Kapitel 23

79 12 0
                                    

Ich hatte mir so einiges überlegt, was ich gleich zu Harry sagen wollte. Im Kopf war ich immer und immer wieder die Sätze durchgegangen, damit ich auch ja keinen von ihn vergessen würde und stattdessen in meine alte Gefühlslage zurückfallen würde. 

Mit jedem Schritt, den ich setzte, wurde ich mir der Bedeutung der Worte bewusster. Sie würden das hoffentlich wieder hinbekommen, was ich zerstört hatte. Und vielleicht könnten Harry und ich das wirklich so klären, dass er verstand wieso ich mich so darüber aufgeregt hatte, denn wenn er es verstand, dann tat es auch nicht wieder. Zumindest sah so die Theorie aus.

Mein Blick wanderte von meinen Füßen hoch auf die Straße, in die ich gerade einbog und ich erkannte sofort, dass Harrys Auto dort noch immer stand. Jedoch konnte ich dadrin niemanden erkennen und der Innenraum war auch nicht erleuchtet. Hatte Harry sich also gar keine Gedanken darum gemacht, wohin ich gegangen war? War er einfach bei seinen Freunden geblieben und hatte gedacht, dass ich mich schon irgendwann wieder einkriegen würde und zu ihm zurückkommen würde?Ein flaues Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. War ich ihm so egal? 

Er hätte dich nicht immer und immer wieder um Rat gefragt und diesen dann auch noch befolgt, wenn du ihm nicht wichtig wärst, versuchte meine positive innere Stimme die negativen Gedanken zu vertreiben. Er hätte dich auch sicherlich nicht darum gebeten mit ihm nach Los Angeles zu fliegen um dort seine Bandkollegen zu treffen, die er schon lange nicht mehr gesehen hatte und die viel miteinander zu besprechen hatten, munterte sie mich weiter auf und ich beschloss endlich positiv zu sein und legte sogar noch eine Zahn zu.

Ich schritt den Weg zu dem Haus entlang und klingelte dann an der Eingangstür. Es war irgendwie ein komisches Gefühl nun wieder hier zu sein und ich versuchte mich innerlich auf so ziemlich jede Situation vorzubereiten, in die ich gleich geschmissen werden könnte. 

Ich vernahm Gepolter aus dem Eingangsbereich und versuchte verwundert irgendwas durch die Milchglasfenster in der Tür zu erkennen. Die Tür wurde aufgerissen und ein aufgeregter Harry sah mir entgegen. Seine ganze Mimik sprach Bände und ich konnte mich kaum erklären, als ich mich bereits in seinen starken Armen wiederfand.

"Es tut mir so leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich wollte dich bloß beschützen", flüsterte er mir ins Ohr, während er mich noch immer an sich drückte. Ich versuchte irgendwas zu sagen, aber ich war noch so überrascht von seinem Handeln, das ich einfach nur den Moment genoss. All die Zweifel waren wie weggeblasen. Keiner von ihnen hatte sich offensichtlich bewahrheitet und diese Erkenntnis brachte mich unbewusst zum Strahlen. Ich war hier, in Harrys Armen und ohne etwas gesagt zu haben, wusste ich, dass er mich verstanden hatte.

Irgendwann löste er die Umarmung und sah mich besorgt an. Seine Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen trat hervor und tunkte seine Mimik noch mehr ins besorgte, als es der Ausdruck in seinen grünen Augen und die leicht gekräuselten Lippen getan hatten.

"Geht es dir gut?", fragte er schließlich und ich nickte bloß stumm lächelnd.

"Wollt ihr nicht reinkommen und euch zu uns setzen?", hörte ich plötzlich Dayna aus dem Flur oder Wohnzimmer rufen.

"Wir kommen gleich", antwortete Harry ihr, bevor er sich erneut an mich wand: "Es tut mir wirklich leid. Ich wollte keine schlechten Erinnerungen in der hochholen oder dich erniedrigen. Du bist eine unbeschreiblich gute Freundin und ich sollte deine Entscheidungen, auch wenn sie mir nicht immer gefallen, respektieren"

"Danke, Harry. Ich hätte auch nicht so fürchterlich durchdrehen müssen, schließlich waren deine Absichten ja bloß positiv. Ich hoffe, dass du mir das verzeihen kannst", erklärte ich und sah ihn nervös abwartend an.

"Natürlich. Deine Reaktion war schon berechtigt. Ich habe deine Grenzen nicht respektiert und das werde ich in Zukunft machen, ich verspreche es dir. Kannst du mir denn verzeihen?"

Ich nickte strahlend und wir traten dann gemeinsam in das Haus ein. Die Zweifel und Sorgen hatten nun puren Glücksgefühlen Platz gemacht und ich genoss den restlichen Abend mit den anderen. Wir sprachen noch viel über Musik und Filme und einige Anekdoten gaben Harry und Josh auch noch zum Besten. Und ich wünschte mir, dass ich diese Freude in mir anhalten könnte, so lange wie es mir irgendwie möglich war.

Wir kamen erst spät wieder in der Wohnung an und mein Körper hatte mir schon häufiger als gedacht signalisiert, dass es definitiv Zeit für mich war wieder Ruhe und Schlaf zu erhalten, nachdem ich ihn und mich selbst an diesem Tag wieder durch eine Achterbahn der Gefühle gejagt hatte. 

Ich putzte schnell Zähne und wünschte Harry dann eine gute Nacht, bevor ich völlig erledigt in meinem Bett einschlief. Am nächsten Morgen wurde ich schlagartig wach, als sich in meinem Kopf eine Nachricht aufgetan hatte. Es war mein Geburtstag. Sofort stieg ich leise aus meinem Bett und schlich zu meinem Koffer, in dem noch immer mein Handy auf eine weitere Benutzung wartete.

Ich betätigte den Home-Button und sofort erschien mein Sperrbildschirm mit der Uhrzeit. Es war schon nach 9 Uhr morgens und ich hatte einige Nachrichten und noch viel mehr verpasste Anrufen, die mir nun angezeigt wurden. Ich wischte zur Seite und gab dann meine Pin ein. Meine Mutter hatte mich zwei mal vergeblich angerufen, meine Freundinnen zusammen ein Dutzend mal und auch Harry hatte mich mindestens fünf mal angerufen ohne das ich geantwortet hatte. Seine Sorge war also gestern echt gewesen, beruhigte meine innere Stimme die winzigsten Zweifel, die bestehen geblieben waren.

Meine Mutter hatte mir einige Nachrichten geschickt und mir in ihnen zum 18. Geburtstag gratuliert. Auch Alena, Charlotte, Sophie, Rilana und Krissi hatten mir in unzähligen Nachrichten zum Geburtstag gratuliert. Ich bedankte mich bei ihnen allen und beschloss dann, nachdem mein Magen lautstark um Aufmerksamkeit gebeten hatte, in die Küche zu gehen und mir etwas Kleines zum Frühstück zu machen. Als ich jedoch mit verwuschelten Haaren und in den zerknitterten Klamotten von gestern in die Küche geschlichen kam, entgegnete sich mir ein Anblick, den ich gar nicht erwartet hätte und ein grinsender Harry, der mir mit strahlenden Augen entgegen kam.

"Happy Birthday, Nelly"

OVER AGAINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt