Kapitel 12

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Ein leise Melodie weckte mich an diesem Morgen und ich wusste sofort, was es war. Schlagartig öffnete ich meine Augen und suchte in der Dunkelheit meines Zimmers auf meinem Nachtisch nach meinem Handy. Eine neue Nachricht hatte ich erhalten, was meinen Puls sofort hochtrieb.

"Harry", murmelte ich freudig vor mich hin und konnte ein breites Lächeln nicht zurück halten. Harry und ich hatten das letzte mal kurz nach seinem letzten Konzert in Los Angeles geschrieben. Er hatte erzählt, dass er nun erstmal zu seiner Familie wollte und dann sich wieder ans Schreiben machen wollte, aber wir uns unbedingt noch treffen müssten. Aber wo und wann konnte er noch nicht genau sagen.

<<Guten Morgen. Hättest du Lust für einige Tage zu mir nach London zu kommen?>>

Nun gab es kein halten mehr und ich stand schlagartig auf und rannte mit meinem Handy fest in der Hand nach unten, wo ich meine Eltern erwartete. Und so war es auch. Meine Mutter saß in der Küche und schien furchtbar vertieft in einen Artikel in der Zeitung zu sein. Sie sah erst dann auf, als ich freudestrahlend vor ihr stand und ich aufgewühlt fragte:

"Darf ich für einige Tage nach London zu Harry fahren? Er hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte"

Augenblicklich bildete sich auf ihrer Stirn eine Sorgenfalte und sie erkundigte sich: "Und wo wirst du bleiben und wie bezahlst du den Flug?"

"Ich hab noch einiges an Geld übrig, das ich für den Führerschein eingeplant hatte und das andere muss ich noch mit Harry klären,aber bestimmt darf ich bei ihm schlafen", erklärte ich in einem abgeklärten Tonfall, den ich selbst von mir nicht erwartet hatte.

"Ich weiß nicht. Du bist erst 17 und dann allein in einer so großen Stadt. Außerdem wolltest du das Geld doch fürs Studium später sparen"

"Bitte lass mich fahren. Ich werde doch schon bald 18. Und Harry hat bereits bewiesen, dass er auf mich aufpassen kann. Bitte", ich wollte nicht kindlich klingen, aber irgendwie fühlte ich mich etwas wie eines der kleinen Kinder, die ich immer beim Einkaufen sah, die ihre Eltern um Süßigkeiten anbettelten.

"Ich kann das sowieso nicht alleine entscheiden. Da hat dein Vater auch noch ein Wörtchen mit zu reden. Du kannst ja erstmal die ganzen Dinge klären, bevor dein Vater wieder Zuhause ist"

Missmutig drehte ich mich wieder um, lief nach oben in mein Zimmer und legte mich aufs Bett. Selbst wenn alles geklärt war, würden sie mich sicher noch fahren lassen. Nachdem beinahe mit meinen Freundinnen in Hamburg was passiert wäre, waren sie unfassbar behütend geworden. Aber ich musste es zumindest versuchen.

<<Könnte ich bei dir in der Zeit wohnen?>>

Ich suchte etwas nach den richtigen Worten, aber egal welche Formulierung ich auch wählte, irgendwie gefiel mir keine so wirklich. Vielleicht war es mir auch einfach nur unangenehm. Wir waren zwar Freunde, aber so lange kannten wir uns ja noch nicht. Auch wenn es sich bereits wie eine Ewigkeit anfühlte.

<<Klar. Ich möchte dir doch alle meine Lieblingsorte in London zeigen>>

Mein Herz klopfte wie verrückt. Ich hatte ihn so lange schon nicht mehr gesehen, sodass mein Herz nach ihm schrie und ich es nicht mehr abwarten konnte ihn endlich wieder in den Arm zu nehmen und seine schöne Stimme zu hören.

<<Klingt gut. Ich freu mich schon. Ich muss nur noch meine Eltern überzeugen, aber das sollte kein Problem sein>>

Ich musste es einfach schaffen. Es gab kein "Nein", das ich akzeptieren konnte. Ich fühlte mich so sehr zu ihm hingezogen. Und wahrscheinlich war es schon zu viel, aber er hatte durch seine Rettungsaktion und seinem Sorgen um mich, sofort mein Herz gewonnen und es bisher behalten.

<<Sie werden sicher noch zustimmen. Wirst du nicht in einigen Tagen schon 18? Und wenn das nicht zieht, dann sag ihnen einfach, dass ich auf dich aufpasse>>

Was geschah nur gerade in mir? Ich fühlte mich federleicht und konnte das Dauergrinsen nicht unterdrücken.  Es war ein völliges Gefühlschaos in mir und das sollte nicht so sein. Das durfte nicht so sein. Es würde mich abhängig machen von ihm und den Gefühlen, die er in mir auslösen konnte.

<<Danke, ich werde es versuchen>>

Die größte Sorge meiner Mutter konnte ich somit zu nichte machen, aber wie sollte ich das mit dem Geld regeln? Ich traute mich nicht Harry um Rat zu fragen, deshalb suchte ich stattdessen nach günstigen Flügen. Ich fand einige, aber reichte das alles aus um meine Eltern zu überzeugen?

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