Kapitel 44

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Es hallte durchs ganze Haus. Liam erstarrte. Er schaute mich kurz an, bevor er sich schließlich zur Tür drehte um sie zu öffnen.
Und wer stand dort?
Richtig, Eric.
"Was willst du hier?", hörte ich Liam gereizt flüstern.
"Ich hab mein Handy liegen gelassen, ich stör doch nicht?"
Man merkte, das ihm die Situation peinlich war.
"Ja, komm rein, ich hols schnell."
"Danke..."
Eric stellte sich mir gegenüber in den Flur und schaute mich an.
"Hallo, ich bin Eric. Du bist die naja...neue, nich?", fragte er und reichte mir die Hand.
"Ja, das bin ich, hallo", ich griff seine Hand, wobei mein Pulloverärmel leicht hochrutschte.
Blitzschnell drehte er meine Hand um, so dass er meinen Handrücken sehen konnte.
Ich erstarrte und zog meine Hand schnell weg.
Hoffentlich hatte er sie nicht gesehen.
                                *
Er sah das ihr ein leichter Schatten übers Gesicht huschte.
Also doch.
Er hatte sich nicht getäuscht.
Nun war er sich ganz sicher: das was er gesehen hatte war eine Narbe, die sich ganz leicht auf ihrem Handrücken abzeichnete.
"Was hast du gemacht?"
"Wo?"
"Deine Hand."
"Da ist nichts."
"Ich habe es gesehen. Und ich vergucke mich nur selten."
"Dann ist das wohl das eine seltene mal."
"Das glaube ich kaum"
Sie schwieg und schaute zu Boden.
"Geht dich nichts an!", fauchte sie so unerwartet, dass Eric zusammen zuckte.
Sie wandte sich zum gehen, als Liam auf sie zukam, Erics Handy in der Hand.
"Danke. Ich geh dann mal",meinte Eric und verließ das Haus.
Er hörte wie sich die Tür öffnete, Jessie verließ ebenfalls das Haus, und er sah, wie sie sich gedankenverlohren über ihren Handrücken fuhr.
                               *
Ich war ein wenig gemein zu ihm gewesen, vielleicht zu gemein.
Bei der nächsten Gelegenheit würde ich mich bei ihm entschuldigen.
Er wollte sicher nur Helfen, aber er hatte ja keine Ahnung.
Liam hatte Eric mal hin und wieder erwähnt und ich war ihm mal begegnet, aber jetzt hatten wir uns zum ersten Mal richtig unterhalten und er schien echt nett zu sein.
Jetzt wusste ich wenigstens, dass Liam nichts zugestoßen war.
Und ganz neben bei hatte ich ihn auch noch die ganzen Notizen gebracht.
Eine kalte Brise wehte durch mein Haar, der Winter schien langsam zu nahen.
Ich ging schneller. Ich hasste es in der Dämmerung noch draußen zu sein, ich wurde dabei immer übervorsichtig und fühlte mich meistens verfolgt und jeder Mensch der mir bei Tageslicht nett und freundlich schien war für mich ab Anbruch der Dunkelheit ein Verbrecher, Entführer, ein Krimineller.
Ich stellte meinen Kragen hoch und setzte mich auf den kalten Metallstuhl der Haltestelle.
Ich spürte wir die Kälte meine Kleidung durchdrang. Ich drehte mich auf dem Sitz um und sah in der Ferne das Meer in den letzten Sonnenstrahlen glitzern.
Meer....
Die Tränen kamen mir, als ich daran dachte was meine Mutter wohl gerade machte.
Ich werde sie irgendwann wiedersehen sagte ich zu mir selbst.
Bloß nicht weinen, Jessie! Das bringt doch nichts!
Doch ich spürte wie die Tränen meine Wangen hinabliefen, geräuschlos, so dass es niemand merken würde.
Ich krallte meine Hände in den Stoff meiner Jeans.
Tränen fiehlen auf meinen Pulli, sie glitzerten wie Perlen.
Langsam wurde um mich alles dunkel und die Sonne verschwandt im Meer.
Am liebsten wäre ich losgelaufen ins Nichts einfach nur Gerade aus, der Nase nach.
Meine Wangen waren tränennass.
Ich drehte mich wieder mit dem Rücken zum Meer, als ich merkte, dass Scheinwerfer die Straße erläuchteten.
Der Bus.
Ich wischte mir hastig mit dem Pulli meine Wangen trocken.
Doch als ich aufstand war es nicht der Bus der angehalten hatte, sondern ein Auto.
Es war schwarz lackiert, mit silbernen Felgen.
Ich kannte das Auto nicht.
Mein Herz beschleunigte, als sich die Beifahrertür langsam offnete.
Das Licht im Innenraum des Wagens ging an und Liam sah mir entgegen.
"Hallo...ich...ähm, ich dachte mir ich könnte dich vielleicht mitnehmen?"
"Nein, Liam, passt, ich nehme den Bus, trotzdem danke.", ich zwang mich zu lächeln.
"Du Dummerchen! Ab 19 Uhr fährt hier kein Bus mehr."
"Dann muss ich wohl annehmen?", meinte ich, und setzte mich auf den Beifahrersitz.
"Gehört dir das Auto? Du hast doch gar keinen Führerschein?"
"Es gehört Eric.", er grinste und zwinkerte mir zu.
Ich schloss die Tür, doch Liam führ nicht los.
Das Licht im Auto erlosch und wir saßen schweigend in der Dunkelheit.
Fragend schaute ich zu Liam.
Ich konnte seinen Umriss sehen.
Er schaute mich an.
Schnell sah ich wieder weg, aufs Meer in der Ferne.
Ich seufzte. Ich merkte wie ich begann zu zittern, denn langsam kroch die Kälte auch ins Auto.
Ich drehte mich zu Liam um. "Liam warum-", weiter kam ich nicht.
Er hatte seine Lippen stürmisch auf meine gepresst. Erschrocken riss ich meine Augen auf.
Eigentlich wollte ich ihn von mir wegdrücken, aber mein Körper gehorchte mir nicht.
Eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus und auch wenn ich es später bereuen würde, schlang ich meine Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss.
Ich hörte ihn verwundert ausatmen.
Ich rückte näher an ihn ohne mich von seinen Lippen zu lösen. Ich zog die Beine an und drückte mich weiter an ihn. Ich spürte sein Herz schnell schlagen.
Er schnallte sich ab und umfasste meine Taille.
Ich schlug die Augen auf und drückte ihm ruckartig von mir weg.
Er schaute mich verwirrt an. Ich setzte mich wieder richtig hin und schnallte mich an.
"Können wir fahren?"
Er schwieg.
"Jessie, es tut mir leid. Ich habe es überstürzt. Aber du sollst wissen, dass ich dich liebe und so lange warte bis du bereit bist, dich in mich zu verlieben.", sagte er, seine Stimme klang rauh.
"Es ist nicht so, dass ich dich nicht gern hab! Aber ich bin noch nicht so weit. Versteh das bitte, denn ich möchte nicht verletzt werden!", schrie ich plötzlich und ich spürte wie mir wieder die Tränen kamen.
"Kannst du jetzt bitte losfahren?"

Autorin: Moonshinedreamer

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