Kapitel 58

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Als wir bei Isabella ankamen stellte ich mein Auto ganz schnell in ihrer Garage ab und rannte zum Haus. Sie beeilte sich auch und sperrte direkt die Tür auf. Erst als ich im Flur stand und die Tür hinter Isa zuschlug konnte ich aufatmen. „Jessica, was war denn los?", fragte sie mich nun mit einem besorgten Gesichtsausdruck. „Ich weiß nicht so recht... Ich habe mich irgendwie verfolgt gefühlt", stammelte ich.
Es war jetzt fast ein Jahr her, dass ich in Atlantis vor meinem Verlobten, der mich geschlagen und betrogen hatte, geflohen war. Und als ich mich vor kurzem an ihn zurückerinnert hatte, ist mir aufgefallen, dass er genau wie ich eine Narbe an der Hand hat, die nur Hybriden haben.
Seitdem hatte ich andauernd Angst, dass er mich gefunden haben könnte. Aber ich konnte Isa nicht erzählen, dass ich halb Meerjungfrau bin. Andererseits hasste ich es alle anlügen zu müssen.
Isa zog eine Augenbraue hoch und ich hatte Angst, dass sie weiter nachfragte. Zum Glück beließ sie es dabei und sagte stattdessen: „Soll ich uns einen Tee machen?" Erleichtert stimmte ich zu.
Wir gingen in die Küche und ich lehnte mich an die Anrichte, während Isabella Wasser aufkochte.
Sie holte Tassen und Untersetzter aus dem Schrank und ich schaute dabei gedankenverloren aus dem Fenster, als ich schon wieder einen Schatten am Fenster vorbeihuschen sah. Ich zuckte zusammen und Isa schaute mich sofort fragend an. Ich versuchte ein Zittern zu unterdrücken und flüsterte: „Da war jemand!" Sie seufzte und zog den Vorhang zu.
Als das Wasser kochte, füllte sie die Tassen damit und reichte mir eine. Dankbar nahm ich sie an und wärmte meine Hände daran.
„Wollen wir ins Wohnzimmer?", fragte sie. „Können wir bitte in dein Zimmer gehen?" „Aber ich habe nicht aufgeräumt", widersprach Isa. „Ich fühle mich dort sicherer, weil es im ersten Stock ist", fügte ich noch hinzu. Sie stöhnte, aber ging ohne noch länger zu zögern die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Ich folgte ihr und ohne dass ich sie nerven musste, ließ sie von selbst den Rollladen herunter. „Danke!", hauchte ich. „Tut mir leid, dass ich das mit dem Typen, den du kennengelernt hast, versaut habe!" „Kein Problem, ich habe seine Nummer!" Sie grinste und auch ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Meine Freundin hatte es einfach drauf!
Wir saßen nicht mehr sehr lange da, denn ich war plötzlich sehr erschöpft.
Nachdem wir unseren Tee ausgetrunken hatten, holte Isa frisches Bettzeug und lieh mir eine Jogginghose und ein T-Shirt. Wir zogen uns um, putzten Zähne und legten uns in ihr breites Bett nebeneinander. Kurz darauf war ich auch schon in einen unruhigen Schlaf gefallen.
Ich sah vor meinem inneren Auge immer wieder eine dunkle Schattenfigur die an einem Fenster vorbeischlich und bei genauerem Hinsehen verschwand sie sofort. Ich wälzte mich im Bett hin und her und weckte damit auch Isa auf. „Was hast du denn?", fragte sie müde und sichtlich genervt. Wäre ich aber auch, denn Schlaf war nach Essen das Beste, was man tun konnte. „Tut mir leid!", murmelte ich. Schon wieder kamen die Tränen gefährlich nahe an meinen Wimpernkranz heran. Wenn ich jetzt blinzeln würde, würde mindestens eine meine Wange hinablaufen. Auch wenn es dunkel war, merkte Isa, dass ich mich vor ihr versteckte. Also setzte sie sich auf und machte ihre Nachttischlampe an. Ich hatte ihr immer noch den Rücken zugewendet und zog mir die Decke über den Kopf. „Ach komm! Was ist denn los mit dir? So bist du doch sonst nicht", seufzte Isa und strich mir leicht über den Rücken. Der Kloß in meinem Hals wurde immer dicker und ich hatte das Gefühl zu ersticken. „Ich weiß nicht...", krächzte ich.
Ich konnte ihr zwar sagen, dass ich mich fürchtete, aber vor was, das konnte ich ihr leider nicht sagen.
Ich konnte es niemandem sagen und das machte alles umso schlimmer. Ich sehnte mir wieder meine Mutter herbei, doch sie zu sehen war im Moment zu gefährlich.
Mit meinem Vater konnte ich zwar darüber reden, aber ich wollte ihm meine Sorgen nicht aufdrücken, da litt ich selbst lieber alleine.
Ich fühlte mich unwohl und ich konnte mir nicht verzeihen, dass ich wegen James, Isabella so bescheuert behandelte. Sie dachte wahrscheinlich, dass ich ihr nicht vertraute und ihr deshalb nichts sagte.
Während ich so nachdachte streichelte mir Isa immer noch beruhigend über den Rücken. Ich setzte mich auch auf und lächelte Isa zaghaft an. „Kann ich dich umarmen?", fragte ich leise. Sie starrte mich zuerst erschrocken an nickte aber dann und zog mich vorsichtig in eine Umarmung. Ich weiß nicht wieso, aber es tat so gut, dass ich sie am liebsten gar nicht mehr losgelassen hätte.
Leider löste sie sich und sagte nach einem Blick auf die Uhr: „Jessie, wir sollten jetzt wirklich schlafen, es ist spät!" Ein bisschen enttäuscht nickte ich, aber als sie das Licht wieder gelöscht hatte, merkte ich wieder wie müde ich war und fiel diesmal zum Glück in einen tiefen Schlaf.
*
Isa war schon ein bisschen sauer, dass Jessie schon gehen wollte, weil sie hatte gerade einen echt heißen Typ getroffen. Er war blond, gut gebaut und sehr charmant. Erst wollte er seinen Namen nicht verraten aber Isabella hatte ihn schließlich doch aus ihm herauskitzeln können. Er hieß William.
Ein schöner Name! Klingt ziemlich britisch.
Sie hatten sich ziemlich gut unterhalten aber plötzlich meinte er, er müsste gehen und gab Isa noch ganz schnell seine Nummer. Kurz darauf kam Jessie zu ihr und fragte ob sie schon gehen können. Eigentlich hatte Isa gar keine Lust schon zu gehen, die Party hatte gerade erst begonnen, doch sie merkte ihrer Freundin an, dass etwas überhaupt nicht stimmte. Also beschloss sie sofort zu gehen und William später zu schreiben.

Nach Jessies Heulattacke, hatte Isa Bedenken, dass sie es überhaupt heil nach Hause schaffen, aber sie kamen unversehrt bei ihrem Haus an.
Sie kochte Tee und wollte eigentlich kurz aufs Klo gehen, um mit William zu schreiben, als Jessie einen Schatten vor dem Fenster sah. Isa machte kurzerhand einfach den Vorhang zu und schlug vor ins Wohnzimmer zu gehen. Jessie jedoch traute sich nicht im Erdgeschoss zu bleiben, also gingen sie in Isas Zimmer, das im ersten Stock lag.
Dort saßen sie und tranken ihren Tee, aber sie sprachen nicht viel miteinander. Als sich Jessie entschuldigte, dass sie Isas "Date" versaut hatte, winkte Isa ab und meinte bloß, dass sie seine Nummer hätte. Dabei grinste sie um zu überspielen, dass sie gerade viel lieber mit William reden oder zumindest schreiben würde, als mit Jessica. Aber Jessie schien es nicht zu bemerken und grinste zurück.
Kurz darauf machten sie sich bettfertig und legten sich hin.
Jessie schlief sofort ein, auch wenn nicht sehr tief. Isabella hingegen konnte nicht schlafen. Zu viel schwirrte ihr im Kopf herum. William, Jessies komisches Benehmen, die Party... „Ob William gerade eine andere anmacht?", fragte sie sich. „Pah, ich tu ja schon so, als wäre ich mit ihm zusammen!", dachte sich Isa.
Auch wenn sie versuchen würde zu schlafen, es würde nicht funktionieren, weil Jessie sich dauernd hin und her wälzte.
Genervt setzte Isa sich auf und schaltete das Licht an. Sie wollte jetzt wissen, was mit ihrer Freundin plötzlich los war.
Schon wieder war Jessie kurz vor dem Weinen und Isa wollte einfach nur den Grund wissen. Jessie verschwieg etwas, das anscheinend keine kleine Sache war, denn sie war normalerweise nicht so nah am Wasser gebaut.
Unbeholfen streichelte Isa ein wenig über Jessicas Rücken um sie zu beruhigen. Wenigstens verseckte sie sich jetzt nicht mehr, sondern setzte sich auch auf.
Als Jessie dann plötzlich fragte, ob sie Isa umarmen durfte, war Isabella erst erstaunt und erschrocken, willigte dann aber ein, schließlich war eine Umarmung zwischen besten Freundinnen nichts Besonderes.
Jedoch wollte Jessie kaum mehr loslassen, deswegen löste Isa sich von ihr und sie legten sich wieder schlafen.
Diesmal fielen beide schnell in einen ruhigen, tiefen Schlaf.

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