Kapitel 18

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Er schien nach den richtigen Worten suchen zu müssen, oder er versucht nur gerade die Infos, die ich ihm über meine Gedanken gegeben hatte zu verarbeiten. Eine peinliche Stille trat ein und wir beide sahen uns nur gegenseitig in die Augen. Um das etwas zu brechen, sah ich nun nach unten auf meine Hände, mit denen ich die Teetasse fest umschlungen hatte. Sie gab mir irgendwie halt und ich war froh diese Zeit mir etwas angenehmer gestalten zu können.

"Das ist nett von dir Nelly", meinte er schließlich und sofort sah ich ihn forschend an. Nett? Was für eine Aussage war das denn bitte? Ich schüttete mein Herz vor ihm aus und er reagiert derartig darauf? 

"Klar", erklärte ich und versuchte über meine Traurigkeit und Enttäuschung hinweg zu lächeln. Was hatte ich mir auch schon dabei gedacht. Er war nun mal Harry Styles und ich eines von vielen Mädchen, die ihn gut fanden. Aber im Gegensatz zu den meisten kannte ich ihn recht gut, zumindest hatte ich das geglaubt. Ich hatte anscheinend alle seine kleinen Gesten und Aufmerksamkeiten viel zu wichtig genommen. Wahrscheinlich hatte er eine ähnlich gute Beziehung zu den anderen Mädchen auch.

"Es tut mir leid Nelly, aber ich weiß nicht was ich sagen kann, damit es dir besser geht", erkundigte er sich mitleidig und entfachte in mir dadurch ein Feuer. Der konnte sich auf was gefasst machen. Ich ließ die Tasse schlagartig los und versuchte die ansteigenden Tränen noch so lange zurück zu halten bis ich ihm noch meine Meinung erzählt hatte.

"Ich erwarte gar nichts von dir. Hörst du, gar nichts. Ich hab schon viel zu viel Zeit für Gedanken an dich in den Sand gesetzt, da brauch ich mir jetzt nicht auch noch dein Mitleidsgefasel anzuhören. Schon klar, ich bin nicht gut genug für dich. Die Nachricht ist angekommen, danke Herr Styles"

Ohne noch auf eine Antwort oder Reaktion von Harry schritt ich schnell in das Zimmer, in dem ich vor nicht allzu langer Zeit aufgewacht war und die Welt noch wie immer schien. Keinen Gedanken hätte ich in diesem Moment daran gedacht, dass dieser Tag noch eine drastische Wendung haben könnte. Drastischer, als ich es je von Harry und mir erwartet hatte.

Ich schloss die Tür hinter mir und legte mich aufs Bett. Nun konnte ich den Tränen freien Lauf lassen. Ich fühlte mich wie erdolcht. Meine Atmung und mein Puls waren unregelmäßig und hektisch. Meine Lippen zitterten und ich war mir absolut sicher, dass die Mädchen in solchen Filmen tausendfach besser aussahen, als ich es gerade tat. Denen konnte man meist kaum wirklich abkaufen, dass sie wirklichen tiefen Schmerz erlitten hatten.

Während ich mich also so in meinem Selbstmitleid suhlte, vernahm ich ein leises Klopfen auf der anderen Seite der Tür. Ich bat ihn nicht herein zu kommen, aber schließlich hörte ich wie sich langsam die Tür öffnete und jemand herein kam. Ich versuchte ihn zu ignorieren und nur möglichst unauffällig die Tränen und den Schmerz an sich zu unterdrücken und wartete darauf, dass er mir etwas entgegen kam.

"Es tut mir wirklich leid, Nelly. Es war nie meine Absicht dich zu verletzen, das musst du mir glauben. Ich wollte nicht, dass das zwischen uns steht. Ich hab dich wirklich sehr gern", erklärte er und kam gleich danach zum Stoppen.

"Schon gut. Ich hätte nicht gleich so ausrasten müssen, aber Zurückweisung tut einfach so verdammt weh. Ich muss das erstmal verarbeiten können", erklärte ich und setzte mich langsam wieder auf.

"Natürlich. Wenn du willst, können wir auch heute bloß hier bleiben und nichts Großes unternehmen. Du kannst sagen wonach du dich fühlst", beschrieb Harry mir meine Optionen und setzte sich dann neben mich aufs Bett.

"Ok. Kann ich vielleicht kurz für mich allein sein? Nicht lange, nur 20 Minuten?"

"Natürlich. Ich mache in der Zwischenzeit das Frühstück, in Ordnung?"

"Ja, danke Harry", sagte ich und wartete darauf, das er wieder den Raum verließ und ich mich wieder dem Selbstmitleid und dem Schmerz hingeben konnte. Noch nie zuvor hatte ich es gewagt einen derartigen Schritt zu machen und nun wurde ich genau daran erinnert, warum ich das nie gewollt hatte. Selbst wenn es gut ging, wusste man doch nicht woran man war. Und ich war mir nun auch nicht mehr wirklich sicher. War ich denn zumindest noch eine Freundin von Harry?

"Frühstück ist fertig", rief Harry knappe 20 Minuten später aus der Küche und ich machte mich wohl oder übel auf den Weg zu ihm. Es beschäftigte mich immer noch, aber ich hatte mit mir selbst abgemacht, dass der Schmerz der Vergangenheit angehören und nicht mehr meine Zukunft beeinflussen sollte. Frei und bestimmt wollte ich sein und das sollte auch jeder sehen.

"Ich komme", rief ich bestärkt durch meine Gedanken zurück und stand nur wenige Sekunden später senkrecht auf dem Boden. 

"Ich habe Rühr-und Spiegelei gemacht. Dazu gibt es gebratene Tomaten, Linsen und gebratenen Speck. Ist da was für dich dabei?", erkundigte sich Harry, als ich leicht lächelnd in die Küche kam.

"Bestimmt. Ich kenne mich zwar mit der englischen Küche nicht besonders gut aus, aber dann kann ich da ja noch etwas aufholen. Bitte gib mir von allem etwas, damit ich es probieren kann", meinte ich und sah mir interessiert die Speisen an, die Harry gerade gezaubert hatte.

"Klar gerne", meinte er und füllte mir dann von jedem etwas auf den Teller. Danach tat er das selbe bei sich und gemeinsam setzten wir uns an den Tisch und begannen zu essen.

"Möchtest du noch Grapefruitsaft oder Tee dazu?", fragte er und ich bat etwas verlegen nach einem einfachen Glas Wasser. Ich wollte das nicht schon gleich am ersten Tag mit dem englischen Essen übertreiben. Er brachte mir das Glas Wasser und dann setzte er sich wieder zu mir.

"Wie kommt es eigentlich, dass Louis und du hier zusammen gewohnt habt? Hattet ihr nicht schon zu Beginn eurer Kariere einen Haufen Geld?"

"Louis und ich haben uns von Anfang an gut verstanden und es war ein schönes Gefühl nicht nach der Arbeit nach Hause zu kommen und allein zu sein. Wir fünf waren wie eine Familie. Die anderen hatten gleich nebenan ihre Wohnungen und wir haben ständig zusammengehockt und geredet oder Spiele gespielt. Zudem empfand ich es gut mit einer bodenständigen Wohnung anzufangen und wir wussten schließlich zu dem Zeitpunkt auch noch nicht, dass die Band so viel Erfolg haben würde. Das war damals, als wir die Wohnung gekauft haben, noch nicht abzusehen, dass der Erfolg beständig sein würde"

"Aber war das nicht manchmal blöd immer jemanden um dich zu haben?"

"Klar braucht man auch mal seine Ruhe, aber zu der Zeit war unser Leben so unglaublich aufregend, dass wir über so viele Dinge zu sprechen hatten. Und wie ist es bei dir? Hast du schon Pläne was du machen möchtest nach dem Abschluss?"

"Ich würde gerne Wirtschaftspsychologie studieren, aber ich bin mir noch nicht ganz sicher wo ich das machen möchte. Das muss ich in den nächsten Wochen klären, weil ich dann zum Beginn des nächsten Schuljahres die Bewerbungen fertig machen sollte"

"Wirtschaftspsychologie klingt spannend. Ich wollte damals Soziologie und eine Art Wirtschaftslehre im College machen, aber daraus wurde nichts"

Ich musste leicht schmunzeln. Er erzählte es so, als ob ihm nichts geblieben sei seit er sich für das Vorsingen entschieden hatte. Auch er lächelte und schien erleichtert zu sein, das ich es auch tat.

"Und stattdessen bist du einer der erfolgreichsten Sänger der Welt geworden. Da ist es natürlich traurig, dass du deinen eigentlichen Plan nicht durchziehen konntest", meinte ich schmunzelnd und er stieg drauf ein:

"Ja allerdings. Was soll ich jetzt nur ohne meinen Abschluss in diesen Fächern machen?!?"

Seine Stimme klang wirklich verzweifelt und auch seine Mimik ließ keinen falschen Gedanken aufkommen, dass er es nur aus Scherz sagte. Er hatte wahrhaftig ein beachtliches schauspielerisches Talent. Nicht das ich ihm das hätte attestieren müssen, einer der weltberühmtesten Regisseuren hatte das bereits getan, aber dennoch hatte ich nie wirklich zuvor darauf geachtet.

"Ich bin froh, dass du wieder lachen kannst", bemerkte er, bevor er wieder die Tasse Tee ansetzte.

"Ich auch", stimmte ich ihm freudig lächelnd zu.

"Na dann können wir meinen Plan ja vielleicht noch umsetzen", erklärte er und lächelte mir breit zu. Was hatte das nur wieder zu bedeuten?

OVER AGAINWo Geschichten leben. Entdecke jetzt