15 - Date

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Am nächsten Morgen brauche ich eine Weile länger und mehr Schminke, bis ich wieder einigermaßen normal aussehe.
Während Noella noch mit offenem Mund und zerzausten Haaren schläft, laufe ich zum Kleiderschrank und überlege, was ich heute anziehen soll.
Ich weiß nicht, wann sie gestern Abend gekommen ist.
Ich habe mich irgendwann in den Schlaf geweint und sah dementsprechend heute morgen aus.
Mit einem kurzen Blick aus dem Fenster, durch das jetzt schon die Sonne und blauer Himmel strahlt, entscheide ich mich für einen grauen Rock und ein schwarzes Top.
Meine Haare binde ich zu einem hohen Dutt und greife dann nach meiner schwarzen Handtasche, die ich schon vorhin gepackt habe.
Um mich noch ein letztes Mal anzusehen, stelle ich mich neben Noellas Bett, um mich im Spiegel zu mustern.
Mein Blick wandert einmal an mir hinab, bevor er an Noella hängen bleibt.
„Du kommst noch zu spät", sage ich laut und schmunzle, als sie sich gähnend über die Augen reibt und aufgrund der ganzen roten Haare in ihrem Gesicht kaum noch etwas sieht. 
„Bis später", rufe ich noch, bevor ich die Tür hinter mir zuziehe und den Gang entlang laufe.
Mit einem kurzen Blick auf meine Armbanduhr stelle ich fest, dass ich spät dran bin und eile somit die Treppen runter aus dem Haus.
Ein kühler Wind pfeift mir entgegen und ich bereue es augenblicklich bloß einen Rock anzuhaben.
Eigentlich ist es schon länger viel zu kühl geworden für kurze Sachen, aber die Sonne und der Himmel haben mich getäuscht. 
„Kalt?"
Als ich mich umdrehe, joggt Luan mit einem Lächeln auf mich zu.
„Ich komme sowieso immer zu spät, aber du um diese Uhrzeit hier?"
Als Antwort zucke ich mit den Schultern und verschränke die Arme, um mich etwas zu wärmen.
„Ich weiß auch nicht. Ich fühle jetzt schon, dass heute nicht mein Tag ist."
„Immerhin ist morgen Freitag und dann Wochenende."
Ich lächle kurz über seinen Versuch mich aufzumuntern und stoße dann die große Tür zum Hauptgebäude auf. 

Abwesend stochere ich in meinem Salat rum und werfe hin und wieder einen Blick zu den drei Jungs vor mir, die sich angeregt unterhalten.
Noel habe ich heute noch nicht gesehen, weswegen ich ständig zum Eingang der Cafeteria sehe und warte, dass er sie öffnet.
Seit wir verstritten sind habe ich ständig Angst, dass er irgendeinen Unsinn macht, wenn er mal nicht da ist, wo er sein sollte.
Vor allem kurz nachdem unsere Mutter gestorben ist lebte ich immer mit der Angst, dass er sich etwas antun würde. Als sich dann nach und nach herausgestellt hat, dass ich wohl eher diejenige war, die dazu neigt, war ich beruhigt.
Solange er so positiv und voller Hoffnung durchs Leben spaziert ist, habe ich mir keine Sorgen gemacht. Aber seit der Drogengeschichte und seit er sich so böse mir gegenüber verhält, kommt diese Angst zurück.
„Alva, alles klar?" Mein Blick schweift von der Tür zu Luan, der mir mit einem fragenden Blick gegenüber sitzt.
Als Antwort nicke ich bloß und auch Kilian und Elijah, die jeweils rechts und links von mir sitzen, unterbrechen ihr Gespräch.
Die Stimmung heute ist angespannt, was zum Großteil einfach an mir liegt.
Ich finde es unglaublich unangenehm mit Elijah zu sprechen, seit er mir auf der Geburtstagsfeier solche Sachen gesagt hat.
Eigentlich ist es nichts schlimmes, aber dennoch ist es mir peinlich.
Und von Kilian will ich gar nicht erst anfangen.
Mit jedem Gespräch, das wir führen und das dann in irgendeiner Art und Weise ausartet, wird es mir immer unangenehmer ihm unter die Augen zu treten.
Ich komme mir so vor, als würde er denken ich sei ein kleines dummes Kind, das nichts auf die Reihe bekommt.
„Was machst du morgen Abend?"
Fragend hebe ich den Blick und stelle tatsächlich fest, dass Kilian mit mir spricht.
„Nichts", murmle ich, noch immer halb in Gedanken.
Kilian nickt und kaut in Ruhe seinen Salat zu Ende, bevor er seine Frage genauer erklärt. 
„Möchtest du mit mir auf eine Feier von einem Freund gehen?
Ist nichts besonderes und auch nichts großes, aber ich würde dich trotzdem gerne mitnehmen.
Du kannst es auch ein Date nennen." Sein verschmitzes Lächeln überrumpelt mich noch mehr als die Situation es sowieso schon tut.
Während Elijah genauso blöd aus der Wäsche schaut wie ich, hat Luan ein freudiges Lächeln auf dem Gesicht und wackelt kurz mit den Augenbrauen.
„Ähm", drücke ich raus und versuche mich kurz zu sammeln.
„Ja, klar", antworte ich dann beinahe schon in Zeitlupe und scheitere dabei es lässig und cool klingen zu lassen, als wäre es keine große Sache.
In Wirklichkeit benehme ich mich aber so, als hätte er mir gerade einen Heiratsantrag gemacht, also reiße ich mich zusammen und schicke noch ein Lächeln hinterher.
Während ich mich weiterhin peinlich berührt fühle, da er mich vor den anderen beiden nach einem Date gefragt hat, scheint Elijah immer noch nicht wirklich davon begeistert zu sein.
Oder genau deswegen, weil Elijah so unzufrieden ausschaut, ist es mir so unangenehm.
Mit meiner Vermutung heute Morgen, dass heute nicht mein Tag ist, hatte ich wohl Recht.
Erst, als Noel die Cafeteria lachend betritt, wende ich meinen Blick wieder von Elijah ab und denke für einen Moment nicht daran, dass er ein Problem mit dem Date von Kilian und mir hat. 

Herz aus GlasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt