Kapitel 31
Ich packte meine Sachen, die nur aus einem Kugelschreiber und einem Block bestanden, in meine Tasche und fragte Isa, welches Fach wir denn jetzt hätten. Sie antwortete: „Ähm, ich habe jetzt Spanisch, aber du hast Biologie." „Bio hat doch auch Liam, oder?" Mit einem Nicken bestätigte Isabella. Ich schaute mich nun nach Liam um, aber der Klassenraum war bis auf Isa, ein paar weitere Mädchen und mich leer. „Findest du dein Zimmer, oder soll ich dich begleiten?", wollte Isa von mir wissen. „Ich denke ich finde es schon alleine, sonst kommst du noch zu spät zu deinem eigenen Kurs", lehnte ich ab. Wir verabredeten, uns nach dem Unterricht in der Kantine zu treffen und dann ging sie auch schon in meine entgegengesetzte Richtung. Ich seufzte und lief auch los, um pünktlich zu kommen. Zum Glück fand ich sogar recht schnell den Biosaal, wo mich Liam schon erwartete. Wir setzten uns nebeneinander aber irgendwie wussten wir nicht so recht, worüber wir reden sollten, also schwiegen wir. Mir war unbehaglich zumute und ich wartete sehnsüchtig auf den erlösenden Schulgong. Nach gefühlten drei Stunden klingelte es endlich und ich räumte meine Sachen zügig in meine Tasche. Liam wartete wieder auf mich und ich wollte nicht unhöflich sein, also fragte ich ihn ob er gemeinsam mit Isa und mir essen wolle. Er lehnte ab, begleitete mich aber noch bis zur Kantine. Dort ging ich sofort zu Isa, die mir schon von weitem zugewinkt hatte. Wir stellten uns in die lange Schlange vor der Essensausgabe und unterhielten uns. Doch plötzlich fragte mich Isabella: „Was ist eigentlich los mit dir? Du wirkst so abwesend." „Naja, also...", druckste ich herum. „Ich weiß es nicht! Irgendwie kann ich mich gar nicht mehr normal mit Liam unterhalten. Ich saß in Biologie neben ihm, aber wir haben uns die ganze Stunde nur angeschwiegen. Es herrscht eine so seltsame und unangenehme Stimmung zwischen uns.", erklärte ich. Isa nickte verständnisvoll und sagte: „Halte dich in der Schule einfach an mich! Ich werde aufpassen, dass Liam nicht so oft zu uns kommt. Ich meine, ich mag ihn, er ist ein netter Kerl, aber wenn du es nicht mit ihm aushälst, muss er nun mal zurückstecken." „Isa, ich weiß das zu schätzen, aber ich will nicht, dass er meinetwegen schon wieder leiden muss!" „Moment mal, Schätzchen, wer musste denn bitte leiden, huh? Wer wurde deswegen sogar krank? Also bitte! Sei mal nicht so lieb zu ihm! Hast du vergessen, wie weh er dir getan hat?" Mir stiegen die Tränen in die Augen und ich flüsterte: „Aber ich habe ihm auch weh getan!" Isa nahm mich in den Arm und wir wurden durch die nervige Stimme, der Köchin unterbrochen: „Schluss mit rumgeschnulze! Wollt ihr Fleischbällchen oder Nudeln?" Sie klatschte uns eine Portion aufs Tablett und wir gingen zu einem freien Tisch in der Ecke. „Also, wo waren wir? Ach ja, Jessie du tust mir so leid! Ich weiß zwar nicht was dir passiert ist, bevor du hierher kamst, aber ich kann mir vorstellen wie schlimm es war, wenn du so reagierst." „Ich würde es dir am liebsten erzählen, aber ich kann nicht! Du würdest mich für verrückt halten und mir nicht glauben, also behalte ich es für mich. Tut mir leid!" „Das muss dir doch nicht leid tun, Jessie! Aber ich versichere dir, dass ich dich nicht für verrückt halten würde!", meinte Isabella. „Glaub mir, du würdest! Ich würde es auch denken, wenn du mir meine Geschichte erzählen würdest. Es ist einfach zu unglaubwürdig und abgedroschen, dass man meinen könnte ich wäre psychisch gestört - was ich natürlich nicht bin." Jetzt musste ich sogar ein wenig lächeln und auch Isa grinste ein bisschen. „Aber können wir jetzt bitte über etwas anderes reden?", bat ich. „Natürlich!" „Was haben wir denn nach der Pause?" „Griechisch und danach Englisch. Na super! Dann habe ich montags drei Sprachen hintereinander!", sagte Isabella ironisch. „Tja...", meinte ich und zuckte mit den Schultern. „Hättest du wohl doch lieber Biologie genommen!" „Ha ha ha! Wie witzig du heute ja bist!" Isa lachte und ich schüttelte schmunzelnd den Kopf.
Nachdem wir unser mittlerweile kalt gewordenes Essen aufgegessen hatten, räumten wir die Tabletts auf und schlenderten hinaus auf den Pausenhof. Wir setzten uns auf eine der Bänke im Schatten eines Kirschbaums, die ich schon gesehen hatte, als ich mir mit Sam die Schule von außen angeschaut hatte. Es kam mir vor, als wäre es schon ein Jahr her, obwohl es nur ein paar Wochen waren. Überhaupt ist die Zeit an Land ziemlich schnell vorbeigegangen. Mir fiel auf, dass ich in letzter Zeit gar nicht mehr an meine Mutter gedacht hatte und es versetzte mir einen Stich. Ich fühlte mich schuldig, weil ich keinen Gedanken an Aurelia verschwendet hatte. Was sie wohl gerade tat, wie sie sich fühlte. War sie gerade mit Caro zusammen? Lachten sie? Vermisste sie mich überhaupt? Oder hatte sie in Caro eine Ersatztochter gefunden? Meine Kehle schnürte sich zu und mir lief eine Träne die Wange hinunter. „An was denkst du gerade?", fragte mich Isa sanft. „An meine Mutter", schluchzte ich. „Darf ich fragen wo sie gerade ist?" „Sie wohnt woanders." Isabella hörte auf nachzuhaken und nahm mich einfach in den Arm. Dann schaute sie auf die Uhr und erschrak. „Wir haben noch fünf Minuten und wir müssen in den zweiten Stock!" Ich sprang auf und wir liefen die Treppen hoch, wobei Isabella gleich zwei Stufen auf einmal nahm. Ich hechelte ihr hinterher und wir erreichten schnaufend und fast mit dem Gong das Klassenzimmer. Zum Glück war unser Griechischlehrer noch nicht da. Wir setzten uns auf unsere Plätze, während mich Elena mit ihren eisblauen Augen nahezu durchbohrte. Sie schien irgendwie wütend, aber ich wusste nicht wieso. Dann kam auch unser Lehrer und der Unterricht begann.
Griechisch war super langweilig und Englisch sowieso. Ich hatte mir Miss Linton anders vorgestellt. Nicht so altmodisch und pummelig. Und vor allem nicht so einschläfernd. Die Stunde zog sich aber dann durften wir endlich gehen. Ich verabschiedete mich von Isa mit einer Umarmung. Dann lief ich den Flur hinab, der schon leer war, weil alle Schüler sofort geflüchtet waren. Plötzlich schnellte eine Hand hinter einem Spind hervor, die mich mit ihrem eisernen Griff in ein dunkles Klassenzimmer zog. „Hey was willst du..E..Elena?", rief ich ungläubig. „Du weißt genau was ich von dir will!", zischte sie. „Äh um ehrlich zu sein nein, nein ich weiß es nicht." „Halte dich bloß von Liam fern! Er ist mein Freund!" „Echt? Ich dachte er wäre Single." Elenas Blick verschärfte sich und ihre langen Fingernägel bohrten sich tiefer in meinen Unterarm. Ich hatte wohl was Falsches gesagt... „Du miese Ziege, wenn ich sage, Liam ist mein Freund, dann ist er auch mein Freund, verstanden?", flüsterte sie bedrohlich. Ich antwortete nicht. „Verstanden?", keifte sie in mein Ohr. Ich zuckte zusammen und nickte. „Gnade dir Gott, wenn du meinen Liam nochmals mit deinen dreckigen Wurstfingern anfassen solltest!", drohte sie, schaute mir noch ein letztes Mal giftig in die Augen und lockerte endlich ihren Griff. Dann schubste sie mich wieder raus auf den Flur und stöckelte selbst davon. Ich sammelte mich wieder und ging schließlich zu meinem Fahrrad, um es aufzusperren. Als ich aus der Hocke aufstehen wollte, bemerkte ich einen Schatten hinter mir und drehte mich um. Es war Liam. „Hey!" „Oh hey!", sagte ich mit brüchiger Stimme. „Was ist los? Ich wollte dich eigentlich nach Hause begleiten und habe auf dich gewartet", meinte Liam. „Du solltest besser gehen!", flüsterte ich matt. Liam ergriff meinen Arm und fuhr vorsichtig mit dem Finger über die blau-violetten Streifen auf meinem Arm, die Elenas Fingernägel verursacht hatten. „Wer hat das getan?", fragte er erschrocken. „Kann ich dir nicht sagen." „Du kannst mir vertrauen, Jessie!" „Also gut! Elena", flüsterte ich. Liams Blick verfinsterte sich. „Was wollte sie von dir?" ,,Sie wollte, dass ich mich von dir fernhalte. Sie meinte du wärst ihr Freund", schilderte ich Liam. ,,Komm wir fahren jetzt besser!", sagte er grimmig und nahm mich bei der Hand.
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Tiefsee
FantasyJessica ist eine junge Nixe. Sie wohnt zusammen mit ihrer Mutter Aurelia in der wunderschönen Unterwasserstadt Atlantis. Als ihr Freund James ihr einen Heiratsantrag macht, wirft es ihr Leben erstmal aus der Bahn. Und plötzlich benimmt sich ihr Verl...