Kapitel 73

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Die Party verlief wie jede andere Party auch. Ich kam nicht dazu mit Isa zu reden.
Am nächsten Morgen wurde ich von Eric angerufen, er erzählte mir, dass Liam abgeführt wurde.
Man stellte ihm einen Pflichtverteidiger zur Seite. Meine Freunde und ich wurden als Zeugen vor Gericht geladen.
Man merkte deutlich die Anspannung, die in der Luft lag.
Der Prozess zog sich lange hin. Wir alle sagten ungefähr das selbe aus: Das Liam ein eigentlich sehr rechtschaffener Mann war, und dass wir uns wegen dem Schock an nichts erinnern könnten.
Während der kompletten Verhandlung hatte Liam seinen Kopf gesengt und sagte nichts.
Nach 4 Stunden wurde dann  endlich das Urteil verlesen: Liam wurde für schuldig erklärt, aber unzurechnungsfähig. Dazu ließ Sam es so dastehen, als wäre es Notwehr gewesen. Er musste für 10 Jahre ins Gefängnis. Weil die Leiche nicht gefunden wurde konnte uns nichts nachgewiesen werden.
Man konnte also das Ganze als Erfolg bezeichnen.
Nach dem Prozess traf ich auf Isa, mit Mark an ihrer Seite. Sie schien sehr gefasst zu sein. Als sie mich sah kam sie zu mir und gab mir einen Brief.
Er war von Liam, und er schrieb, dass er mir verzeihe, denn er wüsste dass ich es gewesen war die ihn angezeigt hatte.
Am Abend kam mein Vater in mein Zimmer. Er wusste die ganze Geschichte. Bis tief in die Nacht unterhielten wir uns.
Einige Wochen später war es so weit: Der Schulabschluss.
Auf den Abschlussball begleitete mich Eric, als guter Freund.
An diesem Abend schwelgten wir in Erinnerungen. Und Isa und ich vertrugen uns wieder.
Sie erzählte mir, dass sie jetzt mit Mark zusammen ziehen wollte.
Auch ich fasste diesen Entschluss. Eric bot mir an, in die WG zu ziehen. Ich nahm das Angebot am nächsten Morgen an.
An diesem Morgen gingen wir beide auch zu ersten mal ins Gefängnis. Und auch zum letzten Mal.
Die WG war für mich mein neues zu Hause geworden. Und so kam dann auch der Sommer wieder. Schon komisch, dass alle diese Erlebnisse sich in nur einem Jahr zugetragen hatten.
Wir waren alle Verändert. Jedes mal wenn wir uns zum Surfen trafen wurde es klarer.
Isa saß oft in einer Art Trance da und sah nachdenklich aus. Wenn sie mit Mark zusammen war erlebte ich sie um einiges fröhlicher. Aber mit mir saß sie oft Stunden lang da und wir hingen nur unseren Gedanken nach.
Eric war merkwürdig nervös geworden. Jedes mal wenn wir uns unterhielten begann er unruhig herum zu hibbeln.
Von Liam hatte seit diesem einen Morgen nichts mehr gehört.
Aber die Welt dreht sich weiter. Wir sind nur ein kleines etwas in diesem komplexen Kosmos.
Ich weiß, dass Isa dieser Fakt oft zu schaffen machte. Sie wollte nicht, dass man sie vergaß.
Oft in diesem Sommer trafen wir uns am Strand. Wir surften, redeten und hatten auch Spaß. Aber das Vergangene hing oft wie eine düstere Wolke über uns.
In diesem Sommer traf ich auch Robin wieder. Ich passte oft auf ihn mit Eric auf. Ich selber wollte auch einmal Kinder haben. Ich würde ihnen den ganzen Tag beim Spielen zusehen und mich an ihrem Lachen erfreuen.
Die Zeit verging und immer mehr verblasste meine Erinnerung an die Ereignisse und wir alle begannen wieder uns am Leben zu erfreuen.
Liam musste jetzt noch 7 Jahre im Gefängnis bleiben.
Es war wieder Sommer.
Eric und ich lagen im Garten auf der Wiese und konnten das Meer rauschen hören. Über uns war der Große Wagen zu sehen.
"Du Eric?"
"Hmm?"
"Dankst du noch oft an Liam?"
"Schon. Er war mein bester Freund. Aber ich kann da nicht hin gehen."
"Glaubst du James ist noch da?"
"Nein. Er liegt schließlich halb im Wasser und es ist Jahre her."
"Manchmal, nachts, da denke ich oft daran, das werde ich wahrscheinlich auch noch ewig so machen..."
"Ist ja in Ordnung. Aber jetzt lass über was lustigeres reden."
Ich drehte mich auf den Bauch, sodass ich ihm ins Gesicht sehen konnte. Er grinste mich an. Irgendwo in der Dunkelheit konnte ich seine Augen sehen.
Er hob seinen Arm und legte ihn mir auf dem Kopf.
"Musst du das immer machen?!"
"Ich lese deine Gedanken. Hmmmm? So ist das also... Interessant wie du über mich denkst..."
"Hey! Was redest du da bitte?!"
Er lachte und nahm die Hand von meinem Kopf und stand auf.
"Lass uns rein gehen."
Ich schloss die Tür zum Garten hinter mir ab, eine zur Angewohnheit gewordene Sicherheitsmaßnahme.
Seufzend ließ ich mich aufs Sofa fallen.
"Also,  Arielle, was wollen wir schauen?"
Ich verdrehte die Augen. Er nannte mich schon eine Ewigkeit so, weil ich das Meer so mochte. Zuerst hatte ich mich wahnsinnig erschreckt, weil ich dachte er hätte die Wahrheit herausbekommen.
"Ach und das war in der Post."
Er lehnte sich zum Kaffeetisch vor und griff eine Postkarte.
"Sie ist von Elena, zu deinem 21."
Schnell überflog ich den Text. Sie war in Hawaii mit ihrer neuen Freundin und sie schrieb es täte ihr Leid letzte Woche nicht zu meinem Geburtstag gekommen zu sein.
"Also, wie wärs mit the Shining?"
Ich musste lachen, dass war typischen.
Eric startete den Film und ich kuschelte mich in meine Decke ein.
Um Mitternacht saßen wir immer noch auf dem Sofa und sahen uns schon den zweiten Film an.
Mittlerweile saß ich schon beinahe auf Erics Schoß vor Angst.
Er sah geradeaus, das Licht des Fernsehers warf sich flackernd auf sein Gesicht.
Er drehte sein Gesicht zu mir. Wir sahen uns direkt in die Augen.
"Eric..."
"Weißt du was ich schon lange mal machen wollte?"
"Was?"
"Ein Mitternachtsschwimmgang!"
Er nahm mich bei der Hand und wir liefen runter zum Strand.
Kurze Zeit später ließ ich mich auf dem Wasser treiben, als Eric plötzlich mich Unterwasser zog. Als ich wieder an der Oberfläche war boxte ich ihm spielerisch gegen die Brust.
"Hmm? War da grad was? Ich hab nichts gespürt."
"Du Idiot!" Ich lachte.
Eric lächelte mich verschmitzt an. Er kam auf mich zu und zog mich an der Hüfte zu sich. Ich spürte seine Wärme und bekam Gänsehaut.
Er sah mir fest in die Augen, bevor er schließlich mein Gesicht in die Hände nahm und mich küsste.
Ich musste unweigerlich lächeln.
Er löste sich von mir, nur um mich wieder zu küssen. Ich schlang meine Arme um seinen Hals, bevor wir rücklings ins Wasser fielen.
Er lachte und zog mich mit sich zum Strand, wo wir uns in den Sand legten.
Ich lag auf seiner Brust und konnte seinen Herzschlag hören, während er mir kleine Kreise auf den Rücken malte.
Ich wollte das dieser Augenblick niemals aufhörte.
Isa POV:
Der Abend war schön warm und Mark und ich saßen draußen vor der Bar von meinem Bruder.
Wir hatten entschieden uns ein, zwei Drinks zu holen und dann nach Hause zu laufen.
Letztendlich hatten wir doch etwas mehr getrunken und stolperten leicht kichernd in Richtung Strand.
Dort angekommen legten wir uns auf den Rücken.
"Hihi. Schau mal die Sterne."
"Jaaaa!"
"Schön, nicht. Jeder Stern ist eine Person, die tot ist oder man einfach vermisst. Sie sind dort oben und passen auf dich auf."
„Du wirst schon wieder poetisch..."
Ich drehte mich so, dass ich ihn ansehen konnte.
„An was denkst du gerade?"
„An Katie."
Katie war Marks kleine Schwester. Vor einigen Jahren war sie an Leukämie gestorben. Mit nur 7 Jahren.
Ich hatte Bilder von ihr gesehen, und sie war ein sehr hübsches Mädchen gewesen.
Sie hatte hellbraunes, gewelltes Haar, einen Pony und riesige, Rehbraune Augen mit langen Wimpern, die Perfekt gebogen waren. Beim Lachen hatte sie Grübchen.
Auf einem Bild saß sie mit Mark auf einem Sofa. Er hatte die Beine ausgestreckt und sie saß dazwischen und hielt sich an seinen Füßen fest.
Sie grinste in die Kamera und man sah eine gewaltige Zahnlücke.
„Mein armer Schatz.", meinte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich auf seinen Brustkorb legte und seinem Herzschlag zuhörte.

Autorin: Moonshinedreamer

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