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I'm still awake and I'm holding my breath.
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Yoongi ließ seine Jacke auf die alte Couch fallen. Schon seit Tagen dachte er darüber nach, diese Wohnung zu verlassen.
Damals, als Chiron starb, hatte er es im Haus seines Onkels nicht mehr ausgehalten. Er floh, um den Erinnerungen nicht mehr nah zu sein.
Doch die Erinnerungen folgten ihm, fraßen ihn von Innen auf.
Der Blonde betrachtete die zahlreichen Post-Its an der Wand, zählte sie noch einmal und ließ dann seinen Kopf hängen. Er schloss die Augen, wünschte sich so sehnlichst dass nichts von alldem passiert war.,,Ich sollte aufhören.", brummte er, hob erneut seinen Kopf um seinen Blick wieder auf die Post-Its zu legen.
,,Nein, solltest du nicht.", ertönte eine ruhige, bekannte Stimme und Yoongi fuhr wie wild herum.
Als er ihn sah, seufzte der Ältere jedoch kläglich.
Er seufzte, als könnte er somit schaffen, dass er wieder dahin verschwand wo er hergekommen war.
Er wollte ihn nicht sehen, nicht in diesem Ausmaß, nicht so.,,Was machst du hier?"
Der Schwarzhaarige legte seinen Kopf schief, stand an der Lehne der modrigen Couch und starrte seinen Gegenüber an.
,,Wieso bist du schon wieder hier?", krächzte Yoongi, schon den Tränen nah.
Er konnte nicht glauben, dass er schon wieder verfolgt wurde. Er wollte es nicht glauben.
Doch Chiron ließ seinen Blick nicht von seinem Liebsten ab, verschränkte seine Arme prüfend vor der Brust.
,,Du bist nicht echt.", sagte Yoongi, versuchte sicher zu wirken und seinen eigenen Kopf auszutricksen.
Er wollte wirklich dass diese Vorstellung verschwand.
Schon vor Monaten war er auf die Erkenntnis gekommen, dass es nur eine Erinnerung sein konnte.
Eine Erinnerung, die sich verändert hatte.Und genau dieser Satz war so zahlreich auf den Post Its vertreten.
Du bist nicht echt.
Du bist nicht echt.
Du bist nicht echt.
Jedes Mal wenn er auftauchte.,,Woher willst du das wissen?", brummte der Jüngere, wirkte beinahe schon beleidigt. ,,Chiron würde mir sowas nie antun."
,,Vielleicht kanntest du mich nicht so gut wie du dachtest?"
,,Ich kannte ihn.", murmelte der Blonde, fuhr sich schwer atmend durchs Haar. Er wusste, dass Chiron tot war und somit nicht vor ihm stehen konnte. Doch warum verschwand er nicht einfach?Die Vorstellung schritt auf ihn zu, an ihm vorbei und blieb vor der Wand stehen, an der hunderte Post-Its klebten.
Eins für jeden Tag, an dem er ihn gesehen hatte, an dem er diese Vorstellung von ihm sah.
Der prüfende Blick des Schwarzhaarigen hüpfte über die niedergeschriebenen Worte, über Yoongis zittrige Handschrift und blieb schließlich in dem Gesicht des Kleineren hängen.
Dieser versuchte dieser realistischen Darstellung seiner Liebe aus dem Weg zu gehen, flüchtete zu der Couch und hielt sich schwach an der Lehne fest.
,,Vielleicht irrten sich Menschen darin, mich zu kennen. Ich kannte mich ja nicht einmal selbst."
,,Nein.", unterbrach Yoongi den Schwarzhaarigen, der sich dann langsam zu dem Trauernden umdrehte. Sein Gesicht war blass, seine Tattoos schienen wie graue Schleier und sein pechschwarzes Haar hing ihm wirr in die Stirn
,,D-du.. er würde m-..Jemanden so etwas nie unterstellen." ,,Du weißt doch anscheinend so gut, wie ich war."~Ich zählte die Tage, die Stunden, die Minuten.~
,,Ich hab gewartet." ,,War noch bei nem Kumpel.", war die Ausrede seit Tagen.
Und irgendwann fragte Yoongi sich, ob er denn noch nachfragen sollte. Ob er Chiron einfach seine Freiheit lassen sollte, auch wenn er ihn vermisste.
Chiron wohnte dennoch bei ihm, sie schliefen dennoch in einem Bett.
Doch Yoongi hatte Angst, etwas Falsches zu tun. Er hatte Angst, den Schwarzhaarigen zu verletzen und zu verlieren. Deswegen hielt er sich zurück, Chiron bemerkte dies.
Aber der Jüngere wurde unsicher, so gerne hätte er Yoongis Liebe gespürt. Doch wie konnte man lieben, wenn man sich selbst nicht liebt?
Wie konnte man erwarten geliebt zu werden, wenn man nicht mehr wusste wie das funktioniert?Chirons Blick glitt über den Schreibtisch, wie angewurzelt blieb er mitten im Zimmer stehen und spürte Yoongis Blick auf seinem Rücken.
Dieser bohrte sich durch ihn hindurch, bis der Ältere schließlich aufstand.
Mit wackeligen Beinen schritt er auf den Jungen zu, der ihm den Rücken zudrehte.
Er legte seine knochigen, hellen Arme um die Taillee des Tätowierten.
Sofort erkannte dieser die Porzellanhaut, wunderte sich dass Yoongi keinen seiner Hoodies trug.
Mittlerweile waren seine Wunden von einem frischen Verband bedeckt, der Grünhaarige legte seine Wange gegen den Rücken seines Geliebten.
Und Chiron spürte die Wärme, die der Ältere ausstrahlte.
Er spürte die Zuneigung, die Liebe.
Er spürte die Stille, denn die beiden brauchten keine Worte.Sanft begann der Schüler die Haut seines Freundes zu streicheln, so sanft als würde seine Porzellanhaut unter der Berührung zerbrechen können. Doch Yoongi genoss diese Berührung, schloss träumend die Augen.
,,Du fehlst mir.", flüsterte der Ältere dann.
Diese Momente, diese Gesten vermisste auch der Schwarzhaarige. ,,Ich bin doch da."
,,Ich meine das echte Du."Stille herrschte im Raum, Chiron wusste nicht was er darauf antworten könnte.
Wie recht Yoongi doch hatte, doch es wäre besser gewesen wenn er das nicht gehabt hätte.
Nach einigen Minuten bitteren Schweigens standen sie immer noch da, Yoongis schwache Arme waren immer noch um den wichtigsten Menschen seines Lebens geschlungen und am liebsten hätte er ihn nie mehr losgelassen.~ich wollte gehen.~
,,Bitte geh wieder.", murmelte Min Yoongi, die Tränen in seinen Augenwinkeln, er wollte heulen, so laut er konnte.
Doch er konnte nicht, stattdessen brannten seine Augen nur furchtbar.
,,Bitte verschwinde endlich aus meinem Kopf."
Er hielt ihn noch immer fest, noch immer hielt er an der Vorstellung fest die ihn in die Trauer stürzte.
Er wollte erlöst werden von diesem Schmerz. ,,Dann lass mich ein für alle Male gehen.", waren es die Worte des 20-Jährigen, der seit Juli schon tot war.
Er war nicht mehr hier, nur die Erinnerung hielt Yoongi noch in seinen Armen.
Nur die Erinnerung, stand noch in seinem Zimmer.
Stand mit ihm in diesem Zimmer.
Doch etwas war anders, als all die Male in dem er diese Täuschung gesehen hatte.
Das Gefühl war anders, Yoongis Gefühl Chiron gegenüber.Wahrscheinlich würde er diesen verstorbenen Menschen noch ewig lieben, doch er spürte noch neben der Liebe noch ein anderes Gefühl.
Ein unglaubliches Gefühl, das sich in seinem ganzen Körper ausbreitete.
Er spürte Vergebung.
Er fühlte sich zwar schlecht, doch all das was momentan passierte, gab ihm neue Kraft.
Kia zu helfen, den Tod eines geliebten Menschens zu verstehen und ihm eine Chance zu geben, sich selbst zu erklären.
All die Zeit, hatte er insgeheim Chirons Anwesenheit vermisst. Er wollte es stets verdrängen, nicht zeigen wie es ihm ging.
Doch nun war er an einem Punkt angelangt, an dem er seine zitternden Arme lockerte.
Langsam zog er sie von der Taillee seines Geliebten, starrte ihm noch eine Weile auf den Nacken.Als würde die Welt still stehen, drehte sich der Verstorbene um, blickte seinem Freund in die schmerzenden Augen.
Dann legte er sanft eine Hand auf die glühende Wange des Älteren, ließ denjenigen kurz zusammen zucken.
,,Du schaffst das, ich glaube daran."
Eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über Yoongis Wange, erreichte Chirons Finger. Schmunzelnd strich er diese weg, näherte sich dem zurück gelassenen Trauernden und legte ihm einen sanften, beinahe kaum spürbaren Kuss auf die Stirn.
Yoongi hielt die Luft an, presste seine Augen so fest zusammen wie er nur konnte.
Er spürte seine Lippen auf dem blonden Haar, er spürte die kurze Wärme.
Doch als er seine Augen wieder öffnete, stand er alleine in dem kalten, dunklen Raum.
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One More Light | BTS √
Teen FictionEs ist nie nur eine Perspektive bestimmter Umstände und je nach Person, Gemütszustand, können die Ansichten abweichen. Was Kia bleibt, sind die Ansichten ihres Bruders Chiron in einem Notizbuch, jenes sie leider erst findet, als sie ihn gar nicht m...