Kapitel 13

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Meine Mutter war ein harter Brocken gewesen, aber ich hatte es dennoch irgendwie geschafft sie zu überzeugen. Sicher war Harry der Grund dafür, da sie Harry sehr mochte und ihm zu vertrauen schien.

Mein Vater konnte ich auch schnell überzeugen und somit konnte ich Harry bereits wenige Stunden später freudig schreiben:

<<Ich darf kommen. Wann würde es dir denn passen?>>

Endorphine durchströmten meinen Körper und ich konnte nicht aufhören wie ein kleines Mädchen zu grinsen. Die ganze Warterei hatte sich wie eine nicht enden wollende Durststrecke angefühlt, aber jetzt wo endlich das Ende in Sicht war, konnte ich meine übersprudelnde Gefühle nicht verbergen. 

<<Wenn du willst, kannst du gleich morgen den Flieger nehmen>>

Seine Nachricht wunderte mich. Wie sollte ich bitte noch ein Ticket für den nächsten Tag nach London bekommen? Ich sah mich sofort im Internet um und fand keinen Anbieter, der noch einen Platz frei hatte. Wieso wollten nur so viele Menschen gerade morgen nach London fliegen?

<<Ich denke nicht, dass ich noch ein Ticket bekomme. Ich suche eines, das möglichst in den nächsten Tagen ist. Ist das auch ok?>>

Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe und starrte auf den Bildschirm meines Handys. Keine Antwort. Dennoch suchte ich weiter und fand schließlich ein Ticket für einen Flug von Hamburg nach London in drei Tagen. Nicht gerade das, was ich mir erhofft hatte, aber sicher war das das Optimum, das ich rausholen konnte. Kurz bevor ich das Ticket allerdings buchen konnte, erklang mein Handy und zeigte eine Nachricht von Harry an.

<<Keine Sorge, hab mich darum gekümmert. Abflug ist morgen Abend um 17:10. Geht das?>>

Wenn ich könnte, würde ich Harry am liebsten Umarmen, dafür, dass er es geregelt hatte und ich nun doch sofort zu ihm fliegen konnte. Wir regelten die Details und ich klärte mit meiner Mutter ab, ob sie mich am folgenden Tag zum Flughafen fahren könnte und dann, dann konnte ich mich freudig ans Packen machen. Ich machte Musik dazu an und begann beim Durchstöbern meines Schrankes bereits laut mitzusingen und zu tanzen.

Die halbe Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ich so aufgeregt war ihn wieder zu sehen. Und dann endlich stieg ich am Abend nach einer viel zu langen Wartezeit in das Flugzeug um zu ihm zu fliegen. Die ganze Zeit des Wartens steuerte auf seinen Höhepunkt zu, als ich endlich meinen Koffer hatte und aus dem Flughafen lief. Harry und ich hatten einen Treffpunkt ausgemacht, den ich nun irgendwie versuchte zu finden. Ich irrte etwas verzweifelt umher, als mich eine junge Frau ansprach:

"Kann ich dir irgendwie helfen?"

Ihr freundliches Lächeln gepaart mit ihrem lebhaften Auftreten brauchte mich augenblicklich dazu sie zu mögen. Ich erklärte ihr mein Problem und schilderte den Ort an dem Harry und ich uns treffen wollten. Zu meinem Glück kannte sie ihn auch und bat an die erste Hälfte mit mir zu laufen.

"Du bist also hier um einen Freund zu besuchen?", erkundigte sie sich erneut und ich antwortete etwas verlegen, da mir noch immer der Status unserer Beziehung unbekannt war:

"Ja. Wir haben uns in Hamburg kennengelernt und nun hat er mich nach London eingeladen. Und wie kommt es bei dir dazu, dass du jetzt hier am Flughafen bist?"

"Ich bin gerade aus einem Außlandsjahr in China zurückgekommen. Ich habe dort einige Erfahrungen gesammelt für mein Studium, das ich bald beginnen werde"

Wir verstanden uns wirklich gut, wodurch der doch recht lange Weg mir gar nicht mehr so lang vorkam. Sie konnte so viel von ihrem Aufenthalt in China erzählen und ich hörte begeistert zu, da mich die Fragen zu meiner Zukunft nach der Schule auch langsam quälten. Ich hatte noch ein Jahr und danach wurde von mir erwartet zu wissen, was ich wollte und wie mein Plan für mein Leben war, obwohl ich selbst mich nicht festlegen konnte.

"Du musst noch einige Meter die Straße runterlaufen und dann nach links abbiegen und dann solltest du es eigentlich schon sehen können", versprach sie und lächelte zuversichtlich.

"Vielen Dank für alles"

"Klar gerne. Und wenn du nochmal Hilfe beim Navigieren durch London brauchen solltest, dann kannst du mich einfach anrufen", meinte sie, lächelte belustigt über mein leicht entmutigte Gesicht und gab mir ihre Handynummer. Ich hielt nicht so viel von Großstädten gerade weil ich immer Angst hatte mich zu verlaufen, aber jetzt hatte ich zumindest jemanden, den ich um Rat bitten konnte.

Obwohl mir die Gesellschaft von Grace gefallen hatte, brannte es mir nun unter den Fingernägeln. Ich musste ihn einfach wiedersehen. Ich trabte leicht die Straße entlang und sah gerade noch rechtzeitig Harry an einem Wagen in einer Seitenstraße lehnen, bevor ich ohne eine Ahnung vorbeigelaufen wäre.

Er blickte auf sein Handy und schien furchtbar konzentriert auf etwas zu sein. Als er jedoch kurz hoch sah und mich auf ihn zukommen sah, steckte er es sofort in seine kurze Short und ging mir noch einige Schritte entgegen.

"Da bist du ja. Ich hatte schon Angst, dass du dich verlaufen hättest", erzählte er mir seine Sorgen und setzte dabei seine Sonnenbrille ab und nahm mich in den Arm. Völlig überrascht von seiner Handlung wusste ich nicht so recht wie ich es interpretieren sollte. Aber er ließ mir gar keine Zeit lange mir lange über die Bedeutung seines Handelns Gedanken zu machen. 

"Wie war der Flug? Bist du vorher schon einmal geflogen?", erkundigte er sich, während er meinen Koffer nahm und ihn in seinen Kofferraum packte. Dabei fielen ihm seine Haare etwas ins Gesicht was die starken Gefühle in mir nur verstärkte. Was hatte er bloß gemacht mit mir?

"Ich bin zuvor bereits einmal geflogen, als ich als kleines Kind mit meinen Eltern in den Urlaub geflogen bin, aber das ist gefühlt auch schon wieder Ewigkeiten her", erzählte ich und sofort tauchten wieder einige Bilder dieses Urlaubs in meinem Kopf auf. 

"Wie alt warst du da?", fragte er nun, als wir ins Auto stiegen, einen Range Rover Sport, den zuvor noch nie gesehen hatte.

"8. Wir haben einen Cluburlaub in Griechenland gemacht und ich habe es damals geliebt mit den Animateuren auf der Bühne zu tanzen und dort sich den Eltern zu präsentieren", beschrieb ich schmunzelnd meine Erinnerungen und fügte dann hinzu:

"Und wohin fahren wir jetzt?"

Ich sah zu ihm rüber und erkannte wie sich langsam seine Mundwinkel nach oben bewegten und sich seine charakteristischen Grübchen bildeten. Sein Gesicht sprach Bände, im Gegensatz zu ihm selbst. Er hüllte sich ins Schweigen und genoss es ganz offensichtlich wie ich neben ihm ahnungslos saß und auf eine Antwort wartete. Schließlich, als er jedes bisschen meiner Neugierde genossen hatte, antwortete er:

"An einen meiner liebsten Plätze"



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