der Drink der Freundschaft

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Sometimes, all you can do is lie in bed and hope to fall asleep before you fall apart.

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Lange, einige lange Minuten betrachtete Kia den weinenden Jimin.

Immer wieder blätterte er in dem kleinen, schwarzen Buch.
Seine Finger glitten über die Seiten, falteten einige hineingeklebte Passagen auseinander und strich sich immer wieder die Tränen mit dem Ärmel seines Pullovers mit.

Es tat weh, den jungen Koreaner so zu sehen.
Kia fühlte seinen Schmerz und es war furchtbar mit anzusehen.

,,I-ich.." fing Jimin schweren Herzens an, konnte kaum richtig atmen ,,ich hätte was tun sollen."

Nun kam die Trauer zurück, die er all die Monate in den Tiefen seines Herzens verborgen hielt.
Die Trauer um einen geliebten Menschen, einen wahrhaftig geliebten Menschen.

,,Ich hab nicht zu  ihm gestanden, ich hab.." Er schniefte laut, Kia kramte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch und hielt es ihm hin.
Dankend nahm er es an sich, strich die Tränen weg. ,,ich hab ihn im Stich gelassen."
Kias Herz pochte laut, hätte sie Jimin nicht aufsuchen sollen?

Sie brachte seinen Schmerz zurück.

Jimin dachte oft an Chiron, Nächte lang konnte er deswegen nicht schlafen.
Albträume plagten ihn jede Nacht seit Chiron sich das Leben nahm.

Seit seine Seele die Erde verlassen hatte, seit er Jimin verlassen hatte.

,,Er war enttäuscht von mir er war verletzt und ich hab nichts dagegen unternommen." murmelte Jimin, eine Träne tropfte auf das geschlossene Notizbuch.
,,Nicht mal in der Schule, als er tagelang verprügelt wurde. Ich war so ein Weichei."
,,Du hättest nichts tun können, sie hätten weiter gemacht."
,,Aber vielleicht hätt ich sie aufhalten können, vielleicht hätt ich ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen können."

Kia wusste nicht, was sie antworten sollte.
Jinin sprach nichts als die Wahrheit, doch die Wahrheit konnte Chiron nicht zurück holen.

,,Als..A-als Chiron starb hab ich meinen Eltern gebeichtet, dass ich schwul bin."

Eine unangenehme Stille herrschte im Raum. Jimin war genauso angespannt wie Kia.

Der Junge mit den vollen Lippen hatte seinen Blick stets auf den Boden gerichtet, er konnte Kia nicht in die Augen sehen.
Sonst würde er denken Chiron säße vor ihm, wie in seinen Albträumen.

,,W-wie haben sie reagiert?"
,,Nunja." Jimin hielt inne, ein kurzes Schmunzeln zauberte sich auf seine Lippen ,,Ich leb' alleine also kann man sich vorstellen, wie gut es ausging."

,,Oh.", kam es aus Kia, die mitfühlend ihre Unterlippe nach vorne schob.

Jimin tat ihr leid, er wollte sich selbst schützen und hat dadurch seine einzige Liebe aufgegeben.
Das, was ihn glücklich machte.
Und nun fand er nichts, das ihn glücklich machen konnte.
Einen kleinen Trost fand er im Tanz, seine Leidenschaft die er nun ausübte.

,,Aber es ist gut so, ich meine.. ich hätte es ihnen früher sagen sollen, meinem Dad zumindest. Doch er hatte immer so schlecht über Chiron geredet." Neue Tränen bildeten sich in Jimins Augenwinkeln, erneut fand eine einzelne Träne den Weg an seiner Wange hinunter.
,,Es tat so weh, als er über ihn spottete. Auch nach seinem Tod noch."

,,Das tut mir leid, Jimin.", flüsterte Kia, hätte den Älteren am liebsten in den Arm genommen.

~Tage waren nicht schlimmer als Nächte.
Tagsüber schliff ich mich durch den Alltag, aber Nachts.. da kehrten die Gedanken zurück.
Sie plagen mich jeden Tag und es wird jeden Tag schlimmer.
Tag für Tag fühle ich mich schlecht in meiner Haut, blicke in den Spiegel und sehe ein Wrack. Ich war zu einem noch größeren Wrack geworden, als ich eh schon war.~

,,Weißt du, was gut tut?"
Min Yoongis mintgrünes Haar war mittlerweile so lang geworden, sodass man seine Augen nur schlecht erkennen konnte.
Yoongi hatte sich bei Chiron für die harschen Worte entschuldigt, er hatte Schuldgefühle.

,,Was?", fragte Chiron überrascht, neugierig was der Ältere ihm erzählen würde.
,,Irish Bomb, der Drink der Freundschaft."
,,Freundschaft?", fragte Chiron etwas perplex, Yoongi lächelte sanft.

,,Warum nicht? Hasst du mich immer noch?"
,,Quatsch.", grinste Chiron, boxte dem Jungen der neben ihm auf einem der Hocker saß gegen die schmächtige Schulter.
,,Na dann. Zwei Mal Irish Bomb, bitte.", rief er schlussendlich zu einem Kellner.

,,Ich dachte du trinkst nicht mehr?", fragte Chiron verwundert, fuhr sich durchs pechschwarze Haar.
,,Du hast Geburtstag, da ist es ne Ausnahme.", lächelte Yoongi, zog sich seine Beanie vom Kopf und betrachtete sie in seinen Händen.
,,Danke.", murmelte Chiron, dankbar dass zumindest einer mit ihm den Abend verbrachte.

Namjoon, sein ehemals bester Freund hatte sich nicht mehr gemeldet.
Hoseok wusste nichts von seinem Geburtstag.

Yoongi hatte es regelrecht aus dem nun 20-Jährigen rausgequetscht und nun saßen die beiden in einer ziemlich miefigen Bar, bekamen ihre irischen Getränke.
Es war Yoongis Stammkneipe, somit hatte er einige Nächte hier verbracht, die Angestellten kannten schon seinen Namen und wahrscheinlich stand er in der Liste, der Menschen die das 'Paraland' am meisten besuchen.
Beinahe klang der Name dieser Bar wie ein Vergnügungspark, dachte sich Chiron.
Zwar war er einige Male mit Namjoon in irgendeiner Bar versumpft, hatte sich jedoch nie den Namen gemerkt.
Er war eben kein Mensch, der gerne in Gewohnheiten lebte.

Ganz im Gegensatz zu Yoongi, der durch Gewohnheiten groß wurde.
Er lebte seit er denken konnte bei seinem Onkel, der ihm stets wie ein Vater war. Dass genau der Junge, der im Haus eines Psychologen wohnte, an Depressionen litt war wohl ein ironisches Schicksal.

,,Auf Ex.", grinste Yoongi, ein Grinsen das Chiron noch nie gesehen hatte.
,,Auf Ex.", konterte Chiron selbstsicher, fing schon an sich das schaumige Gesüff in den Rachen zu leeren.
Ein bitterer Nachgeschmack machte sich in Chirons Mund breit und sobald er das Glas wieder auf den Thresen gestellt hatte, verzog er sein Gesicht zu einer angeekelten Grimasse.
Er konnte dieses Zeug nicht leiden, würde sich Yoongi zu Liebe jedoch an den Geschmack gewöhnen.

Es war schließlich der Drink der Freundschaft.

One More Light | BTS √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt