Kapitel 3

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Ziellos schlängelte ich mich durch die Masse und suchte verzweifelt nach den anderen Mädchen. Hätte ich mich doch bloß nicht abgekapselt, schoss es mir durch den Kopf. Finden musste ich sie aber trotzdem. Bei meiner Suche kam ich auch in einen etwas abgelegeneren Teil, in dem auch junge Menschen feierten. Doch auch dort sah ich niemanden, der meinen Freundinnen ähnlich sah. Nur wild mit den Armen herumfuchtelnde Jungs, die sicher schon zwei Gläser Vodka oder Cola-Korn zu viel intus hatten. Ich wusste schon genau, wieso ich nie wirklich in Discos gegangen war.

Von hinten kam eine Gruppe junger Männer, die in die selbe Kategorie passten und bereits zwei Mädchen abgeschleppt hatten.  Sie torkelten grinsend auf mich zu und tanzten mich zu der lauten Musik an. Es wäre wünschenswert gewesen, hätte mein passives "Nein, danke" bereits ausgereicht um sie loszuwerden. Aber es war offensichtlich nicht mein Glückstag, oder aber in Clubs war es einfach so die Art. Das konnte ich mit meiner geringen Erfahrung nicht beurteilen.

Ich bat sie darum, dass sie sich doch bitte jemand anderen zum shakern suchen sollten, da ich nicht besonders viel Lust auf unkontrolliertes Herumzappeln im öffentlichen Rahmen hatte. Wenn meine Gedanken hörbar wären, würden mich viele sicherlich als "Oma" oder "blöde Streberin ohne Sinn für Humor" betiteln, aber das machte mir inzwischen nichts mehr aus.

Sobald sich das Lied änderte, war ich die Gruppe los, da sie zurück auf die Tanzfläche sprangen und erleichtert ausatmend drang ich immer weiter in einen etwas abgeschotteten Bereich vor. Gründe dafür, dass sie hier her gegangen sein könnte, fielen mir zwar nicht all zu viele ein, aber vielleicht hatten sie sich auch nach etwas Ruhe gesehnt. Obwohl, wenn Charlotte das Kommando hatte, dann war das eher unwahrscheinlich.

"Alles ok bei dir?", sprach mich plötzlich jemand auf englisch an, weshalb ich mich verwirrt umdrehte. Ein junger Mann, Anfang 20, sah mich mit einem besorgten Gesichtsausdruck an. Ich musterte ihn, bevor ich ihm auf englisch antwortete: "Ja, ich suche nur meine Freunde". 

"Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?", vergewisserte er sich erneut, wobei ich versuchte herauszufinden, wieso er mir so bekannt vorkam. 

"Ja alles ist noch in Ordnung. Aber, kennen wir uns irgendwoher?", ich musste wie ein totaler Idiot klingen, aber die Frage brannte mir unheimlich auf der Seele.

"Nicht das ich wüsste", meinte er nun und grinste unsicher.

"Naja, dann Dankeschön", verabschiedete ich mich.

"Bitte"

Ich stapfte zurück zur Bar und hoffte, dass ich nun zumindest auf dem Rückweg, den ich mehr oder weniger in Schlangenlinien durch die Masse ging, einen von ihnen sehen würde. Doch erneut wurde ich enttäuscht. Es war als hätten sie den Club in einem unbeobachteten Moment verlassen und mich Partymuffel zurückgelassen. Aber das würden nicht tun, oder?

"Hast du jetzt Lust auf einen Drink?", der Typ von vorhin bewegte sich mit einem Glas in der Hand auf mich zu.

"Eigentlich nicht wirklich", antwortete ich, als mir Charlottes Stimme in den Kopf kam. Sie hatte mir vor einem Jahr, als ich das erste Mal mit war auf einer Party, in einem Musikzirkus und es fürchterlich fand, dass ich den Menschen mal aufgeschlossener sein sollte, sonst würde ich nie einen Freund finden. 

"Na schön", meinte ich nun völlig von meinem plötzlichen Sinneswandel überrascht. Er grinste allerdings nur breit und erkundigte sich dann: "Was möchtest du denn?"

"Wasser". Ich spürte wie mich sein prüfender Blick traf.

"Wasser? Nicht vielleicht etwas stärkeres?"

"Nein, Wasser. Fürs erste"

Ein breites Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus und er orderte sofort ein Wasser und ein Cola-Korn. Derweil sah ich mich noch etwas um und dennoch war es für mich unmöglich auch nur ein mir bekanntes Gesicht zu erkennen.

"So hier, ein Wasser für?"

"Nelly. Danke. Und du bist?"

"Jan. Wie kommt es eigentlich, dass ich dich noch nie zuvor hier gesehen hab? Ich bin jedes Wochenende hier, ist sozusagen mein Stammlokal", sein breites Grinsen wirkte langsam etwas einstudiert und ließ mich an seiner Fassade zweifeln. Rechtzeitig genug schoss mir die Stimme meiner Freundin wieder in den Kopf und erinnerte mich an Aufgeschlossenheit.

"Ich gehe nicht oft feiern und ich komme nicht von hier", erklärte ich es ihm ziemlich simpel.

"Und jetzt hat dich dein Freund dazu überzeugt?"

Ich schmunzelte über seine Bemerkung und antwortete dann: "Nein. Ich bin mit meinen Freundinnen hier. Wir feiern einen Geburtstag. Ansonsten bin ich nicht so fürs feiern und erst recht nicht so weit weg von Zuhause"

"Das ist ja traurig. Ich hätte dich gerne hier öfter gesehen.Du bist eines der schönsten Mädchen hier"

Ein Kompliment, auch wenn es von einem leicht angetrunken wirkenden jungen Mann kam, der mich irgendwie unsicher machte und gleichzeitig ziemlich merkwürdig schien, war immer noch ein Kompliment und etwas, was ich im Moment gut gebrauchen konnte. 

"Wollen wir tanzen?", forderte er mich nun auf und ich versuchte es erst abzuwiegen. Aber ich müsste Offenheit mitbringen beim Kennenlernen, also trank ich mein Getränk schnell leer und verschwand dann mit ihm auf der Tanzfläche. Es fühlte sich irgendwie nicht richtig an, mit einem mir fremden Mann zu tanzen und das ganz ohne meine Freundinnen im Blickfeld zu haben. Nach drei Liedern begab ich mich wieder zurück zur Bar.

"Noch ein Getränk?", erkundigte er sich mit seinem nun glatt versteinert wirkenden Lächeln.

"Ja. Eine Cola bitte"

"Kommt sofort" und schon war er wieder verschwunden.

Ich wagte einen Blick auf meine Armbanduhr: 1:32. Später als erwartet, aber dennoch stand mir noch einige Zeit bevor, die ich überstehen musste und wenn ich die anderen nicht finden würde, was sollte ich dann machen?

"Hier, bitte", seine Stimme drang zu mir durch und ich lächelte dankbar. 

Ich nahm einige Schlucke und wollte dann das Gespräch wieder auf ihn lenken, als sich in mir ein eigenartiges Gefühl breit machte. 

"Ich bin gleich wieder da", meinte ich, aber er folgte mir. Ich suchte nach einer ruhige Ecke mit Sitzplätzen und vor allem wünschte ich mir jetzt mehr denn je meine Freunde herbei. Mir wurde immer schwindliger, dennoch versuchte ich meine Schrittfrequenz zu erhöhen und schnellstmöglich einen Platz zum Sitzen zu ergattern. Ich kam gerade in der abgelegenen Ecke an, als er sich meinen Arm krallte und meinte: "Was ist los? Geht es dir nicht gut? Du solltest vielleicht besser mal an die frische Luft oder noch etwas trinken"

"Nein, nein", brabbelte ich vor mich hin, als ob ich einen der Betrunkenen darstellen wollte.

"Doch, doch. Besser ist es wenn wir gehen", er zog mich mit, obwohl mein Kopf schrie, dass ich mich wehren sollte. Das ich schreien sollte, auch wenn das in der Musik untergehen würde. Ich sollte nur irgendetwas machen, damit ich von ihm los kam. Aber es war egal wie oft ich den Befehl an meine Extremitäten sendete, es geschah kaum etwas. Bloß ein paar kleine Ausrufe, die in der dröhnenden Musik verstummten, konnte ich von mir selbst wahrnehmen. Hoffentlich war ich da an jemanden geraten, der vertrauenswürdig war.


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