam. „Weißt du, was dich aufmuntern könnte?", sagte Eric schelmisch grinsend. „Was?" „Eine Fahrstunde! Du machst doch sowieso bald deinen Führerschein!" „Wirklich?", zögerte Liam. „Klar! Bist doch mein Kumpel!" „Danke! Das weiß ich zu schätzen!" Eric stieg aus und wechselte mit Liam Platz. „So! Du musst jetzt langsam die Kuppel kommen lassen und dann vorsichtig aufs Gas treten." Liam befolgte die Anweisungen und das Auto bewegte sich ruckelnd vorwärts. „Gut! Jetzt schalte mal einen Gang höher und gib mehr Gas!", erklärte Eric. Wieder tat Liam, was Eric ihm sagte und der Wagen fuhr schon flüssiger. „Du machst das wirklich gut, glaub mir!", lobte Eric. Davon motiviert wollte Liam schneller fahren und so fuhren die beiden ein paar Mal um den Block.
Am Abend musste Liam aber wohl oder übel zu Jessie. Während seiner "Fahrstunden", hatte Liam Eric von ihr erzählt, deswegen wartete Eric jetzt draußen im Wagen. Liam holte tief Luft und klingelte. Als nach einer Minute immer noch keiner öffnete, wollte er fast schon wieder verschwinden, doch dann hörte er das Klacken der sich öffnenden Tür. Sam stand da, mit einem müden Gesichtsausdruck und er sagte: „Was willst du, Liam?" „Kann ich mit Jessie reden?", fragte Liam vorsichtig. „Im Moment nicht, sie ist krank!", meinte Sam kurz angebunden. „Oh! Was hat sie denn?" „Fieber. Wenn du mich entschuldigst..." Sam schloss die Tür vor seiner Nase. „Danke!", meinte Liam ironisch. Er seufzte und ging zurück zu Erics Auto. „Sie ist krank, sagte Sam zu mir." „Und er hat dir mehr nicht gesagt?", fragte Eric empört. „Ne, mehr hat er nicht gesagt." Liam war zutiefst verletzt. Eigentlich hatte er Sam immer gemocht doch jetzt... „Aber du darfst sie nicht aufgeben, wenn sie dir so viel bedeutet!", versuchte Eric ihn zu ermutigen. „Komm schon! Du gehst einfach morgen wieder hin und bleibst hartnäckig!"
Widerstrebend ging Liam am nächsten Tag wieder hin und wieder wurde er von Sam abgewimmelt. Langsam wurde Liam sauer und klingelte am Nachmittag zum dritten Mal und schon wieder wurde er abgeblockt. Jetzt war Liam nicht mehr wütend sondern traurig. Er verkroch sich den restlichen Tag in seinem Zimmer. Nicht einmal Eric konnte ihn aufmuntern. Er war so verzweifelt, dass er tatsächlich einmal anfing zu weinen. Es war ihm peinlich und er fühlte sich in seiner Männerwürde verletzt, aber Eric fand es ok von Liam, seine Gefühle zu zeigen. Zusammen saßen die beiden Kumpels in Liams Zimmer und sprachen über die Liebe, Frauen und Beziehungen. Durch das Gespräch, wurde Liam sogar zu einem vierten Versuch ermutigt. Deshalb ging er am nächsten Morgen noch einmal zu dem mittlerweile ihm sehr bekannten Haus und klingelte. Jessica öffnete. „Oh, du bist es!", stellte sie mit einer noch etwas angeschlagenen Stimme fest. „Hallo Jessie! Wie geht es dir? Es tut mir so Leid wegen Sonntag! Bitte kannst du mir verzeihen?", sprudelte es aus Liam heraus. „Ganz ruhig! Ja ich verzeihe dir, wenn du mir verzeihen kannst! Ich bin einfach noch nicht bereit für uns beide. Bitte verstehe das doch! Ich bin wirklich froh, dich getroffen zu haben, aber ich glaube es wäre besser, wenn..", sie schluckte, „wenn wir uns erstmal nicht treffen." Liam schaute sie mit einer Mischung aus Entsetzen und Trauer an. „O..okay!" Jessie drehte sich weg und schluchzte. Ihr wurde die Situation einfach zu viel. „T..tut m..mir echt L..leid!", brachte sie unter heftigen Schluchzern hervor. Es war Liam ein Stich ins Herz, sie so zu sehen, doch er traute sich nicht, sie zu trösten. Er hatte Angst, dass sie bei seiner Berührung zucken würde. Er flüsterte ein: „Hoffentlich sehen wir uns bald wieder!" Er warf ihr eine Kusshand zu, die sie aber nicht sah, weil sie sich immer noch von ihm weggedreht hatte. Dann lief er schnell nach Hause, ohne sich ein einziges Mal umzudrehen. Denn hätte er sich umgedreht, wäre er höchstwahrscheinlich zu ihr zurückgelaufen und hätte sie in den Arm genommen.
*
Sam tat es schon Leid, Liam so abzuwimmeln, aber er konnte Jessie verstehen. Er wusste zwar nicht, was Liam gemacht hatte, aber sie hatte geweint. Er war gerade beim Einkaufen gewesen und als er zurückkam, saß Jessie mit roten, verheulten Augen auf dem Sofa. „Was ist los?", fragte er sofort besorgt und ließ sich neben ihr nieder. „Liam war da.." „Kannst du mir bitte einfach erzählen, was los ist? Ich möchte dir doch nur helfen!" „Naja also...Liam wollte halt mehr von mir, aber ich bin einfach noch nicht soweit. Dass ich James so plötzlich verlassen habe und dann auch noch Mum zurücklassen musste, macht mir nun mal zu schaffen!", erklärte Jessica. Ein wenig Verzweiflung klang in ihrer Stimme mit. „Ich kann dich vollkommen verstehen, aber warum kannst du nicht einfach mit Liam gut befreundet sein?" „Weil ich Angst habe, ihn zu enttäuschen. Stell dir mal vor, Aurelia wäre nicht bereit für eine Beziehung gewesen und du hättest sie jeden Tag gesehen und dir einfach nur gewünscht, sie würde deine Liebe erwidern. Du wärst innerlich zerbrochen, so etwas hält man nicht aus..." Als Jessie endete, stiegen ihr wieder Tränen in die Augen. Sam schwieg. Er musste ihr recht geben: so etwas hielt man nicht aus. Aber er sprach es nicht laut aus, sondern nahm sie nur stumm in den Arm. Wie ein Ertrinkender, klammerte sich Jessica an ihn. Sie suchte Halt und Schutz. Sam drückte sie fester an sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich bin immer für dich da! Du kannst zu mir kommen, wann du willst! Ich liebe dich!" Er drückte ihr einen Kuss ins Haar. „Danke!", flüsterte sie kaum hörbar. „Ich glaube ich gehe ins Bett, ich fühle mich noch nicht so gut." Jessie stand auf und tapste die Treppe hinauf. Kurze Zeit später hörte Sam, das Wasser im Bad laufen und danach, wie sich Jessies Zimmertür schloss. Er seufzte. Dieses Mädchen stellte sein Leben auf den Kopf, größtenteils im positiven Sinn. Doch ein kleiner Teil an ihr, brachte die Erinnerung an Aurelia und somit die Trauer ihres Verlusts zurück. Um sich abzulenken, holte er ein Buch aus dem Regal und begann zu lesen.
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Tiefsee
FantasyJessica ist eine junge Nixe. Sie wohnt zusammen mit ihrer Mutter Aurelia in der wunderschönen Unterwasserstadt Atlantis. Als ihr Freund James ihr einen Heiratsantrag macht, wirft es ihr Leben erstmal aus der Bahn. Und plötzlich benimmt sich ihr Verl...