"Zurück nach Atlantis"

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Kapitel 33

Nach dem Gespräch mit Liam, war ich so sauer, dass ich ihn am nächsten Tag komplett ignorierte. Er lief mir die ganze Zeit nach und wollte mit mir reden, aber ich ließ ihn nicht an mich heran. Auch auf Elena achtete ich nicht. Nur einmal in der Mittagspause bemerkte ich, wie sie mich angrinste. Ich rollte einfach nur mit den Augen und schaute weg. Als ich ein paar Minuten später wieder in ihre Richtung schaute, war sie verschwunden.
Nachdem ich aufgegessen hatte, räumte ich meinen Teller ab und lief danach den Schulflur hinab, als ich plötzlich einen größeren Tumult bemerkte. Eine große Schar Schüler blockierte den Weg. Ich versuchte mich durchzudrängen, um zu sehen, was los war, aber die Leute standen zu dicht beieinander. Also stellte ich mich auf einen Stuhl, den ich mir aus einem offenen Klassenzimmer geholt hatte und erblickte Liam, der mit wutentbranntem Gesicht und blitzenden Augen vor Elena stand. Diese hielt sich ihre blutende Nase und schaute Liam zugleich erschrocken als auch wütend an. Ich hatte zwar nicht alles mitbekommen, aber Liam hatte offensichtlich Elena geschlagen. Liam fauchte die Menge an sie solle verschwinden und die Schüler ließen sich das nicht zweimal sagen. Auch ich stieg von meinem Stuhl herunter, schob ihn beiseite und rannte dann los. Ich hatte genug gesehen. So schnell ich konnte, sperrte ich mein Fahrrad auf und raste davon. Ich fuhr so schnell, dass ich fast einen Unfall baute. Gerade noch rechtzeitig konnte der Autofahrer bremsen, ich aber raste weiter und hörte nur seine verärgerten Rufe hinter mir.
Zuhause angekommen, schmiss ich mein Fahrrad in die Wiese und lief direkt zum Strand. Dort setzte ich mich in den Sand und ließ die feinen Körner durch meine Finger rieseln, was mich beruhigte. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich musste einfach wissen, wie es meiner Mutter ging und noch dazu konnte ich Liam nicht mehr in die Augen sehen und Elena wünschte ich einfach nur zum Mond.
Also fasste ich den Beschluss, für eine gewisse Zeit nach Atlantis zurückzukehren. Ich erhob mich und eilte schnellen Schrittes nach Hause, wo ich Sam einen Brief hinlegen wollte. Ich schrieb:
Lieber Sam,
Bitte nimm es mir nicht übel, aber ich halte es hier einfach nicht mehr aus!
Ich brauche ein paar Tage für mich, weshalb ich dir nicht sagen kann, wo ich hingehen werde. Sag Isa bitte, dass ich krank bin und einige Tage nicht zur Schule kommen kann!
Es liegt nicht an dir, Sam! Und keine Sorge, ich werde zurückkommen, das verspreche ich!
In Liebe
Jessica

Ich las mir die Zeilen durch, zerknüllte den Zettel und wollte fast meinen Plan aufgeben, aber dann besann ich mich und legte das zerknitterte Papier wieder zurück auf Sams Schreibtisch.
Eigentlich war es offensichtlich, dass ich nach Atlantis ging, aber ich würde ja nicht lange wegbleiben. Trotzdem fühlte ich mich schlecht, weil sich Sam so viel Mühe gegeben hatte, mir das Leben an Land so angenehm wie möglich zu machen.
Ich seufzte riss mich aber dann vom Schreibtisch meines Vaters los.
Langsam ging ich zur Tür, öffnete sie und blieb auf der Schwelle stehen. Dort drehte ich mich nochmal um, hauchte einen Kuss, der Sam galt und schloss die Tür schließlich hinter mir. Ich hatte mit Absicht den Schlüssel drinnen liegen gelassen, damit ich nicht mehr kneifen, sondern meinen Beschluss durchziehen konnte. Ich lief zu der kleinen Bucht, zog meine Klamotten, bis auf meinen Bikini, den ich vorher noch angezogen hatte, aus. Meine Hose und das T-Shirt versteckte ich in einer Wurzelhöhle, damit ich Kleidung hatte, wenn ich zurückkehrte.
Ich watete in das Wasser, bis es mir bis zur Hüfte ging, dann ging ich mit meinem kompletten Körper unter Wasser und schwamm mit kräftigen Zügen weiter raus. Als ich nicht mehr stehen konnte und weit genug draußen war, holte ich tief Luft, tauchte unter und atmete dort fest aus. Meine geöffneten Augen brannten leicht vom Salzwasser, aber das störte mich nicht. Ich beobachtete, wie die erzeugte Luftblase, wie von einem Magneten angezogen, auf meine Hand zuschwebte. Als das Bläschen meine Haut berührte, krümmte ich mich vor Schmerz. Meine Beine zogen sich an und wuchsen zusammen. Meine Füße dehnten sich in die Länge und bildeten die große Schwanzflosse. Aus meiner Haut sprossen meine türkisgrünen Schuppen, meine Lunge zog sich zurück und meine Kiemen wuchsen wieder. Während dieses Vorgangs, zerriss mein Bikinihöschen und trieb sanft davon, mein Oberteil verwandelte sich in eines, das aus Algen gestickt und mit kleinen Muscheln verziert war.
Nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, musste ich mich erst einmal neu orientieren, denn ich war wegen der Verwandlung noch ein wenig benommen. Ich drehte mich um meine Achse und sah, dass die Bucht hinter mir lag. Ich schwamm ein Stück nach vorne und folgte einfach meinem Instinkt. Und tatsächlich erkannte ich ein paar Seegrasfelder und Korallenriffe wieder und schwamm weiter immer der Nase nach.
Nach ungefähr 20 Minuten erkannte ich in der Ferne Türme und Häuser von Atlantis. Ich beschleunigte und erreichte kurze Zeit später die schönste Stadt, die ich kannte. Sofort begab ich mich zu dem Haus, in dem ich aufgewachsen war und kam ohne zu klopfen hereingeplatzt. Aurelia räumte ein paar Arzneien in einen Schrank ein und zuckte zusammen als ich freudig rief: „Aurelia! Ich habe dich so vermisst, Mama!" Sie drehte sich langsam zu mir um, riss erstaunt die Augen auf und nahm mich sofort fest in den Arm. „Ich habe dich auch vermisst, Jessie! Und wie!" Wir lagen uns lange einfach nur im Arm und ich sog den vertrauten Geruch gierig ein. Dann aber löste Aurelia sich von mir und sagte besorgt: „Warum bist du zurückgekommen? James kam immer wieder her und hat gefragt, wo du bist. Wir haben es ihm natürlich nicht verraten aber irgendwann hat er sich einfach vor unserem Haus postiert und meinte, irgendwann würdest du sowieso zurückkehren." Grimmig hörte ich es mir an und antwortete dann: „Ich hatte Heimweh und ich...ähm..das ist eine lange Geschichte. Aber wegen James: Und wenn schon, dann bin ich eben da, er wird mich sowieso nicht kriegen!" Aurelia seufzte und murmelte: „Wenn du meinst... Ich mache mir eben immer Sorgen. Und du darfst James nicht unterschätzen! Du weißt, was er dir alles angetan hat." „Ja...", gab ich zu, „aber lass uns jetzt erst einmal in Ruhe reden und ihn kurz vergessen!" Aurelia nickte, wir setzten uns aufs Sofa und ich begann von Liam zu erzählen.

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