Kapitel 21

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Jetzt saß ich in U-Haft. Und das nur, weil ich auf jemanden eingeschlagen hatte. In betrunkenem Zustand, kaum mehr zurechnungsfähig. Und ich lehnte nicht an meiner eigenen Zellenwand, sondern es waren noch fünf andere im Raum. Und diese starrten mich an, als wäre ich eine Süßigkeit, die man am liebsten vernaschen würde. Das Komische war, dass mich sogar die Frau in der Zelle so anschaute. Ich würde sagen hier in der Zelle waren nicht alle hetero. War aber auch nicht schlimm, denn in meinem Zustand konnte ich dankbar sein, dass ich überhaupt noch halbwegs scharf vor mir sehen konnte.

„Süße, was hast du denn angestellt?", fragte mich ein dicker Kerl mit spöttischem Grinsen, „Über rot gefahren?"

Die anderen Männer lachten los. Dann gehörten die dann wohl zusammen. Sahen sich auch ähnlich. Waren alle dick.

Dennoch saß ich hier nicht wegen einer roten Ampel, sondern da ich einen Kerl ins Koma geschlagen hatte. Oder tot. Wäre ich blutgeschmiert gewesen, wie ich es vor zwanzig Minuten noch gewesen war, dann hätte er gemerkt, dass ich nicht so harmlos war, wie er dachte.

Der Kerl, der mich eben angesprochen hatte, stand langsam und mühsam auf und kam auf mich zu.

„Möchtest du mir nicht antworten?"

Nö. Deshalb blieb ich still und beobachtete ihn nur, wie er sich zu mir hinunterkniete und mir mit seinem Gesicht immer näher kam.

„Das Mädchen ist total zugesoffen. Die bekommt nichts mehr mit. Wir könnten die Zeit hier drinnen doch gleich nutzen, was denkt ihr Jungs?", der Typ grinste mich breit an. Jetzt hatte ich seine gelben Zähne auch gesehen und konnte mir sicher sein, dass der Kerl sich jetzt verziehen sollte.

„Klar!", meinte einer der Gefragten und der Andere nickte eifrig.

„Na, dann. Ihr haltet sie und ich habe Spaß mit der Kleinen!" Der Kerl winkte seine Schoßhündchen zu sich und die beiden zogen mich hoch und hielten mich dann an jeweils einem Arm fest.

Die zerstörten meinen ganzen Plan, wenn die jetzt nicht gleich aufhören würden mich zu nerven! Aber ich war ja nicht mehr richtig zurechnungsfähig, weshalb ich noch nichts gegen ihr Vorhaben unternahm.

„Lasst sie doch jetzt in Ruhe! Es hat nur Nachteile, wenn ihr das macht! Es gibt Kameras hier drinnen und ihr landet sicher im Knast, wenn ihr es jetzt noch nicht tut. Das was ihr hier machen wollt ist gegen das Gesetz, falls das euch eure Mama nicht beigebracht hat. Also verpisst euch jetzt!"

Die hatte ich ganz vergessen. Die Frau, die noch mit in der Zelle war. Nette Frau. Hatte meinen Plan gerettet. Die erwähnte Frau schubste die drei Männer zur Seite und schleppte mich mit auf die andere Seite der Wand.

„Geht's dir gut?", fragte sie mich und schien sich wahrhaftig um mein Wohlergehen zu sorgen. Aus der Ferne war sie mir anders vorgekommen. Außerdem war sie viel jünger, als ich gedacht hatte. Sie war vielleicht zwanzig.

„Alles gut, ich hätte mich da auch selber rausholen können, aber sehr nett von dir, jetzt muss ich mir wenigstens keine Sorge mehr machen. Was hat dich hierher verschlagen?", antwortete ich ihr und
sie blickte mich mit zusammengekniffenen Augen an. Ich hätte vielleicht nicht so klar sprechen sollen.

„Die haben mich erwischt, als ich mich wo reingehackt habe. Sehr ärgerliche Sache, da ich die beste bin. Ehrlich, ich will damit nicht überheblich klingen, aber wenn ich will, dann komme ich überall hinein. Auch die besten machen Fehler. Was machst du hier? Antworte mir aber bitte nur, wenn du beim Mund öffnen nicht das Gefühl hast gleich reiern zu müssen. Das kann ich absolut nicht leiden." Ein schlagfertiger Hacker, und angeblich auch noch ein Guter. Das ich das nochmals erleben durfte, dass ich auf einen begabten Hacker traf, der nicht nur karierte Hemden und ein künstliches Hirn bestehend aus Zahlen, besaß.

„Bin auf dem Weg mir was zu besorgen!", antwortete ich kurz angebunden. Genauere Details gab es nicht.

Wieder schaute sie mich mit zusammengekniffenen Augen an.

„Kann es sein, dass du gar nicht so betrunken bist wie es scheint?" Misstrauisch beäugte sie mich.

„Erwischt." Was sollte man darauf auch antworten? Sie hatte vollkommen Recht. Ich war nicht betrunken. Kein bisschen. Ich hatte getrunken, aber nur solange bis mich Tucker angerufen hatte und gemeint hatte, dass er von vertraulichen Quellen erfahren hatte, dass Mean das Handy nicht hatte, sondern die Polizei. Und was konnte man da machen? Ich persönlich beschloss, eine Schlägerei anzufangen und mich sturzbetrunken darzustellen, damit ich für das erste in eine Zelle kam und somit meinem Ziel näher. Wie ich das jedoch erreichen wollte, wusste ich nicht. Mich trennten mehr als ein Gitter von Handy.

„Bist du in einer Gang?", fragte ich sie. Wenn schon raus war, dass ich nicht dicht war, dann konnte ich auch ein Gespräch anfangen. Unauffällig drehte ich meinen Körper so, dass die Kamera im Raum nur noch meinen Hinterkopf zum Aufnehmen hatte.

Auch wenn ich der jungen Frau anmerkte, dass sie mich gerne noch mehr meine Pläne hier in U-Haft waren, ging sie auf meine Frage ein.

„Nein, Gangs sind Kinderquatsch. Man ist immer an einen Boss gebunden und nicht mal die Freizeit gehört einem selber. Man muss immer in Einsatzbereitschaft sein. Und es sterben immer wieder Menschen und das nur aufgrund von Streitereien, die es nicht gäbe, würden keine Gangs existieren. Ich bin zwar in eine Gang hineingeboren worden, aber das war's dann auch. Vor ein paar Jahren bin ich dann untergetaucht."

Ziemlich unklug, dass sie mir ihre gesamte Lebensgeschichte erzählt hatte. Ich hätte sonst-wer sein können.

„Warum erzählst du mir das alles?", wollte ich deshalb von ihr wissen.

„Du bist harmlos. Du trägst Kleidung, als wärst du eine Nutte und willst hier im Revier etwas machen, wahrscheinlich stehlen. Aber ich will nur sagen, dass man Gegenstände kaum hier heraus bekommt. Das ist das Schöne am Hacken. Du bekommst viel mehr, als nur Gegenstände. Aber ganz ehrlich, ich bezweifle, dass du gegen mich vorgehen könntest. Noch dazu kannst du nicht aus der Gang sein, die hier indirekt das Sagen hat, denn dann müsstest du dich nicht so dämlich einschleusen. Und auch so würde keine Gang auf die Idee kommen dich so einzuschleusen. Da würde man dir einen neunzig-prozentigen Freifahrtsschein ins Gefängnis schenken. Das würde nicht die dümmste Gang machen. Das wäre zu blöd!"

Jetzt war es wohl offiziell bestätigt worden, dass ich bekloppt war. Und ich musste mich hier so einschleusen, da hier Mean das Sagen hatte und dieser würde mich viel zu leicht aufspüren können, wenn ich durch den Haupteingang hineinspazieren würde und das Handy verlangen würde.

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Leute, ich habe nichts gegen ‚dicke' Menschen einzuwenden. Die sind cool drauf. Also nicht übel nehmen, ich weiß bloß nicht, wie ein Besoffener denkt. Ich schätze mal ziemlich schwarz-weiß. Ich kann stolz von mir behaupten noch nie mehr als drei Schlucke Alkohol getrunken zu haben ohne einen extremen Würgereiz zu bekommen. Ich hasse, HASSE Bier, Wein, Sekt-das ganze Zeug, dass man ab 14 mehr oder weniger mit Erlaubnis der Eltern trinken darf. Und das starke Zeug, dass dann mal auch nach was anderem schmeckt, als vergammelten Beeren oder so , darf ich ja noch nicht mal trinken. Nicht dass ich da nicht irgendwie rankommen würde. Aber ich will da auch erst gar nicht rankommen. Also einen Schluck Burbon habe ich jetzt schonmal getrunken, sonst wüsste ich ja nicht, wie hochprozentiges Zeug schmeckt, aber ich meine damit, dass ich nicht wie einige in meinem Alter andauernd am Saufen bin, im Anfangsstadium zum Halbzeitsäufer.

(Hat das jemand überhaupt gelesen?)

Familiar GangbossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt