Kapitel 42

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Liam POV
Man, er hatte es eindeutig vermasselt.
Warum musste er sie auch darauf ansprechen?
Alles was er wolle schien in wenigen Sekunden zu Staub zerfallen zu sein.
Er seufzte und drehte sich zum gehen um.
Brachte ja eh nichts mehr hier zu beiben, sie würde schließlich nicht mehr zurück kommen...
Also, einfach gehen und nicht mehr drüber nachdenken.
Wahrscheinlich hatte sie eh nichts von ihm gewollt...
Mit hängendem Kopf trabte Liam den Gang entlang, zum Sekreteriat, um sich krank zu melden.
Er hörte, dass sich Schritte ziemlich hastig näherten, doch er machte sich nicht die Mühe, zu schauen wer es war und war nun schon hinter einer Ecke verschwunden, als er hörte, das jemand leise seinen Namen rief.
Er blieb stehen und lauschte...
Nichts.
Er hatte es sich also eingebildet.
Unbeirrt und stur ging er weiter und stieß sauer die Tür vom Sekritariat auf.
"Hallo, ich bin krank!"
"Sicher, Liam. Was hast du denn bitte diesmal?"
"Weiß nich, Husten, Schnupfen, Halsweh...?"
"Hast du auch noch die Krätze und das Kotzen?"
"Joa?"
Selina, die Sekreterin, war zufälligerweiße die beste Freundin von Liams Mutter. Deshalb konnte er praktisch kommen und gehen wann er wollte.
"Jetzt aber ehrlich, was hast du?"
"Erinnerst du dich an die Neue? Jessica? Ich habs total vermasselt und sie geküsst und dann hat alles seinen lauf genommen...", sagte er und lief rot an, aber Selina war für ihn wie eine große Schwester, der er sein Herz ausschütten konnte.
"Klingt nach einer sehr schweren Krankheit...Liebeskummer...Ich denke der hindert dich so zwei Wochen am In-die-Schule-gehen."
"Danke, du bist die Beste!"
Liam ließ sich schwungvoll auf sein Bett fallen, er wollte zwar zuerst in die WG gehen, hatte dann aber keine Lust alleine dort rumzuhängen und so besuchte er jetzt seine Familie.
Nala, der Familienmops, lag neben ihm auf dem Bett und hechelte. 
Endlich mal durchatmen und einfach den Gedanken nachhängen.
Besonders eine Frage waberte in seinem Kopf die ganze Zeit herum und began sich jetzt zu manifestzieren.
"Warum hatte sie sich so von ihm abgewendet, nachdem sie doch so interessiert war?", fragte er sich nervös.
Sie war so nett und hatte sich die ganze Zeit für ihn interessiert und ihm persönliche Fragen gestellt. Er war sich doch so sicher gewesen, dass sei ihn mindestens ein wenig mehr für ihn empfand als nur pure Freundschaft.
Aber wahrscheinlich, durfte er sich sehr glücklich schätzen überhaupt mit ihr befreundet zu sein.
Er schloss die Augen und begann sich alles mögliche vorzustellen um sich abzulenken: was er machen könnte in den zwei Wochen in denen er wegen einer schweren Grippe vom Unterricht befreit war: die Serie, die er angefangen hatte fertig schauen, lesen, surfen...
Aproposito surfen: er wollte sich ja noch ein neues Brett zulegen!
Das könnte er ja auch machen! Und natürlich würde er auch Eric mitnehmen, er war schließlich sein bester Freund und mit ihm zusammen würde die Welt sicher gleich viel sonniger aussehen.
Eric und Liam kannten sich schon seit dem Kindergarten, und zuerst konnten sie sich gar nicht leiden: Eric, der gut aussehende Finne, bekam alle Mädchen, während Liam als, damals noch etwas pummeliger Junge, nur belächelt wurde. Also hatte Liam Eric eine Kampfansage gemacht, doch Eric hatte ihn nur angelacht und gemeint, dass sie doch Freunde sein könnten.
Und seit dem Tag waren sie unzertrennlich.
Es klopfte und Liams Mutter kam herrein.
Sie schaute ihn erstaunt an und sagte: "Was machst du denn hier?"
"Ich bin krank, ich glaube ich hab heute in der Mittagspause etwas falsches gegessen und da du meine Mutter bist kannst du mich jetzt gesund pflegen."
"Netter Versuch! Aber Selina hat mich schon angerufen...deine Krankheit heisst also Jessica, was? Aber ich dachte sie mochte dich sehr?"
"Diese verdammte Tratschtante! Und ja Mom, sie mag mich sehr aber eben nicht zu sehr, also nicht auf Liebesebene...verstehst dus?"
"Okay...das war irgendwie zu wenig Information...kannst du es präzisieren?",fragte sie, während Liam immer röter anlief. Er war sich ganz sicher, dass das, was er ihr bereits verraten hatte schon zu viel war.
"Okay, Mom, das wars, raus hier! Das ist nichts was ich mit dir besprechen werde! Das ist total peinlich! Und sag Selina, sie soll doch nicht alles weiter erzählen!"
"Du erzählst Selina alles mögliche, aber deiner Mutter kaum was?"
"Wenn ich dir was erzähle, dann weiß sogar der Postbote bescheid!"
Liams Mutter grummelte noch etwas bevor sie schließlich etwas beleidigt die Türe zuknallte.
Meine Güte! Man sollte echt eine Schweigepflicht für Mütter erfinden!
Seine Mom hatte ihn schon einige Male mit ihrer verrückten Art bloßgestellt.
Einmal war er auf einen Baum geklettert und während sein Vater ihm Anweisungen gab wie er runterklettern sollte, war seine Mutter schon mit dem Fotoapperat den Baum hochgeklettert und hatte schön viele Bilder geknipst, die sie dann bei dem nächsten Treffen ihres Bücherclubs stolz präsentiert hatte.
Ein anderes Mal war sie auf die Idee gekommen, Frisöse zu spielen und hatte ihm beinahe ne Glatze geschoren. ("Hey, jetzt wissen wir wenigstens, dass dir ne Glatze nich steht und dass ich keine Haare schneiden kann") Natürlich hatte sie eine Millionen Bilder gemacht, von denen sie die schlimmsten unbedingt einrahmen musste. (Liam hatte ganze zwei Jahre dafür gekämpft, dass sie abgehängt werden.)
Liam stand auf und sah aus dem Fenster: es hatte passend zu seiner Stimmung angefangen zu Regnen und da es draußen langsam dämmerte, konnte er sich in der Scheibe spiegeln.
Die Regentropfen flossen an der kühlen Fensterscheibe in Zeitlupe herab und wirkten beinahe hypnotisiernd, sodass Liam jegliches Zeitgefühl verlohr und einfach nur noch seine Spiegelung beim stetigen platschen des Regens betrachtete.
Sein Atem begann an der Scheibe zu kondensieren und ließ ihn alles nur noch verschwommener sehen, sodass er sich langsam aus seiner Trance löste, genau im richtigen Moment, denn jemand klingelte sturm.
Wütend polterte er die Wendeltreppe hinab, Nala im Gänsemarsch hinter ihm her und riss die Tür auf. "Was willst du Eric?"
"Wusste ich doch, dass ich dich hier finde! Ich bin hier um dir aus deinem Tief zu helfen.", sagte er grinsend und drängte sich an Liam vorbei, wobei er den ganzen Flur volltropfte.
"Von wem weisst du es?"
"Von deiner Mom, ich hab mir Sorgen gemacht und sie gefragt wo du seist, sie hat mir alles erzählt. Jessica also, huh? Stimmt es, dass du ihr nen kräftigen Schmatzer gegeben hast?"
"Nein, Schmatzer verteilen nur alte Omas mit Gebissen. Dann haben die ihre Spucke nich so wirklich im Griff und wenn sie einem dann nen Kuss aufdrücken, sabbert halt alles nur so raus..."
"Das du für ein paar Monate im Altenheim gejobbt hast, ist deinem Hirn nich so ganz bekommen, was?", meinte Eric grinsend und tätschelte Liam auf den Kopf wie bei einem kleinen Kind.
Liam und Eric hatten gemeinsam im Altenheim gearbeitet. Eric war nach einer Woche schon wieder abgehauen. ("Das wars! Die Perverse aus Zimmer 201 hat zum 17 mal in einer Woche versucht mich anzumachen!") Liam wollte eigentlich auch gehen, doch er war pleite und um an Geld zu kommen schien es ihm der einfachste Weg weiterhin im Altenheim zu bleiben.
"Wenigstens, hab ichs durchgehalten, und hab nicht nach ner Woche die Kurve gekratzt wie du!"
"Aber wenn ich doch sage, dass mich die Alte mit ihren Celulite Händen begrabschen wollte!", sagte Eric und zu ersten Mal an diesem Tag lachte Liam.
"Jetzt lass uns gehen,wir können einen Edgar Allan Poe Marathon machen!", meinte Eric und lachte diabolisch.
"Na gut, aber nur, wenn du morgen mit mir ein neues Brett kaufst", stellte Liam als Bedingung.
"Sicher, aber jetzt komm!"

Oben: Nala

Autorin: Moonshinedreamer

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