Neid

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Kapitel 32

Liam verfluchte Elena innerlich. Warum konnte sie nicht kapieren, dass er nichts mehr von ihr wollte. Er hatte vor drei Monaten mit ihr Schluss gemacht, nach einer halbjährigen Beziehung. Er wollte die Beziehung eigentlich gar nicht und hatte deswegen einen endgültigen Schlussstrich gesetzt, den Elena akzeptiert hatte. Nur jetzt, wo Jessie neu in die Klasse gekommen war und Elena wahrscheinlich Jessie mit ihm gesehen hatte, war sie eifersüchtig geworden und wollte Jessica einschüchtern. Nachdem Liam Jessie nach Hause gebracht hatte, wollte er schon fast zu Elena fahren und sie darauf ansprechen. Aber dann entschied er sich zu warten, denn wenn er es getan hätte, hätte er Jessica in Schwierigkeiten gebracht. Deshalb fuhr er auf dem schnellsten Weg nach Hause und klopfte an Erics Tür. „Hey Ic, kann ich reinkommen?", fragte Liam. „Ja, klar!", tönte gedämpft Erics Stimme durch die Zimmertür. Liam drückte die Klinke hinunter und betrat Erics Zimmer, das 'ein wenig' im Chaos versank. Ein großer Haufen gewaschener aber nicht zusammengelegter Wäsche tronte neben seinem Bett. Auf dem Boden lagen ein paar Stifte und ein Block, weil Eric gerne zeichnete. Auf seinem Schreibtisch waren ein Computer, eine Tastatur und ein dreckiger Teller. Das Zimmer war ziemlich groß, weshalb Eric ein breites Bett und eine lange Schrankwand besaß. Diese brauchte er auch, denn er hatte ein riesiges Sammelsurium an Klamotten. Vor allem Hosen und Pullover hatten es ihm angetan. In allen Farben und Formen mit den verrücktesten Aufdrucken. „Also, worüber möchtest du sprechen, Liam?", fragte nun Eric. „Ähm also...es geht mal wieder um - " „Jessie?", unterbrach ihn Eric. „Ja. Elena hat sie bedroht und ihr gesagt, dass sie sich von mir fernhalten soll." „Und du willst jetzt von mir wissen, was du machen sollst, richtig?" „Richtig", murmelte Liam. Eric kannte ihn einfach viel zu gut. „Ich würde dir raten, Elena Elena sein zu lassen. Sie will einfach nur Aufmerksamkeit, also ignoriere sie! Und was Jessie angeht: Sag ihr, dass sie nicht auf die blöde Bitch hören soll!" „Danke Eric! Aber ich weiß nicht ob ich es Jessie so sagen kann. Ich würde ihr ja indirekt damit sagen, dass sie sich nicht von mir fernhalten soll." „Aber das willst du doch!" „Ja schon, aber das ist wieder zu aufdringlich..." „Du bist ein hoffnungsloser Fall, Liam!", Eric schüttelte den Kopf und grinste. „Mann du bist mir echt eine Hilfe!", sagte Liam gespielt beleidigt. „Achtung, ich gebe dir noch einen kitschigen Tipp: Sei einfach du selbst!" „Ihh das trieft ja schon vor Kitsch", lachte Liam und klopfte Eric auf die Schulter. „Aber danke!" Liam stieg vorsichtig über die Zeichensachen hinweg und schloss dann leise die Tür hinter sich. Er hatte einen Beschluss gefasst: erst würde er zu Jessica fahren und ihr sagen, dass sie Elena ignorieren soll. Dann würde er abwarten, was Elena tun würde und wenn sie Jessie wieder bedrohen sollte, würde er ihr so richtig die Meinung geigen!
*
Ich war aufgewühlt. Warum wollte Elena, dass ich mich von Liam fernhalte? Ich war mir ziemlich sicher, dass Liam nicht mit ihr zusammen war. Warum behauptete sie dann aber, dass Liam ihr Freund ist? Ich verstand gar nichts mehr. Auf der einen Seite, war ich ganz froh mich von Liam fernzuhalten aber er schien davon eher weniger zu halten. Auf der anderen Seite hatte ich mich so geborgen gefühlt, als er mit mir zusammen nach Hause gefahren war. Und schon wieder herrschte in mir ein gewaltiges Gefühlschaos. Um mich abzulenken wollte ich eigentlich Hausaufgaben machen, aber dann klingelte es an der Tür. Ich dachte zuerst es wäre Isa, weswegen ich sogar recht fröhlich die Tür aufmachte. Dann sah ich aber, dass es Liam war, und mein Hochgefühl verschwand so plötzlich, wie es aufgetreten war. „Liam...ich.." „Darf ich kurz reinkommen?", fragte er leise. Ich nickte und ging einen Schritt beiseite, um ihn hereinzulassen. „Willst du dich setzen?" „Ja danke!" Wir hockten uns aufs Sofa und schwiegen. „Warum bist du da?", durchbrach ich die unangenehme Stille. „Ich wollte mit dir nochmal über die Sache mit Elena reden. Bitte lass dich von ihr nicht einschüchtern!", flehte Liam. „Darf ich dich etwas fragen?" „Ja, was immer es auch ist, du kannst es mich fragen!", versprach Liam. „Du bist doch Single, oder?", tastete ich mich vorsichtig heran. „Ja", sagte Liam und runzelte die Stirn. „Weil Elena hat gesagt, dass ihr zusammen wärt", gab ich zu. „Das stimmt nicht! Ich habe mich vor drei Monaten von ihr getrennt! Und eigentlich hat sie das nicht groß gestört, aber jetzt macht sie ein so großes Trara darum, dass du mit mir befreundet bist!", platzte Liam zornig heraus. „Warte was? Du warst mit dieser Bitch zusammen? Wolltest du zu den 'Coolen' hinzugehören oder was?" Ich war nicht wütend, ich war enttäuscht! Liam hatte es mal wieder geschafft! Ich hatte keinen Grund mehr mit ihm befreundet zu sein! „Geh jetzt bitte!", sagte ich entschieden. Liam merkte an meinem Ton, dass er einen Fehler gemacht hatte und verließ ohne Widerrede mein Haus.
*
Am nächsten Morgen, wollte Liam eigentlich mit Jessie reden, aber sie zeigte ihm die kalte Schulter. Als er sie antippte, drehte sie sich nicht um und als er sie auf dem Gang rief, lief sie nur noch schneller vor ihm davon. Er bereute es sehr, es ihr gesagt zu haben. Aber er sah auch ein, dass sie wütend war. Er selbst verachtete sich gerade zutiefst aber er fragte sich auch, warum er eigentlich mit Elena zusammen gekommen war. Nach der Mittagspause gab er es dann auf, Jessie um Verzeihung zu bitten und er wollte auch Elena ignorieren, aber als er sah, wie Elena Jessie triumphierend anlächelte, wurde er richtig sauer. Er ging mit schnellen Schritten auf sie zu, drückte sie gegen die Wand und schlug Elena mit voller Wucht ins Gesicht. Es knackte laut und ihr Blut rann ihm über die Faust. Ihr zuvor provozierendes Grinsen wandelte sich in einen zuerst erschrockenen und dann schmerzverzerrten Gesichtsausdruck. „Du Schwein!", kreischte sie. „Du hast mir die Nase gebrochen!" Die Schüler im Gang blieben stehen und verfolgten gespannt das Geschehen mit. Liam drehte sich um und brüllte: „Verpisst euch ihr scheiß Gaffer!" Eingeschüchtert gingen die Schüler weiter. Dann kam plötzlich der Direktor Mr Thomas angelaufen. „Was ist hier passiert?", wollte er wissen. „Liam hat mich grundlos geschlagen und jetzt ist meine Nase gebrochen!", winselte Elena gekünstelt und schaute den Direktor unschuldig aus großen Augen an. „Okay, Sie kommen ins Krankenzimmer, dort wird Ihnen erstmal geholfen!", sagte Mr Thomas und stützte sie, bis es Elenas Freundin übernahm. „Und Sie", er sah Liam an, „Sie kommen sofort in mein Büro!" Er packte ihn unsanft am Arm und schleifte ihn so durch das Schulhaus.

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