Das Kribbeln macht sich in meinem ganzen Körper breit und ich will ihm noch näher sein, obwohl das kaum noch möglich ist, so sehr schmiege ich mich an ihn.
Noch im selben Moment, als die Tür aufgeht und eine Stimme „Alva?" ruft, springt Elijah beinahe vom Bett.
Auch mein Kopf schnellt zur Tür und ich bin erleichtert und peinlich berührt zugleich, als ich dort Noellas rote Mähne und das verdutzte Gesicht eines Jungen widerfinde.
„Was macht ihr denn hier?"
Elijah scheint das Ganze noch unangenehmer zu sein als mir, als er Noella die Frage stellt und sie dabei kaum ansieht.
Sie fängt an zu schmunzeln und sagt:„Ich schätze, wir hatten eigentlich dasselbe vor wie ihr."
„Na, dann wollen wir nicht weiter stören", nuschle ich, stelle mich auf meine wackeligen Beine und schiebe Elijah zur Tür, die die beiden uns frei machen.
„Wir wollen euch wirklich nicht... "
„Wir waren sowieso fertig!", rufe ich über meine Schulter und unterbreche Noella.
Mein Verstand ruft mir zu, dass die beiden es glücklicherweise unterbrochen haben, bevor noch anderes passiert wäre.
Aber ich lasse diesen Gedanken nicht an mich ran und fange stattdessen wieder an zu lachen, als ich kurz das Gleichgewicht verliere und gegen die Wand stoße.
„Alles in Ordnung?", fragt Elijah mit besorgtem Blick und zieht mir meine Bluse wieder über die Schulter, die bei unserem Kuss runtergerutscht ist.
Ich nicke bloß und lehne mich dann an die Wand, sodass ich auf die Tür starren kann, aus der wir eben gekommen sind.
„Du bist echt eine kleine Hexe, Alva", schmunzelt er und tut es mir gleich, indem er sich anlehnt.
„Ich wollte das nicht tun, wenn du betrunken bist.
Aber du weißt, dass ich dir nicht widerstehen kann und hast das voll ausgenutzt."
Ich steige in sein Lachen mit ein, doch die Worte gehen mir ins eine Ohr rein und zum Anderen wieder raus.
Es fühlt sich an, als wäre ich in einer kleinen Blase.
„Du machst mich wirklich glücklich."
Die Tür gegenüber verdreht sich komisch und ich blinzle ein paar Mal, bis sie wieder einigermaßen in ihrer ursprünglichen Form ist.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du das tatsächlich zulassen würdest."
Auch der Boden fängt an komisch zu vibrieren und sich zu drehen, bis ich mir einbilde runterzufallen.
Verwirrt schüttle ich den Kopf und laufe einfach ohne einen Kommentar an Elijah vorbei in Richtung Tanzfläche.
Er ruft mir etwas hinterher, aber ich höre ihn kaum.
Doch dort wird es nicht besser.
Die vielen Menschen überfordern mich noch mehr und die laute Musik unterstützt das.
Mit zusammengekniffenen Augen drehe ich mich, entdecke allerdings erstmal keine bekannten Gesichter, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich diese nur verschwommen wahrnehme.
Meine gute Laune und die Glücksgefühle sind innerhalb weniger Momente verschwunden und haben sich um 180 Grad gedreht.
Ich empfinde immer noch alles doppelt so intensiv wie sonst, doch statt Bauchkribbeln, Gänsehaut und Glück spüre ich Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen.
Verwirrt schiebe ich wahllos Leute beiseite und quetsche mich durch.
Ich weiß nicht, wohin ich will oder was mein Ziel ist, doch als ich am anderen Ende des Raums ankomme und dieses Szenario vorfinde, wünsche ich mir, ich wäre bei Elijah geblieben.
Lorina beißt sich auf die Lippe und lächelt meinen Bruder an, der mit dem Rücken zu mir, verdächtig nah bei ihr, sitzt.
Es scheint kaum eine Sekunde zu sein, in der Lorina mich entdeckt, grinst, eine Hand an Noels Hinterkopf legt und ihn zu sich zieht, um ihn zu küssen.
Spätestens, als er diesen Kuss erwidert, seine Hand ihren nackten Oberschenkel hoch fährt und ich die Zungen sehe, kommt die Übelkeit mit einem Schlag wieder und ich fange beinahe an zu würgen.
„Noel!", schreie ich, schaffe es aber nicht, die Musik zu übertönen.
„Noel!", rufe ich erneut, allerdings wieder ohne Erfolg.
Das Bild von Lorina und meinem Bruder, die sich aneinander schmiegen, verschwimmt weiter und Kilian, der links im Eingang der Küche erscheint und auf mich zueilt, ist das Letzte, was ich sehe, bevor sich meine Augen schließen.„Verdammt nochmal, ruf jetzt endlich den Krankenwagen!", sagt eine aufgebrachte Stimme, die sich anhört, als wäre sie etliche Kilometer von mir entfernt.
„Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist, so viel Aufsehen zu erregen?", entgegnet eine weiter unsichere Stimme.
Nach und nach beginne ich meine Arme wieder zu spüren, meine Beine zu bewegen und die Arme zu bemerken, die sich um mich geschlungen haben.
„Bist du komplett bescheuert? Es geht um Alvas Gesundheit!"
Ich versuche, meine Augen zu öffnen, aber es kostet so unfassbar viel Kraft.
„Ich habe mein Handy irgendwo oben."
„Dann halt deine Schnauze und verpiss dich. Ich frage jemand anderen."
Als ich es doch noch schaffe, fällt mein Blick auf ein kantiges Kinn und zerzauste dunkle Haare.
„Kilian?" Sein Blick schnellt zu mir und Erleichterung macht sich auf seinem Gesicht breit.
Verwirrt drehe ich meinen Kopf hin und her, um meine Umgebung zu erkennen.
Es muss der Vorgarten des Hauses sein, auf dessen Mauer Kilian sitzt und mich wie ein Baby in den Armen hält.
Ich entdecke keine Menschen, lediglich leere Becher und anderen Müll auf dem Rasen.
Als ein Windstoß kommt und ich beginne die Kälte zu spüren, sehe ich an mir hinab und bin froh über Kilians Pullover, der mir als Decke wenigstens ein bisschen Wärme schenkt.
Als mein Blick wieder seinen erwidert, hat er sich kaum bewegt.
Seine Augen strahlen immer noch pure Erleichterung aus und seine Mundwinkel haben sich kaum merkbar nach oben gezogen.
„Wer war das eben?", will ich als erstes wissen, was ihn zu überraschen scheint. Kein Wunder in Anbetracht der Umstände. Wahrscheinlich hätte er erwartet, ich möchte wissen, was in den letzten Sekunden, Minuten oder Stunden geschehen ist, als ich einfach weg war.
Ich habe absolut keine Ahnung, wie lange das war.
„Elijah."
Ich nicke, halte mir eine Hand an den pochenden Kopf und richte mich langsam auf.
Als ich bemerke, dass ich immer noch auf seinem Schoß sitze, springe ich ruckartig auf und verliere dabei beinahe das Gleichgewicht.
„Sorry", murmle ich und schüttle kurz den Kopf, in der Hoffnung, das Durcheinander darin wieder in Ordnung zu bekommen.
„Ich hatte wirklich Angst um dich, Alva."
„Was ist denn passiert?", nuschle ich und versuche gerade zu stehen.
„Ich kam gerade aus der Küche und du wurdest immer unsicherer auf den Beinen, bis du das Gleichgewicht verloren hast.
Ich habe dich dann so schnell wie möglich rausgetragen, bevor dich jeder von allen Seiten angegafft hätte.
Das hättest du nicht gebrauchen können.
Also habe ich mich mit dir auf die Mauer gesetzt."
Mein Kopf ist voll und gleichzeitig so leer, dass ich gar nicht weiß, was ich im Moment mit mir anfangen soll.
Als mir plötzlich wieder das Bild von Lorina und meinem Bruder in den Kopf kommt, schnellt mein Blick zum Eingang des Hauses und meine Beine laufen wie von allein dort hin.
„Alva, wohin willst du?"
Kilian stellt sich vor mich und versperrt mir den Weg. Als ich mich an ihm vorbei drücken will, hält er mich an der Hand zurück.
„Lass mich durch!", nuschle ich und halte mich auch noch mit meiner zweiten Hand an ihm fest, als ich ein wenig das Gleichgewicht verliere.
„Sieh doch wie wackelig du auf den Beinen bist. Es ist spät, du hast zu viel getrunken und hast sogar kurzzeitig das Bewusstsein verloren.
Ich schätze, das ist der Moment, in dem du beschließen solltest, nach Hause zu gehen."
Ich weiß, dass er Recht hat und ich fühle mich auch wirklich beschissen, aber die Wut, die langsam in mir hoch kommt, hindert mich daran, einfach zu gehen.
„Alva, bitte."
Seufzend sehe ich in Kilians Augen, die mich bittend anschauen.
„Ist ja gut", murmle ich, stütze mich an seinem Arm und folge ihm zum Auto.
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Herz aus Glas
Dla nastolatkówEin Jahr ist es her, dass Alvas fester Freund verstorben ist. Der Verlust von Milan und kurz darauf der von ihrer Mutter, hat das junge Mädchen in ein tiefes Loch gerissen. Zusammen mit ihrem Vater und jüngerem Bruder, will die 19-Jährige in einer...