Kapitel 2

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Der Morgen des 27.9, der Tag, an dem meine Freundin Alena ihren 18. Geburtstag hatte, verlief fürchterlich durcheinander. Es war ein Freitag, weshalb ich dankenswerterweise erst zur zweiten Stunde kommen musste, aber dennoch stand ich früh auf, sprang in die Dusche und saß ewig und drei Tage am Frühstückstisch. Ich weiß nicht mal mehr, wieso ich so lange da saß, aber wahrscheinlich dachte ich über etwas nach. Und vermutlich war dieses Etwas der mir bevorstehende Besuch in der Disco. 

"Du bist aber früh hoch", begrüßte mich meine Mutter freudig wie immer und mit ihrem typischen <ich bin eine Veganerin, die den Morgen mit einem Waldlauf startet und deren Essen nur aus grünem Zeug besteht>- Blick. Wie ich ihn hasste, auch wenn ich sonst eine gute Beziehung zu meiner Mutter hatte. Aber meinen Vater und mich hatte sie nie wirklich mit ihrem mega übertrieben gesunden Lebensstil erreicht. Wir machten uns lieber viele unterschiedliche fleisch haltige Gerichte, wobei die auch zum Großteil gesund waren.

Genug von dem Ernährungskram. Ich schnappte mir, als ich mit dem Frühstück fertig war und alles wieder weggeräumt hatte, meine Tasche und schwang mich mit dem Kuchen im Korb auf mein Fahrrad. Ich radelte kaum 10 Minuten bis ich bereits an der Schule ankam.

<<Nicht vergessen!!!! Alle bis auf Sophie, Nelly und ich müssen sofort absagen>>

Charlottes Nachricht erhielt ich, während ich noch krampfhaft versuchte mein Schlüssel für mein Fahrradschloss zu finden. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf, schloss mein Fahrrad ab und machte mich dann auf den Weg zu Alena, die noch nichts von ihrem Glück wusste.

"Wieso habt ihr denn keine Zeit? Ihr wisst doch, dass ich heute Geburtstag hab", Alenas enttäuschte Stimme klang zu mir durch, während ich mir erneut die Definitionen in Chemie durchlas. Es tat mir richtig leid und ich musste mich sehr zusammenreißen, damit ich nicht sofort alles ausplaudern würde. Charlotte würde mich augenblicklich und ohne mit der Wimper zu zucken köpfen. Deshalb saß ich weiter einfach nur still da und versuchte noch den letzten Rest Motivation aus mir zu holen für die letzten beiden Stunden dieser Woche. 

Als ich nach Hause kam, schmiss ich alle meine Sachen einfach nur hin und setzte mich aufs Bett. Wieso hatte ich nur zugestimmt. Ich sollte mich viel eher auf meine Vorbereitungen fürs Abi einstellen und nicht die Nacht über in Clubs verbringen. Charlotte hatte es auch geschafft, jedem von uns, der noch nicht 18 war, einen Pass zu besorgen, der mindestens 18 war. Bei mir hatte sie gestern meine ältere Schwester Melinda bearbeitet. Wir sahen uns wirklich sehr ähnlich und mit ihren 19 Jahren, war sie eine perfekte Kandidatin gewesen. Bei Krissi hatte es ebenso gut geklappt und nur Serlina hatte mit großen Problemen zu kämpfen. Sie hatte keine ältere Schwester und kannte auch niemanden, der älter als sie war und ihr ähnlich sah. 

Wie auch immer Charlotte es geschafft hatte, sie hatte es geschafft und so waren wir alle perfekt ausgerüstet um 18:57 vor Alenas Haus. Als wir klingelten öffnete sie uns überrascht die Tür und ein Mix aus Freude und Enttäuschung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. 

Ohne große Erklärungen stürmten wir das Haus und breiteten uns im Wohnzimmer aus. 

"Wir gehen heute Feiern. Mit dir und zwar endlich mal anständig", erklärte Charlotte ihr die Situation. "Ehrlich? Und ihr habt da alle zugestimmt? Auch du, Nelly?", der Blick aller wanderte zu mir, doch bevor ich antworten konnte, ergriff Charlotte wieder das Wort, wohl um vorzubeugen, dass ich noch irgendetwas negatives zu dem Plan sagen konnte.

"Ja, selbst Nelly hat zugestimmt, also können wir doch bald los und endlich mal wieder richtig abzappeln". Den Begriff hatte sie von ihrem älteren Bruder Lorenz, der eine totale Spaßkanone war und es schaffte jeden mit guter Laune anzustecken. 

"Na dann, wenn niemand etwas dagegen hat, dann würde ich sagen, dass wir uns fertig machen und dann ab zu Bahnsen". Bahnsen war die "Dorfscheune", wie Charlotte sie liebevoll nannte. Es war eine kleine Disco, die nicht gerade mit Luxus oder Moderner Einrichtung oder irgendetwas anderem glänzen konnte, aber sie war die einzige bei uns in der kleinen Stadt und somit mehr oder weniger brauchbar genug.

"Wenn, dann wollen wir schon was Richtiges haben. Wir wollen nach Hamburg ins Starlight", beschrieb Sophie, was ihr Charlotte vorher eingetrichtert hatte. 

"Starlight? Das ist aber vielleicht ein bisschen zu teuer für uns", erwähnte Alena Naserümpfend.

"Mach dir darüber keine Gedanken. Das ist unser Geburtstagsgeschenk für dich", schaltete sich nun auch Krissi ein. Ich blieb eher bedeckt bei der ganzen Sache. So viel konnte ich unserem Plan schließlich noch nicht abgewinnen.

Dennoch ging es nun in die Partyvorbereitungen und da ich meiner Freundin eine gute Freundin sein wollte, begab ich mich voll ins Schminken und stylen und eine Stunde später waren wir alle fertig rausgeputzt. Wir machten uns mit dem Kleinbus von Charlottes Eltern auf den Weg nach Hamburg und kamen dort um 21:37 an. Bis wir einen Parkplatz gefunden und endlich im Club waren, schlug die Uhr schon 23 Uhr. Nun ging es ans Feiern. 

Vorerst tanzte ich mit den anderen wild auf der Tanzfläche und versuchte die Musik, so wie ich sie sonst auch liebte, zu genießen und mich einfach treiben zu lassen. Doch sobald es immer voller wurde, verzog ich mich für ein Getränk an die Bar. Ich versuchte einen Überblick über die riesige Tanzfläche zu erhalten, aber scheiterte schon alleine an meiner Größe. 

"Bist du das erste mal hier?", erklang plötzlich eine männliche Stimme neben mir.

"Ja und du?", gab ich die Frage zurück.

"Einige Male. Bist du ganz allein hier, oder hast du nur eine pause gemacht vom Tanzen mit deinen Freunden?"

"Ich brauchte nur kurz eine Pause. Ich bin das viele Tanzen nicht gewöhnt", antwortete ich ihm charmant lächelnd. 

"Hast du schon einen Drink? Sonst würde ich mich geehrt fühlen dir einen ausgeben zu dürfen"

Seine Ausdrucksweise ließ mich schmunzeln, aber dennoch wies ich ihn ab: "Ich hab schon, danke. Vielleicht sehen wir uns ja nochmal"

Ich verschwand zurück auf die Tanzfläche und suchte nach den anderen Mädels. Es liefen schon einige merkwürdige Menschen hier herum...

OVER AGAINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt