Flucht

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Kapitel 21

Das Surfen hatte mir wirklich Spaß gemacht und Sam meinte auch zu mir, ich sei ziemlich gut gewesen, dafür dass ich das erste Mal auf einem Surfbrett stand. Auf jeden Fall wollte ich am nächsten Tag wieder surfen gehen. Am Abend klingelte plötzlich das Telefon und ich ging ran: „Hallo?" „Hi, du bist Jessica Oannes, oder?", meldete sich eine freundliche Stimme. „Ja, das bin ich. Und wer bist du?", fragte ich sie. „Oh, sorry! Hab ich voll vergessen zu sagen. Ich bin Isabella! Aber nenn mich ruhig Isa! Das machen eigentlich alle. Ich bin die Klassensprecherin deiner zukünftigen Klasse. Unsere Klassenleiterin meinte, ich solle dich mal besuchen kommen, damit du wenigstens eine aus der neuen Klasse kennst." „Das ist echt lieb! Danke!", sagte ich gerührt. „Ja, Frau Iannou ist wirklich in Ordnung. Sie unterrichtet uns zwar in Griechisch, aber sie macht das echt nicht so öde wie es andere machen." „Okay..." ,antwortete ich, da wir in Atlantis früher schon eine Art Schule hatten, aber wir von Kritia, der Königin unterrichtet wurden und ich deshalb keine Vergleiche dazu hatte. „Aber jetzt wollte ich fragen, wann ich denn kommen kann", riss mich Isabella aus meinen Gedanken. „Äh, ja... Ich glaube nächste Woche passt ganz gut... Bei mir ist es eigentlich egal", antwortete ich. „Hhm, wie wäre es mit Mittwoch? So gegen Mittag?", schlug Isa vor. „Ja von mir aus geht das auch", gab ich ihr Bescheid. Danach verabschiedete sie sich und legte auf.
Ich atmete auf. "Sie klang wirklich sehr nett. Hoffentlich verstehen wir uns weiterhin so gut!" , dachte ich. Da ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte schaltete ich den Fernseher ein und ließ mich solange bedudeln, bis ich fast einschlief und schließlich oben ins Bett ging.
Am nächsten Morgen wurde ich von dem Geklapper des Geschirrs geweckt, weil Sam die Spülmaschine ausräumte und den Tisch deckte. Ich gähnte und schaute auf meinen Wecker: sechs Uhr morgens, na toll! Ich tapste barfuß und noch im Schlafanzug die Treppe hinunter, in die Küche. „Guten Morgen, Sam!" Er drehte sich zu mir um und lächelte. „Guten Morgen, Schätzchen! Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe!" „Ach, kein Problem!", log ich und lächelte schief. „Ich muss dir leider sagen, dass du heute alleine hier bleiben musst! Ich habe heute einen sehr wichtigen Geschäftstermin, weswegen ich mir nicht frei nehmen konnte. Macht es dir etwas aus, alleine zu sein?" Er schaute mich leicht zerknirscht an. „Ne, kein Problem! Ich komme schon zurecht! Ansonsten rufe ich halt Liam-", ich stoppte und schaute schnell auf den Boden, damit Sam nicht sah, dass mir schon wieder diese blöden Tränen in die Augen stiegen. Zurzeit war ich wirklich sehr nah am Wasser gebaut, was mich auch ziemlich nervte. Normalerweise war ich keine große Heulsuse aber seit der ganzen Sache mit James und jetzt auch noch mit Liam war ich total verändert. Noch dazu vermisste ich Aurelia, Caro und vor allem Atlantis. Sam schaute mich nur mitfühlend an, sagte aber nichts. Erst zehn Minuten später brach er die Stille: „Ich muss jetzt leider los und ich komme erst gegen 22 Uhr wieder. Bis dann, Jessie!" Er gab mir noch einen Kuss auf die Stirn und ging dann durch die Tür zu seinem Auto. Ich horchte, bis ich kein Motorengeräusch mehr wahrnehmen konnte und lief hinten aus der Terassentür hinaus, Richtung Bucht. Ich hatte nämlich einen Beschluss gefasst: Ich wollte noch einmal zurück nach Atlantis!
Ich zog mich komplett aus und watete ins Wasser, bis es mir zum Hals ging. Dann schwamm ich noch ein Stück weiter, bis ich das Wasser etwa drei Meter tief schätzte. Ich tauchte unter wollte gerade ein paar Luftblasen auf meine Narbe ausstoßen, als mich plötzlich eine Hand packte. Ich erschrak und tauchte panisch auf. Die Person die mich festhielt war kein geringerer als...Liam! „Hey! Was soll das?", fragte ich empört und riss mich von ihm los. In dem Moment wurde mir erst bewusst, dass ich nackt war und die Röte schoss mir ins Gesicht. „Bitte lass mich mit dir reden!", flehte er. „Nein! Lass mich in Ruhe!", fauchte ich. „Das wäre besser für dich und mich...", fügte ich leise murmelnd hinzu, damit er es nicht verstand. Enttäuscht und verletzt schaute er mich mit seinen olivgrünen Augen an. Ich wandte mich von ihm ab und schwamm wieder an Land. Ich stieg aus dem Wasser und plötzlich war es mir egal, dass er mich nackt sah. Ich wollte ihn sowieso nie wieder sehen. Schnell schnappte ich mir meine Sachen, streifte sie mir über und stolperte die Böschung hinauf. Einmal fiel ich sogar ganz hin und eine Scherbe von einer Bierflasche bohrte sich in meine Hand. Doch ich verdrängte den Schmerz und lief einfach weiter, ich ließ mich von meinen Füßen einfach irgendwo hinführen. Als ich das nächste Mal aufblickte, erkannte ich kein einziges Haus. Auch die Straßennamen waren mir nicht geläufig. Ich hatte mich tatsächlich verirrt. "Na toll!", dachte ich, "und jetzt?" Ich hatte nicht mal das alte Handy von Sam, das er mir für Notfälle gegeben hatte, mitgenommen. Da stand ich also in einer, mir total unbekannten Gegend und hatte keine Ahnung, wie es zurück ging. Mir fiel nichts anderes ein, als bei jemandem zu klingeln und nach dem Weg zu fragen, denn es war auch niemand auf den Straßen unterwegs. Es war ja auch erst acht Uhr morgens. Ich schaute mir die Häuser an: Bei den meisten waren die Vorhänge alle zugezogen oder die Rollläden noch heruntergelassen. Nur bei einem wurde schon gelüftet, zumindest waren die Fenster geöffnet. Ich riss mich zusammen und klingelte. Ein junger Mann, vielleicht Mitte 40, öffnete. „Äh, guten Tag! Ich wollte fragen, ob Sie mir den Weg zur Mercouristraße sagen können. Ich habe mich nämlich verlaufen, denn ich wohne noch nicht lange hier." „Natürlich! Ich kann Sie auch gerne begleiten, es ist nicht weit!" „Aber natürlich nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht!", schob der Mann schnell nach. „Nein, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich begleiten würden antwortete ich schnell. Er zog sich nur noch kurz seine Schuhe an und warf sich eine leichte Jacke über. Dann gingen wir los. Unterwegs erzählte er mir, dass er Lehrer an einer Grundschule und seine Frau auch Lehrerin sei, jedoch an der Trenchan High School. Sie sei gebürtig Engländerin und hieße Miss Linton. Er hatte ihren Namen angenommen, da er es witzig fand, einen englischen Namen zu haben und sie wollte ihren sowieso behalten. Ich erzählte ihm, dass ich noch ein Jahr auf die Trenchan High gehen und dort meinen Abschluss machen würde.
Herr Linton hatte recht gehabt, der Weg war wirklich nicht weit gewesen. Ich bedankte mich sehr herzlich bei ihm und ging dann schnell ins Haus. Um mich zu beschäftigen, nahm ich mir wieder ein Buch aus dem Regal und fing an zu lesen.

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