Soll ich?

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I push you away until you beg me to stay. Just for the thrill of the chase, you got me.
Fucked in the head from all the things that we did.
But I will never forget I need you, my medication.

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~Yoongi war mein Anker,
er war derjenige der mich davon abhielt negative Gedanken zu haben und es fühlte sich so gut an.
Doch je mehr ich dachte, dass ich ihn brauchte um so zu fühlen desto mehr hasste ich es alleine zu sein.~

Es war ein eigenartiges Gefühl, alleine in seinem Bett zu liegen.
Er hatte viele Nächte bei Yoongi verbracht und genau deswegen fühlte er sich alleine. Er fühlte sich einsam obwohl im Zimmer nebenan seine Schwester schlief und auch seine Eltern im Haus waren.
Doch mit denen konnte er nicht über das reden, worüber er mit Yoongi sprach. Über seine ehrlichsten, tiefsten Gedanken und der Grünhaarige war wahrhaftig der Erste, der schien ihn zu verstehen.
Er war der Erste, der ihm nicht das Gefühl gab anders zu sein, doch auf diese Welt zu gehören.
Vielleicht verstanden sich die beiden auch so gut, weil Yoongi wusste wie es war so zu denken. Er hatte sich Jahre lang mit diesen Gedanken herum geplagt, hatte damit leben müssen da er ständig unter der Beobachtung seines Onkels war.
Dieser ließ ihn wahrhaftig nie aus den Augen, behandelte seinen damals 18-Jährigen Neffen wie ein Kind. Er behandelte ihn so, als würde er 24 Stunden 7 Tage die Woche Hilfe brauchen.

Das war auch der Grund warum er ihn vor circa einem halben Jahr in seine Selbsthilfegruppe integrierte. Yoongi war sein Experiment, ein Versuch ob es wirklich funktioneren würde: der Austausch mit anderen, die Fürsorge, die Beobachtung und das ständige Nachfragen.
Yoongis Onkel liebte ihn ohne Zweifel, er liebte ihn als wäre er sein eigener Sohn. Er wollte ihn aus diesem tiefen Loch herausholen, ihm neues Leben schenken und helfen wieder glücklich zu werden.
Doch man kann Niemanden dazu zwingen glücklich zu sein, wenn derjenige nicht kann.
Yoongi hatte anfangs immer abgelehnt, er wollte die psychologische Hilfe seines Onkels nicht annehmen, bis er dann doch nachgab.
Er wollte gesund werden, doch er wusste das konnte nur er selbst schaffen.

,,Falls es dir dadurch besser geht, kannst du gerne länger bei mir bleiben.'', hallten die Worte Yoongis in Chirons Kopf. Er hatte ihn tatsächlich eingeladen für mehrere Wochen bei ihm zu wohnen.
,,Hab mit meinem Onkel darüber geredet, ich sagte ihm es wäre für gute Zwecke. Psychologische Zwecke und so.''
Chiron schmunzelte bei dem Gedanken daran, dass er Jemanden gefunden hatte, der ihn nicht los werden wollte.
Sofort erinnerte er sich an Jimin, der ihn immer weg schickte sobald seine Eltern nach Hause kamen.

,,Wenn du bereit bist, ruf mich an.''

Und genau das tat Chiron. Er griff im Dunkeln nach seinem Handy, wählte kurzerhand Yoongis Nummer und hielt es sich ans Ohr. Es war mitten in der Nacht, doch das juckte ihn nicht. Er wollte so schnell es ging zu Yoongi, er wollte nicht mehr hier alleine sein.

,,Ich dachte mir, dass du mitten in der Nacht anrufen wirst.'', brummte Yoongis heisere Stimme, ein Kichern entwischte Chiron.
,,Ich pack' n paar Sachen und bin in zwanzig Minuten bei dir.''
,,Mach das, beeil dich bevor ich wieder einpenne.'', antwortete Yoongi noch, ehe Chiron auflegte, seine Nachttischlampe anknipste und ruckartig aufstand.
Er packte einige Klamotten in eine Reisetasche, war hibbelig und nervös.
Natürlich war er das, er würde mitten in der Nacht sozusagen zu Jemandem ziehen.
Wie eine Nacht und Nebelaktion.

Er schrieb einen kleinen Zettel, auf dem er seinen Eltern Bescheid sagte, wo er sich aufhielt. Er wollte nicht wieder Stress mit ihnen, er war es satt. Auch wenn er der Meinung war, dass es sie nichts angehen sollte.
Er klebte den kleinen Zettel an die Außenseite seiner Zimmertür.

Ehe er die wichtigsten Dinge eingepackt hatte, darunter auch sein Notizbuch, riss er die Schublade seines Nachtkästchens auf um nach seinen verstauten Zigarettenpäktchen zu suchen.
Was er jedoch fand, ließ ihn kurz in eine Starre fallen.
Lange hatte er nicht mehr daran gedacht, hatte nicht gedacht dass er noch etwas von dem Zeug übrig hatte.
Mit zitternden Fingern holte er das Beutelchen heraus indem sich das kleine Päktchen mit dem blau-violett glitzernden Pulver befand, betrachtete es im dunklen Licht der Lampe.
Sein Puls verschnellerte sich, sein Herz schickte das Blut durch seinen ganzen Körper. Chiron atmete schwer, beinahe schmerzte seine Brust.

Es war so schwer dem Crystal Meth zu widerstehen.
Chiron ringte wirklich mit sich, schwerer Atem entwischte seinem Mund und er erinnerte sich an das Gefühl zurück. Wie es war, als er diese Droge zu sich nahm. Die Wärme, die sich binnen Sekunden in seinem Körper ausbreitete; die Leichtigkeit, die ihn negative Gedanken vergessen ließ; die Freiheit, nach der er sich so sehnte.
Er sehnte sich nach dieser Droge.

Kurz schüttelte er den Kopf um aus seiner Gedankentrance zu entkommen, er schluckte noch einmal schwer und biss sich angespannt auf die Unterlippe.

~Soll ich? oder soll ich nicht?~

Er ringte mit Verstand und Herz, er kämpfte mit dem Verlangen und es war furchtbar. Diese Sucht, die sich so urplötzlich wieder meldete war furchtbar.
Das Schlimmste war jedoch, dass er alleine war und dass Niemand hier war der ihn davon abhalten konnte außer er selbst.
Wie von einer Tarantel gestochen schlug er sich die Reisetasche über die Schulter und stürmte aus dem Haus. Wahrscheinlich hatte er irgendjemanden geweckt, doch das war ihm egal. Sein Herz raste, sein Atem stockte.
Das Päktchen hielt er fest in seinen Händen.

Es waren bestimmt schon zwanzig Minuten vorbei gegangen als Chiron an der Brücke im Seoul Park stand. Seine Tasche hatte er achtlos auf den Boden geschmissen und lehnte nun, mit den Ellebogen auf dem Geländer, an dem Holz der Brücke. Das Wasser unter ihm rauschte so sehr, sodass es ihn beinahe hypnotisierte. In der rechten Hand hielt er das kleine Päktchen mit dem gefährlichen Pulver. Er hielt es so fest, als würde er Angst haben, dass es flieht.
Das Vibrieren seines Handy schockte ihn aus seinen Gedanken, zitternd hielt er es an sein Ohr.

,,Hey, du Schlafmütze, wo bleibst du denn? Du sagtest zwanzig Minuten und nicht eine dreiviertel Stunde.''
Yoongis Stimme war zwar wie Musik in seinen Ohren, dennoch konnte er sich nicht dazu bringen zu antworten. Stattdessen versuchte er seinen Atem normal zu behalten.

,,Warst du jemals an einem Punkt, in dem du kurz davor warst etwas falsches zu tun?''
Chirons Stimme war brüchig, er schluckte schwer.
,,Was redest du da? Wo bist du?''
,,Du weißt es ist falsch, aber es ist einfach so verdammt verlockend. Warum sollte ich mich nicht wieder mal gut fühlen können?''
,,Chiron.'', Yoongis Ton wirkte beinahe bedrohlich, man hörte Rascheln.
,,Was auch immer du vor hast, tu es nicht. Komm nach Hause, zu mir.'', versuchte er dem Schwarzhaarigen einzureden, ihm ins Gewissen zu reden.

,,Ich kann nicht, es ist.. es ist wie als würde ich mich an all die schönen Dinge erinnern können. Kein Schmerz mehr..''
Das Rauschen des Wassers wurde immer lauter, Yoongi traf es wie ein Blitz.
,,Bleib wo du bist und wag es ja nicht etwas Falsches zu tun.'', waren seine letzten Worte, ehe er auflegte und Chiron somit in der Dunkelheit zurück ließ.

One More Light | BTS √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt