Kapitel 5

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"Dies und das. Viel wichtiger ist doch, wie traumhaft seine Augen geleuchtet haben. Wenn du wüsstest was du wirklich verpasst hast"

Ich zog eine Augenbraue leicht genervt hoch und sah sie auffordernd an. Sie grinste mich nur breit an und schien noch zu überlegen, ob sie noch weiter von ihrem Zusammentreffen mit Harry Styles, seinem Outfit, den Augen oder der Stimme sprechen sollte, oder ob sie mich nun endlich erlösen wollte.

"Na schön. Aber das andere interessiert dich sicher mehr"

"Sicherlich nicht. Also bitte. Was hat er euch erzählt was passiert ist?"

"Er hat dich das erste Mal getroffen, als du in den etwas abgelegeneren Teil des Clubs kamst um uns zu suchen. Er hat dich gefragt, ob alles in Ordnung wäre, aber du meintest nur, dass alles ok sei. Und dann bist du wieder verschwunden. Etwas später am Abend sind die beiden nach draußen gegangen um sich auf den Weg in ihr Hotel zu machen und sie hatten sich dafür ein Taxi gerufen, auf das sie warten mussten, weil der Fahrer sich etwas verspätete"

Sie machte eine kurze Pause und sah mich an, während ich noch ein stück näher an sie rutschte um auch den folgenden Teil richtig mitzubekommen. 

"Wie dem auch sei, der Typ kam mit dir im Schlepptau aus der Tür und du bist kurz danach, gerade als die Tür ins Schloss gefallen war, auf deine Knie gefallen und hast versucht dich mit deinen Armen abzustützen, obwohl du kaum noch Kraft zu haben schienst. Das ist den beiden aufgefallen und kam ihnen komisch vor, deshalb hat Mitch ihn angesprochen:"


"Alles in Ordnung bei ihr? Können wir helfen?", erkundigte sich Mitch in seiner Muttersprache Englisch und trat Jan gegenüber.

"Ja, sie ist nur etwas sehr betrunken. Das krieg ich schon allein hin, aber danke", antwortete Jan in der selben Sprache um die Barriere der Sprache zu umgehen.

Harry kam einen Schritt näher und ging auf die Knie um sich Nelly genau anzusehen.

"Hey was soll das? Ihr geht es gut", schrie Jan Harry an und wollte schon auf ihn losgehen, allerdings schaffte es Mitch ihn noch rechtzeitig festzuhalten und versuchte ihn zu beruhigen:

"Wenn es ihr so schlecht geht, wäre es nicht besser, wenn sie sie ins Krankenhaus bringen würden? Nur zur Sicherheit"

"Ich weiß schon selbst was ich tun muss, danke", kam seine patzige Antwort mit einem extrem übertriebenen, deutschen Akzent.

Nelly versuchte etwas den Kopf zu heben und formte mit ihren Lippen ein Wort: Hilfe. Harry verstand, sah wie sie ihre Augen kaum noch offen halten konnte und sie trotzdem dagegen ankämpfte. Obwohl sein Deutsch eher mangelhaft war, so kam ihm die ganze Situation so eigenartig vor, dass er sich wieder erhob und sich Jan zu wandte:

"Ich rufe einen Krankenwagen. Dem Mädchen muss geholfen werden. Das kann doch nicht nur übertriebener Alkoholkonsum sein", seine Stimme klang klar und stark. Doch sobald er fertig war, sahen sie, wie Nelly kraftlos zusammen sank. Sofort beugte er sich wieder runter zu ihr und fühlte nach Puls und Atmung.

"Ihr Puls ist schwach", erklärte er aufgewühlt und sah hoch zu den beiden.

"Wozu die ganze Aufregung und der ganze Stress. Meine kleine Schwester hat wirklich nur wieder ihre Grenzen nicht bedacht. Ich rufe meine Mutter an und frage, ob sie uns abholen kann. Danke dennoch für ihre Hilfe, Gentleman", er beugte sich runter und wollte Nelly gerade anheben, als Harry sein Handy rausgeholte und den Notruf wählte, wobei seine Hand noch immer auf ihrem Handgelenk verweilte.

"Es ist besser, wenn ein Arzt sie ansieht", redete Mitch erneut auf ihn ein, während Harry die Situation der Dame am anderen Ende der Leitung versuchte zu erklären.

"Wenn sie meinen", meinte er, stand auf und rannte dann überhetzt davon.

"Hey, warten sie", rief Mitch ihm hinterher, als ihm auffiel, das der Mann bei seiner überhetzten Flucht etwas verloren hatte. Er hob es auf und begutachtete es sorgsam.

"Der Krankenwagen ist auf dem Weg", informierte Harry Mitch und sah mich genau an wobei er murmelte: "Was ist dir nur heute Abend passiert?"


"Das war alles? Was hat er verloren? Also der Mann?", erkundigte ich mich.

"Eine kleine Ampulle mit GHB", erklärte Alena.

"GHB?"

"Das sind K.O.-Tropfen. Als der Krankenwagen und der Notarzt kamen, hat er ihnen, nachdem sie dich versorgt haben, die Ampulle gegeben und gefragt, ob das etwas damit zu tun haben könnte"

"Ok. Und dann bin ich ins Krankenhaus gekommen und sie sind trotzdem hinterher gekommen und nicht ins Hotel gefahren?"

"Nein. Sie sind mit dem Taxi hierher gekommen und haben draußen auf dich oder irgendjemanden, den du kennst, gewartet. Aber das Beste habe ich dir ja noch gar nicht erzählt. Wir haben die Nummer vom Hotel bekommen und sollen anrufen, wenn es dir besser geht"

"Was? Wirklich?"

Ich kannte Harry Styles nicht wirklich. Seine Musik hatte ich schon im Radio gehört und in den Nachrichten seinen Namen aufgeschnappt, aber ich hatte nie wirklich einen persönlichen Bezug zu ihm und seiner Arbeit gehabt. Aber allein, das jemand wie er mich ohne zu zögern gerettet hatte und nun sogar Interesse an meinem Gesundheitszustand hatte, berührte mich irgendwie.

"Ja. Und wir sollten auch nochmal unbedingt mit der Polizei reden und Anzeige erstatten"

"Na toll. Anzeige gegen unbekannt. Das macht sicher einen tollen Eindruck", gab ich von mir und legte mich wieder zurück ins Bett.

"Nelly, jetzt sei mal nicht so. Du musst das melden, damit er nicht weiter sowas machen kann", versuchte sie mir ins Gewissen zu reden.

"Ach hör doch auf, Alena"

Ich fühlte mich schlecht. Schlechter denn je. Nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch war ich völlig fertig. Wie dumm ich gewesen war, jemanden zu vertrauen, den ich nicht mal kannte. Ständig und überall wurde vor so etwas gewarnt und dennoch war ich darauf eingestiegen.

"Ich denke, dass ich deine Mutter wieder reinholen kann", meinte sie und ich nickte nur, während ich an die gegenüberliegende Wand starrte. Sie stand auf, ging um mein Bett herum und zur Tür. Diese öffnete sie, steckte ihren Kopf raus und sagte:

"Susann, du kannst gerne wieder reinkommen"

Was meine Mutter antwortete verstand ich zwar nicht, aber einen kurzen Moment später, hörte ich, wie sich die Tür schloss und jemand auf mein Bett zu ging. Innerlich machte ich mich schon bereit, den Vortrag von eben noch einmal von meiner Mutter ertragen zu müssen, jedoch sprach mich eine ganz andere Stimme an.

"Nelly?"

Sofort wand ich meinen Kopf herum und sah ihn. Es schien etwas unwirklich, das er wirklich vor mir stand und mich unsicher anlächelte. Nichts war mehr von seinem großen Ego oder dem riesen Erfolg zu sehen. Er sah einfach aus wie ein normaler Mitte 20- jähriger, der eine einzigartige Ausstrahlung hatte.

"Ja?", antwortete ich ihm auf englisch und wartete gespannt auf seine Antwort.

"Hey. Ich bin Harry. Wie geht es dir?"

Er kam noch einige Schritte auf mich zu, bevor er sich auf den Stuhl setzte und mich gespannt ansah.

"Viel besser. Danke. Und vielen Dank für ihre Hilfe", ein Lächeln huschte über meine Lippen und ich erkannte, dass auch er anfing zu lächeln, als er antwortete:

"Natürlich. Immer wieder gerne"






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