Kapitel 44

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Harrys Sicht:

Ich hielt Nelly ganz fest in meinen Armen, weil mich die Sorgen um sie noch immer quälten. Und auch wenn sie es nicht wollte, so hatte ich mir vorgenommen mit ihr direkt nach dem Konzert ins Krankenhaus zu fahren. Sie litt so sehr unter den Schmerzen, das zeigte jede einzelne ihrer Reaktionen, aber sie versuchte stark zu sein. Für mich, die Jungs und sicherlich auch ein Stück weit für sich, selbst wenn ihr das schaden würde. 

Plötzlich spürte ich wie sie sich immer mehr in meine Arme legte und nahm das als gutes Zeichen an. Jedoch nur, bis sie völlig in sich zusammenbrach und mir schlagartig das ganze Blut gefrieren ließ. Sie hatte das Bewusstsein verloren und sofort versuchte ich sie panisch wieder zurück zu holen. Ihr Puls war spürbar, was mir zumindest etwas den Schock nahm, aber sofort riefen Liam und Louis einen Krankenwagen. 

In der Zeit, in der wir auf ihn warteten brachten wir sie gemeinsam wieder in einen Aufenthaltsraum in Backstagebereich. Wir legten sie seicht auf das Sofa ab und dann sprintete Louis nach vorne um die Rettungssanitäter in Empfang zu nehmen. Mein Herz raste und ich versuchte krampfhaft mich etwas zu beruhigen um einen klaren Gedanken fassen zu können. Aber jeder Blick auf Nelly, wie sie da so bewusstlos vor mir lag, erinnerte mich jedes mal wieder daran, dass sie noch immer in Lebensgefahr schwebte und ich alles in meiner Macht stehende tun musste, um sie zu retten.

Ich saß neben ihrem Kopf auf dem Boden und hielt zitternd ihre Hand. Plötzlich spürte ich, wie mich jemand sanft an dem anderen Arm hochzog. Verwirrt sah ich mich um und erkannte, dass es Liam war und er offensichtlich auch mit mir sprach. Warum hatte ich das nicht mitbekommen?

"Harry, komm. Sieh doch, da hinten kommen schon die Sanitäter mit dem Notarzt"

Er hatte Recht. Ich sah die drei Louis folgend auf uns zu eilen. Die Gesichter waren angespannt, was gut zu der allgemeinen Stimmung in diesem Raum passte. Als sie den Raum betraten, begrüßten sie uns beide kurz und gingen dann zielstrebig auf Nelly zu. Noch immer hatte sie ihre Augen geschlossen und bewegte sich nicht. Lediglich ihre Brustkorb hebte und senkte sich leicht.

"Was genau ist passiert?", fragte der Notarzt, während er bei Nelly nach einem Puls suchte.

"Sie hat seit einiger Zeit geglüht und sie hatte extreme Kopfschmerzen. Wir haben sie gefragt, ob sie sich ausruhen will, aber das hat sie verneint. Dennoch wollten wir sie direkt nach dem Konzert ins Krankenhaus bringen, aber sie ist eben in meinen Armen zusammengebrochen. Danach haben wir sie hergebracht", erklärte ich alles woran ich mich mehr oder weniger erinnern konnte.

"Hast sie sonst noch irgendwelche Beschwerden geäußert?", erkundigte sich einer der Sanitäter, während der andere ihr einen Zugang legte.

"Nicht geäußert, aber sie schien Fieber gehabt zu haben, weil sie sich eine Decke genommen hatte, obwohl sie so geglüht hat", fügte ich hinzu und strich mir sorgend durchs Gesicht.

"Können Sie schon irgendetwas sagen?", fragte ich nun. Ich konnte nicht mehr warten. Ich musste endlich wissen was vor sich ging und wie ich Nelly am besten helfen konnte.

"Wir können es noch nicht genau sagen. Wir haben sie jetzt stabilisiert und nehmen sie mit ins Krankenhaus. Wenn sie wollen, können sie gerne nachfahren", erklärte er und ich musste dann zusehen, wie sie meine Nelly auf eine Liege legten, sie einwickelten und sie schließlich mitnahmen zum Krankenwagen. Ich folgte ihnen, Louis und Liam ebenso. Als die Türen des Wagens geschlossen wurden und der Motor gestartet wurde, brauchte ich einen Moment um das zu verarbeiten.

"Komm Harry, wir fahren mit dir ins Krankenhaus. So wie du gerade aussiehst, kannst du kein Auto steuern", erklärte Liam und legte einen Arm um mich.

"Danke", flüsterte ich ihm entgegen und ließ mich von ihnen zu meinem Auto führen. Ich setzte mich nach vorne auf den Beifahrersitz und Liam begab sich hinters Steuer. Stilles hoffen und bangen erfüllt das Fahrzeug und jeder von uns hing seinen eigenen Gedanken nach. Meine waren ausnahmslos bei Nelly. Wieso hatte ich mich nur von ihr überreden lassen, dass alles in Ordnung sei? Wieso hatte ich meinem eigenen Bauchgefühl die Bedeutung abgesprochen?

"Harry, es wird alles wieder gut werden", erklang Louis Stimme aus dem hinteren Teil des Autos. "Es hilft niemanden, wenn du dir jetzt Vorwürfe machst. Nelly braucht dich jetzt mehr als je zuvor, also musst du doch bestmöglich versuchen ihr beizustehen"

Er hatte Recht und ich wusste es, aber zu kämpfen ist nicht immer so einfach. Selbst dann, wenn wir für jemanden kämpfen. 

"Sie wird das überstehen. Sie ist stark", fügte Liam hinzu und fuhr bei diesen Worten auf den Parkplatz beim Krankenhaus. Sobald der Wagen stand, sprang ich hinaus und lief in die Eingangshalle. In diesem Momemt bekam ich nichts mehr mit. Ich musste einfach wissen wie es Nelly ging und was los sei.

"Hallo", begrüßte ich die Dame am Informationsschalter.

"Ich bin Harry. Ich suche meine Freundin Nelly, sie müsste mit dem Krankenwagen und dem Notarzt hier vor einigen Minuten angekommen sein. Könnten Sie mir sagen wo ich sie finden kann?"

"Bitte warten Sie einen Moment", antwortete die Dame und tippte wild auf ihrer Tastatur herum. Inzwischen waren auch Louis und Liam hinzugestoßen und warteten ebenso gespannt wie ich darauf, die Antwort von der Dame entgegen zu nehmen

"Ok, der zuständige Arzt wird sie gleich in Raum 4.2.6 treffen", erklärte sie. Wir bedankten uns und bewegten uns so schnell es ging zu diesem Raum. Da die Beschilderung recht eindeutig war, brauchten wir bloß einigen Minuten um dort anzukommen.

"Sie müssen der Freund von Nelly sein. Bitte, kommen Sie doch herein", begrüßte uns der Arzt an der Tür und sofort begab ich mich in das Zimmer. Louis und Liam warteten draußen auf mich.

"Wie geht es ihr?", fragte ich aufgebracht und versuchte mich bestmöglich zu beruhigen. Er würde ihr helfen. Sie würde bald wieder bei mir sein, dachte ich mir.

"Schwer zu sagen. Wir sind gerade dabei einige Tests zu machen. Sie müsste sich gerade im CT befinden", erzählte er.

"Und was ist mit ihr? Haben Sie schon eine Idee wieso sie zusammengebrochen ist und solche schlimmen Schmerzen hatte?"

"Ja, aber es ist zu früh um sicher eine Diagnose zu stellen. Ich muss auf die Ergebnisse der Tests warten um mir sicher zu sein und ich möchte nicht, dass Sie sich unnötig Sorgen machen müssen. Wer weiß, vielleicht ist es halb so schlimm und sie ist bloß dehydriert", erklärte er ganz ruhig.

"Aber was vermuten Sie? Bitte sagen Sie mir wie schlimm es ist?", flehte ich ihn an. Ich brauchte Antworten. Ich musste endlich wissen was mit ihr war.

"Im Moment? Meine Prognose ist noch nicht so positiv", gestand er und sah mich dabei forschend an. Er wusste wie sehr es mich wahnsinnig machte nicht zu wissen wie es ihr ging, aber die Wahrheit würde vielleicht noch tiefere Wunden hinterlassen als es nicht zu wissen.

"Was genau heißt das?"

"Es besteht die Möglichkeit, dass sie nie wieder aufwacht"

OVER AGAINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt