Kapitel 17

115 12 0
                                    

Ich hörte das Prasseln der Dusche als ich mich nun unsicher suchend in die Küche begab. Wie Tee zu machen war wusste ich und hatte ich bereits einige Male praktiziert, aber irgendwie machte mich diese Situation etwas nervös. Engländer waren wesentlich anspruchsvoller wenn es um Tee ging, zumindest dachte ich das. Und dieser Gedanke brachte mich ziemlich aus dem Konzept. 

Während ich mich also mit einigen verunsichernden Gedanken auf die Suche nach Teebeuteln machte, hörte ich plötzlich ein Klingeln. Vermutlich wurde Harry gerade angerufen, aber ich konnte sein Handy nirgendwo sehen und auch wenn, was hätte ich damit machen sollen. Wenn Harry fertig war, könnte er schließlich immer noch zurückrufen.

Ich stellte den Wasserkocher an, holte zwei Tassen heraus und machte mich dann auf den Weg die Teebeutel zu suchen. Das beklämmende Gefühl in Harrys Küche etwas zu suchen, verkomplizierte die Aufgabe jedoch. Und obwohl er mir erlaubt hatte danach zu suchen, fühlte ich mich trotzdem als würde ich etwas verbotenes tun und spürte wie meine Wangen an Farbe gewannen.

Als die Teebeutel endlich gefunden, ins Wasser getaucht waren und ich nun einige Minuten warten musste, sah ich mich noch etwas weiter in diesem Zimmer um. Es war längst nicht so luxuriös wie ich das von einer Person wie Harry erwartet hatte. Nein, genauer gesagt hatte ich eine derartige Wohnung nicht von einer Person erwartet, die in der selben gesellschaftlichen und finanziellen Lage war. Aber durch die simple, aber klar strukturierte Einrichtung gewann das Zimmer irgendwie an zusätzlicher Schönheit.

Nach fünf Minuten nahm ich die Beutel wieder raus und hörte wie die Schranktür zufiel. Harry war offensichtlich bereits fast mit dem Fertigmachen durch und somit hatten wir ein fast perfektes Timing geschafft. Als er schief grinsend in die Küche geschlurft kam, fragte ich sofort:

"Möchtest du Milch oder Zucker in den Tee haben?"

"Ein kleines bisschen Zucker"

Ich nickte, griff nach dem kleinen Zuckertopf, der im Schrank neben dem Herd stand und gab ihm ihn. Er fügte einen Schuss Zucker hinzu und während ich noch meinen Tee süßte, setzte er bereits zum Trinken an. Ich achtete möglichst genau auf jede kleinste Muskelbewegung in seinem Gesicht um daraus abzulesen, ob ich meine Aufgabe zumindest befriedigend bewältigt hätte. Doch statt eines befriedigten Lächelns zierte ein eher verwirrter oder glatt leicht angeekelter Ausdruck sein Gesicht.

Leicht verunsichert wagte ich auch einen Schluck und sofort wurde mir bewusst was es war. Der Zucker, zumindest das, was ich als Zucker identifiziert hatte, war kein Zucker gewesen, sondern Salz. Und diese ungewollte salzige Note passte natürlich nicht ganz zum Geschmackkonzept des Tees. Mir wurde ganz warm und ich spürte wie sich Farbe auf meinem Gesicht ausbreitete.

"Es tut mir so leid. Das war keine Absicht. Ich mach uns gleich einen Neuen", versuchte ich die Situation noch irgendwie zu retten.

"Alles Gut, Nelly. Ich hätte die Töpfe mit Zucker und Salz beschriften sollen. Wie wäre es, wenn ich Tee mache und du deiner Mutter schreibst. Sie hatte sicherlich so einige Bedenken geäußert und dann wäre es doch gut, wenn sie sich sicher sein kann, das du bei mir in guten Händen bist", meinte er und lächelte mich aufmunternd an.

"Ok. Dann überlasse ich dir diesmal die Arbeit und ich kümmer mich um meine Mutter und in 10 Minuten sehen wir mal, ob dein Ergebnis meins schlagen kann", stichelte ich etwas. Er hatte wirklich die Gabe mir sofort über negative Erfahrungen und Geschehnisse hinweg zu helfen und sofort wieder eine angenehme Stimmung herzustellen.

"Ich werde es versuchen, aber du hast bereits ziemlich vorgelegt. Ich muss mich ranhalten, damit ich überhaupt eine Chance habe", schoss er verschmitzt lächelnd zurück und wir beide machten uns auf den Weg um unsere Arbeiten zu vollziehen. Auch wenn ich nicht wusste wie meine Mutter heute gelaunt war, so hatte ich ihr doch versprochen mich jeden Tag zu melden.

<<Guten Morgen. Harry und ich sind gerade aufgestanden und Harry macht uns nun Tee. Den ersten Tee hab ich erfolgreich ungenießbar gemacht. Grüß Papa schön von mir. LG Nelly>>

Das würde hoffentlich reichen um sie zufrieden zu stellen. Ich verstand zwar ihre Angst um mich, aber ich würde morgen bereits 18 werden und dann war ich praktisch zumindest vom Gesetz her erlaubt dazu, jedes alkoholische Getränk oder Zigaretten zu kaufen und hin zu fahren wo und wie lange ich wollte. Was mich allerdings besonders freute war die Freiheit mit einem Auto fahren zu können. Ob das alles praktisch so klappen würde, war allerdings eine andere Frage.

"Tee ist fertig", rief Harry und sofort steckte ich mein Handy wieder zurück in meinen Koffer und lief in die Küche. Er stand an der Küchenzeile und zog gerade aus einem Becher den Teebeutel und packte ihn auf einen Teller, der extra dafür neben den Tassen stand und auf dem bereits der andere Teebeutel lag.

"Wie kommt es eigentlich, das du so eine kleine bescheidene Wohnung hast? Solltest du nicht ganz nach dem Klischee in einem überaus teuren Haus leben und Automaten mit Skittles und Mars haben?"

Er reichte mir eine Tasse und antwortete dabei: "Das war unsere erste Gemeinsame Wohnung von Louis und mir. Hierher sind wir gezogen, nachdem wir mit der X-Factor Tour durch waren und bevor der ganze Rummel los ging. Da habe ich noch nicht so viel Wert auf den ganzen Schnick- schnack gelegt. Aber ich möchte dich auch nicht enttäuschen. Natürlich hab ich eine unnormal übertrieben teure Stadtvilla, aber ich dachte, dass diese Wohnung besser geeignet wäre für diesen Besuch"

"Das stimmt. Ich glaube, ich würde mich ziemlich verloren in so einem riesigen Haus", beschrieb ich meine Gefühle und setzte die Tasse an. Es schmeckte gut, überraschend gut und natürlich wesentlich besser als der Tee, dem ich kurz zuvor eine neue Note gegeben hatte.

"Und? Schmeckt er dir?", fragte er und ich bildete mir glatt ein, das sogar ein Hauch von Unsicherheit in seiner Stimme mitschwang. Ich setzte die Tasse erneut an und ließ den verschiedenen Aromen freien Lauf. Mit jeder Sekunde, in der ich seine leichte Nervosität reizte, sah er immer gespannter aus. Schließlich wollte ich ihn erlösen und sofort zeichnete sich auf meinem Gesicht, das zuvor die völlige Ernsthaftigkeit und Konzentration auf die Aufgabe wiedergespiegelt hatte, ein Schmunzeln ab.

"Er ist sehr lecker. Ich glaube so einen guten Tee hab ich noch nie getrunken", gab ich schließlich zu und augenblicklich schüttelte Harry grinsend den Kopf und meinte: "Du hättest es doch gleich sagen können"

"Klar hätte ich das, aber dann hätte ich doch nicht diesen nervösen Gesichtsausdruck von dir genießen können. Den großen Harry Styles mal so verunsichert zu sehen, war eine wirkliche Offenbarung"

"Schon klar, aber der große Harry Styles ist eben auch nicht mehr und nicht weniger als ein Mensch mit Gefühlen", erklärte er ganz ruhig und ernst, aber dabei konnte er sein charmantes, kleines Grinsen nicht wirklich gut verstecken.

"Natürlich. Wie konnte ich das nur bei den ganzen Protzkarren und Villen und Sonnenbrillen und den überteuerten Anzügen vergessen", scherzte ich, aber ich vernahm bereits wie das Lächeln langsam aus seinem Gesicht wich und sich eine leichte Sorgenfalte zwischen seinen Augen bildete.

"Denkst du so wirklich über mich?"

"Nein, Harry. Das war ein Scherz. Ich weiß, dass du der netteste und liebenswürdigste Mensch der Welt bist. Ich wollte dich auf keinen Fall irgendwie verletzen. Ich vermag mir gar nicht vorzustellen mit wie vielen bösen Gerüchten du zu kämpfen hast, aber ich weiß, dass das nicht du bist. Du bist nicht der Womanizer, der seine Beliebtheit und Stellung nur für eines ausnutzen würde. Du hast mir mein Leben gerettet. Du bringst einen immer zum Lächeln, wenn man mal traurig ist und bei ernsten Gesprächen bist du immer der Verantwortungsvolle. Glaub mir, sonst hätte ich mich ja vielleicht nicht einmal in dich verlie..."

Zum Glück schaffte ich es mein Gehirn gerade noch rechtzeitig wieder in den Denkmodus zu kriegen, damit ich nicht meine komplette Gefühlslage vor ihm offenlegte. Ich hatte mich so in Rage geredet, dass ich gar nicht mehr wirklich darauf geachtet hatte, was ich wirklich gesagt hatte. Ich hatte einfach die Gedanken der letzten Wochen ausgesprochen. Zum ersten Mal und vielleicht auch zum letzten Mal. Was würde er bloß dazu sagen?


OVER AGAINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt