Meer

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Kapitel 17

Sam blickte den beiden durch das Küchenfenster hinterher. Seufzend wendete er sich ab und räumte weiter den Tisch ab. Er musste die ganze Zeit an Aurelia denken. Was sie wohl unter Wasser getrieben hatte, nachdem sie zur Meerjungfrau wurde. Jetzt, wo Jessie da war, vermisste er sie noch mehr. Die ganzen Jahre hatte er seinen Kummer versteckt, sich zurückgezogen. Doch jetzt kam alles wieder hoch: Die schönen Erinnerungen, zum Beispiel, als Aurelia ihm den positiven Schwangerschaftstest gezeigt hatte. Wie sie sich gefreut und in den Arm genommen hatten. Sam wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Er war so froh, dass ihm wenigstens Jessie geblieben war. Sie stärkte ihn und nur durch sie konnte er immer so gelassen wirken. Hoffentlich wurde sie glücklich an Land. Immer wieder plagte ihn die Angst, Jessica könnte zurück zu ihrer Mutter nach Atlantis wollen. Aber wenn sie es wirklich wollte, würde er sie gehen lassen. Wenn sie nicht glücklich wird, muss er eben klein bei geben. Doch im Moment schien sie sich ganz wohl bei ihm fühlen. Sam kannte Liam, er hatte ihm früher einmal Surfkurse gegeben. Und er wusste, dass Liam ein guter Umgang für Jessie war. Liam schien sogar ein wenig in Jessica verliebt zu sein. Sam hoffte insgeheim, dass auch Jessie etwas für Liam empfand, doch das sagte er ihr natürlich nicht. Vor lauter Nachdenken, hatte Sam total die Zeit vergessen. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und fing an sein Manuskript für einen Krimi auszuarbeiten.
*
Aurelia hatte beschlossen, dass Caro erstmal bei ihr einziehen sollte. Auch Caro war sofort damit einverstanden. Trotz der großen Unterschiede ihres Alters, verstanden sich die zwei prächtig. Aurelia bemutterte zwar Caro ein bisschen, aber diese ließ es über sich ergehen, weil sie die mütterlichen Gefühle Aurelias gut nachvollziehen konnte, jetzt wo Aurelias einzige Tochter weg war. Auch sie vermisste ihre, leider nur für kurze Zeit gewonnene, Freundin. Manchmal erwischte Caro Aurelia, wie sie auf ihrem Bett kauerte und weinte. Dann schwamm sie immer zu ihr und sie redeten bis in die tiefe Nacht hinein miteinander. Es tat wirklich gut, eine vertrauensvolle Ansprechperson zu haben, wenn es einem mal schlecht ging. Aber die beiden lachten auch viel zusammen. Caro erzählte immer die Witze und Aurelia kugelte sich vor Lachen. Sie unternahmen auch einiges zu zweit. Sie schwammen in Atlantis umher, kauften neue Sachen ein, schauten sich einfach die Gebäude und die schönen Korallen an. Einmal sammelten sie Muscheln und dabei wurde Caro von einem Krebs gezwickt. Aurelia lachte sich so kaputt und auch Caro musste schließlich mit einfallen, weil Aurelias Lachen so ansteckend war.
*
Liam und ich spazierten am Strand entlang. Es war schon Mittag, die Sonne brannte und es war viel los. „Hoppla!" Ich stolperte über ein Gummikrokodil. „Lass uns woanders hingehen! Ich kenne einen schönen Strand, an dem nichts los ist!", bestimmte Liam. Ich willigte ein und er zog mich hinter ihm her. Wir liefen eine Straße ganz runter, bogen dann links ab und folgten einem kleinen Feldweg ungefähr 400 Meter. Und hinter der letzten Düne konnte ich das Meer sehen. Wir rannten bis ans Meer heran. Ich zog meine Hotpants und mein Top sofort aus, weil ich meinen Bikini schon vorher darunter angezogen hatte und hüpfte in die Wellen. Auch Liam zog sein T-Shirt aus und sprang mir hinterher. Ich lachte ausgelassen und tauchte unter. Da ich dachte ich könnte atmen sog ich das Wasser voll in meine Lunge. Erschrocken tauchte ich auf und hustete. „Alles okay?", fragte Liam besorgt. „Ich hab nur Wasser geschluckt", krächzte ich. Das Salzwasser brannte höllisch in meinem Hals. Liam watete zu mir und musterte mich weiterhin mit besorgt, gerunzelter Stirn. „Wirklich, es ist alles okay! Ist doch nur Wasser", versuchte ich ihn zu beruhigen. „Na gut, du weißt was für dich richtig ist. Ich will nur nicht, dass es dir schlecht geht!", ergab er sich. Dann spritzte er mir Wasser entgegen. „Hey!", rief ich und spritzte zurück. Dann begann eine wilde Wasserschlacht und als wir nicht mehr konnten lachten wir einfach nur noch und trieben auf dem Rücken in Küstennähe herum.
„Vielleicht sollten wir uns langsam aufmachen, es wird schon dunkel", sagte Liam und zog sein T-Shirt wieder an. „Ja du hast Recht! Sonst macht sich mein Dad noch Sorgen", stimmte ich Liam zu und packte mein Zeug zusammen. Plötzlich nahm er mich an der Hand und so gingen wir wieder nach Hause. Als wir vor meiner Tür standen sagte ich: „Vielleicht können wir das morgen wiederholen, es hat heute echt Spaß gemacht!" „Ja, es wäre schön, dich morgen wiederzusehen!", meinte Liam. Ich schaute ihm tief in seine Augen. „Bis morgen!" Ich drehte mich um und schloss die Tür.

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