Kapitel 24

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In seiner Hand hielt er einen Muffin mit einer brennenden Kerze darauf und im Hintergrund konnte ich schon den gedeckten Tisch mit Blumen und Kerzen sehen. Lächelnd kam ich ihm ein Stück entgegen bis er direkt vor mir stand und sagte:

"Wünsch dir was Schönes"

Ich dachte kurz nach, sah ihn dann lächelnd an, pustete die Kerze mit geschlossenen Augen aus und sprach lautlos meinen Wunsch aus. Als ich die Augen kurze Zeit später wieder öffnete, sah ich Harry direkt in seine leuchtend grünen Augen. Sie waren so fesselnd, sodass ich mich völlig in ihnen verlor und es eine Weile brauchte um mich wieder von ihm zu lösen.

"Was möchtest du frühstücken? Ich habe eine kleine Auswahl an unterschiedlichen Frühstücksideen aus unterschiedlichen Ländern hergerichtet", erzählte er und wies stolz auf den mit herrlich duftenden Speisen gedeckten Tisch. Ich ließ meine Augen darüber schweifen und entdeckte sofort einiges, was ich nur zu gerne probieren würde. Wir nahmen Platz und genossen ganz in Ruhe das Frühstück. 

"Woher wusstest du eigentlich, dass ich heute Geburtstag habe?", erkundigte ich mich, bevor ich genüsslich die letzten Stücke Rührei aß.

"Ich hatte mich bei deinen Eltern erkundigt, als ich bei euch war. Ich wollte deinen Geburtstag auf keinen Fall verpassen"

Ich war gerührt von seinem Engagement. Bisher hatte sich noch nie ein Junge so sehr um mich gesorgt, dass er meine Eltern nach meinem Geburtstag fragen würde nur um ihn nicht zu vergessen. Die warmen Gefühle kamen wieder in mir hoch und ich musste mich zusammenreißen um sie möglichst schnell wieder zu verdrängen. Er war ein Freund. Ein sehr wichtiger Freund und ich würde unsere Freundschaft nicht gefährden nur weil ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte.

"Das ist sehr nett von dir", antwortete ich lächelnd und bemühte mich besonders authentisch und ehrlich zu wirken, aber es fühlte sich nicht besonders gut an.

Als wir beide mehr als genug gesättigt waren, begannen wir gemeinsam den Tisch abzuräumen und dann bat Harry mich darum erneut Platz zu nehmen und kurz auf ihn zu warten. Er verschwand in seinem Zimmer und kam kurze Zeit später wieder mit einem kleinen Päckchen heraus. Gespannt sah ich ihn an, als er es vorsichtig in den Händen hielt und näher kam.

"Natürlich hab ich auch ein kleines Geburtstagsgeschenk für dich. Ich hoffe es gefällt dir", meinte er, übergab mir das kleine Päckchen und wartete gespannt auf meine Reaktion.

"Vielen Dank, Harry. Aber du brauchst mir doch nichts zu schenken. Allein das ich hier sein kann mit dir ist schon ein großes Geschenk für mich", erklärte ich ihm und sah zu ihm rüber. Er hatte sich mir wieder gegenüber gesetzt und seine Augen lagen auf meinen. Er schmunzelte und schien geschmeichelt zu sein, aber dennoch entgegnete er mir: " Ich freu mich auch sehr, dass du hier bist, aber es ist immerhin dein 18. Geburtstag und dann ist es doch selbstverständlich, dass ich dir etwas schenke"

Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und begann dann die helle Schleife zu lösen, die um das Papier gewickelt war. Danach löste ich vorsichtig die Klebestreifen von dem Geschenkpapier und machte dieses von der Schachtel ab, die sich im inneren verbag. 

Es kam eine kleine, weiße Schachtel zum Vorschein, die einen Namen eingraviert hatte. Sofort wanderte mein Blick zu Harry, der versuchte seine Spannung etwas zu verbergen und stattdessen ganz entspannt antwortete:

"Willst du es nicht öffnen?"

Mit leicht zittrigen Händen öffnete ich die Schachtel und zum Vorschein kam eine kleine silberne Kette, die in einen Engelsanhänger hatte, der mit kleinen Steinchen versehen war. Vorsichtig nahm ich die Kette heraus und sah sie mir genau an. 

"Harry, das wäre echt nicht nötig gewesen", erklärte ich und warf ein Blick auf ihn.

"Dreh ihn mal um", antwortete er und sofort wendete ich den Anhänger. Auf der Rückseite stand klein eingraviert Ich bin immer für dich da, dein Harry. Ich schmunzelte und war den Tränen nah. Mit so einem schönen Geschenk hätte ich nie gerechnet. Ich schluckte und packte dann den Anhänger wieder zurück in das Päckchen.

"Gefällt er dir nicht?", fragte Harry und ich konnte klar seine Verwunderung und Sorge heraushören. 

"Doch, Harry. Es ist wunderschön. Ich kann es aber nicht annehmen. Das ist viel zu wertvoll", erklärte ich und ich hielt meine Tränen so gut es ging zurück. Es tat so weh so ein schönes Geschenk mit einer derartigen Aussage zu erhalten und zu wissen, dass meine starken Gefühle nicht erwidert wurden. Ich begann mich immer mehr unwohl in dieser Situation zu fühlen. 

"Nelly, ich hab es dir geschenkt, damit du nie vergisst, dass ich immer für dich da bin. Ich möchte, dass du weißt, dass du bei allem zu mir kommen kannst und ich dir immer versuchen werde zu helfen. Bitte nimm es an", er hatte sein Hände über die Schachtel gelegt, die ich geschlossen in meinen Händen hielt. 

"Das ist wirklich nett von dir, Harry, aber das ist nicht so einfach"

"Dann erklär es mir, bitte. Ich will dich besser verstehen können", erklärte er und bat mich mit auf die Couch zu kommen. Wir setzten uns beide gegenüber und ich wusste nicht so recht, was ich sagen könnte und sollte. Die ganze Gefühlsverwirrung war schließlich selbst für mich nicht wirklich klar zu verstehen. Wie sollte ich es dann Harry erklären können?

"Harry, also, es ist alles nicht so einfach. Es fühlt sich nicht richtig an es zu tragen"

"Und wieso nicht? Hab ich irgendwas falsch gemacht?". Er bemühte sich so fürchterlich stark alles gut zu machen und es tat mir so leid, dass ich ihm dafür nicht gerecht danken konnte, aber wenn ich die Kette tragen würde, würde ich nicht so leicht über meine Gefühle hinwegkommen. Zumindest  war das meine Befürchtung. Aber ich konnte ihm das ja schlecht so sagen, oder?

"Nein, Harry, nein. Du bist so perfekt und du bist so lieb und fürsorglich und alles, aber das Problem liegt bei mir", begann ich es möglichst vage zu umschreiben.

"Kann ich dir irgendwie helfen? Bitte, Nelly, ich möchte helfen", sein starker Blick ließ mich völlig weich werden und ich fühlte mich, als ob ich ihm einen Menschen gefunden hatte, der den Schlüssel zu mir besaß. Zu den tief vergrabenen Gefühlen und Gedanken, die nur er öffnen und hervorkramen konnte.

"Das kannst du nicht. Ich fühle mich bloß irgendwie nicht gut, wenn ich sie trage und dabei weiß, dass du Worte nicht so gemeint sind wie ich sie sehe"

"Wieso?", fragte er verwirrt und sah mich besorgt an. Ich atmete entgegen tief ein und antwortete dann den Tränen wieder viel näher als ich das sein wollte:

"Weil wir nicht das Gleich für einander empfinden"

Er stockte und schien fieberhaft zu überlegen was er mir entgegnen konnte. Seine Mimik zog sich zusammen als ob er gerade innerlich mit sich etwas ausdiskutierte. Dann schließlich wandte er sich an mich und meinte:

"Nelly, ich empfinde sehr viel für dich. Das tue ich wirklich. Und jedes Wort ist so gemeint wie es dort drauf steht. Ich werde immer für dich da sein"

Ich nickte und ließ meine Augen sinken. Das letzte bisschen Hoffnung, das sich wieder in mir aufgebaut hatte, wurde dadurch ausgelöscht. Ich war für ihn eine gute Freundin und das sollte mir doch wohl genauso wichtig sein wie seine Freundin zu sein. Alles war besser mit ihm und die Tatsache das wir es nur nicht so nannten wie es sich anfühlte, schaffte es doch nicht etwas von dem Prickeln zu nehmen, dass zwischen uns war. Ich musste daran festhalten, auch wenn es mich zerstören würde. Ohne das würde ich es nicht mehr aushalten.

"Ich habe noch etwas für dich geplant. Also wollen wir uns die Tage noch schön machen, bevor wir nach Los Angeles fliegen?"

Ich nickte und sah ihn begeistert an. Es konnte doch nur besser werden.

OVER AGAINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt