Auseinander gelebt

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I turned from blue to grey.

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Kia fühlte sich seit Tagen unwohl in ihrer Haut, sie wollte nicht zur Schule gehen und anderen ins Gesicht sehen. Sich fragen, ob sie denn von der ganzen Sache etwas wussten. Ob es sich vielleicht heimlich herum gesprochen hatte, sie nie etwas davon mitbekommen hatte.
Als würden alle dieses Geschehen vor ihr geheim halten, als wären sie gegen sie.
Hatte Chiron sich damals so gefühlt?
Als sie über ihn getuschelt haben?
Als diese Gerüchte umgingen?

Kia seufzte kläglich als sie ihren Spind öffnete, es fühlte sich an als würden alle Blicke auf ihr liegen, sich in ihren Rücken bohren. Kurz dreht sie sich um, sah jedoch Niemanden hinter ihr.
Sie war paranoid, hörte Stimmen obwohl keiner hier war. Am Ende des Ganges standen ein paar Mädchen, die aber in ihr eigenes Gespräch vertieft waren.
Mit einem Knall schloss die Dunkelhaarige ihren Spind, drehte sich um ihre eigene Achse und erschrak als sie den größeren Jungen mit den Hasenzähnen vor sich stehen sah.
,,T-tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken."
Seine Augen waren geweitet, ein entschuldigender Blick war in seinem Gesicht zu sehen. Kia wusste nun, warum er sich ihr gegenüber immer so zurückhaltend verhielt. Er hatte Angst, Angst dass Kia es irgendwann herausfinden würde. Dass sie ihn einen Feigling nennen würde. Ihn verspottete, wie alle es taten. Er wusste, dass die Jüngere nicht so eine Art von Mensch ist.
Viel mehr wollte sie wissen, wie's ihm bei der ganzen Sache ging.
,,Schon gut.", murmelte sie kaum hörbar, presste ihre Bücher an ihren Oberkörper und hätte am liebsten einen Wasserfall an Wörtern frei gelassen.
Hätte ihm am liebsten alles gesagt, was sie momentan bedrückte und ihr den Schlaf raubte.
Doch Jungkook versuchte nur zu lächeln, schob einen Mundwinkel nach oben und fragte schließlich: ,,Können wir reden?"

Kia war überrascht, denn das war genau das was sie tun wollte. Doch nicht hier, in diesem Gebäude in dem Kia nicht mehr sein wollte.
Ein Mal, als sie die Chance hatte mit Jungkook zu reden ergriff sie im nachhinein die Flucht. Es war ihr unangenehm, da er ihr Fotos ihres verstorbenen Bruders zeigte.
Aber vielleicht wollte er ein Zeichen setzen, vielleicht wollte er ihr zeigen dass er Möglichkeiten hatte.
Auch das Gespräch danach verlief mehr angespannt, Jungkook lag einiges auf dem Herzen. Er sah Dinge, die er nicht sehen wollte und seitdem mit sich mit trug.

,,Es ist schon länger her, dass wir uns gesehen haben.", sagte der Braunhaarige als sie sich ein ruhiges Plätzchen gesucht hatten. Weit und breit war kein Schüler zu sehen, Jungkook kannte Orte an denen er ungestört allein sein konnte. ,,Und.."
,,Ich weiß es nun.", unterbrach sie ihn sofort, blickte daraufhin auf ihre zitternden Hände. Sie saßen auf einer Bank, nicht zu nahe aneinander aber genau richtig um im gedämpften Ton reden zu können.
,,W-was?", fragte Jungkook perplex, hoffte sie würde ihm die Fragen erleichtern. Doch Kias Augen füllten sich sofort wieder mit Tränen, als sie an die Sätze in Chirons Notizbuch zurück dachte. Es war furchtbar, mit dieser Information leben zu müssen. Sie wusste nicht, wem sie vertrauen konnte. Wer ihr weh tun oder sie missbrauchen wollte. Wer war so grausam?
Kannte sie diesen Jungen, der ihr das an tat? War sie ihm über den Weg gelaufen?
Einfach so in der Schule?
Und hatte er es bereut, ihr sowas angetan zu haben?

Sie schüttelte den Kopf, gab sich somit selbst eine Antwort. Jungkook seufzte, er wusste nicht wie er ein Mädchen trösten konnte, dem so etwas Schreckliches passiert war.
,,E-Es tut mir s-soo furchtbar leid, was passiert ist."
Kia sagte nichts, was sollte sie darauf auch schon antworten?
Ihr tat es selbst leid, was passiert war. Doch es konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es war passiert und Chiron konnte es auch nicht verhindern.
Ein tiefer Atemzug entwischte ihr, ehe sie sich mit dem Ärmel über die nassen Wangen rieb. ,,Ich habe vielleicht etwas, das dich entweder glücklich macht oder alles verschlimmert."

Kia schluckte, dieser Satz bereitete ihr Gänsehaut. Was wusste Jungkook noch?
Sie erinnerte sich an den Fototag, als sie Jungkook sah und ihn süß fand. Sie wusste nicht mehr, wie sie zu ihm stehen sollte, sie hatte die Nacht in der er sie mit Coca Cola vollschüttete und sie danach sogar miteinander quatschten vergessen. Sie hatte alles vergessen, was diesen Abend betraf.
,,Ich denke, ich bin an einem Punkt angelangt, bei dem es nicht noch schlimmer werden kann.", sagte sie, sah ihm heute zum ersten Mal in die dunklen Knopfaugen. Er presste nervös seine Lippen aufeinander, drehte sich dann zu seinem Ranzen um und holte seine Kamera raus.
,,Ich weiß, ich hätte es dir vielleicht früher zeigen sollen.", brummte er, drückte einige Knöpfe an dem teuren Gerät. Kia verstand nicht, was er ihr zeigen wollte.

~Gedanken schleichen sich in meinen Kopf und ich kann mich nicht dagegen wehren. Vielleicht hat Dr. Min recht, vielleicht bin ich wirklich krank und werde für immer diese Gedanken haben. Ich werde sie nicht los bekommen und daran zu Boden gehen.~

,,Meine Kamera?"
Jungkooks Augen waren so groß geworden wie frisch gepflückte Äpfel. Er war verwundert, dass ausgerechnet Chiron vor seiner Tür stehen würde. Er hätte nicht gedacht, dass er ihn nach dem Geständnis je wieder sehen würde. Doch Chiron hatte sein Haus aufgesucht, wollte aus einem wichtigen Grund mit ihm sprechen.
,,Meinst du.. das Video v-vom Abschlussball?" Chiron schüttelte den Kopf. ,,Ich weiß, dass wir es der Polizei zeigen sollten. Ich weiß das, a-aber den Einzigen den wir von diesen Idioten kennen ist Soojung. Und der hat nur Schmiere gestanden."

Jungkooks Gesicht lief rot an, Chiron fiel mit der Tür ins Haus und er blickte sich schnell in der Umgebung um, ob nicht etwa Jemand gelauscht hatte. ,,Komm erstmal rein."

~Der einzige, der mir wirklich dabei helfen konnte war Jungkook. Ich zählte auf ihn, aus irgendeinem Grund.~

,,Auch es zugelassen zu haben, einverstanden zu sein Schmiere zu stehen, ist strafbar.", sagte Jungkook ruhig, betrachtete seine mit Fäden und Bildern vollgeklebte Wand.
Chiron stand hinter ihm, ebenso die komplex gestaltete Mauer anstarrend. ,,Es wird nicht reichen, er wird uns nicht sagen wer die anderen beiden sind."
Der Braunhaarige drehte sich zu ihm um, sein Blick war ernst. ,,Ich werde die beiden anderen finden, ich versprech's."
,,Wie willst du das anstellen?"

Chiron konnte dem plötzlichen Mut Jungkooks keinen Glauben schenken, es war nicht er selbst der da aus ihm sprach. Jungkook war nicht mutig, so dachte Chiron.
Der Jüngere zuckte jedoch mit den Schultern, zog mit seinem großen Zeh Kreise im Teppichboden. ,,Irgendwie werd ich's schaffen."
,,Ich vertraue dir."

Das plötzliche Vertrauen, dass Chiron seinem Gegenüber schenkte, war nicht gelogen. Jungkook war wahrhaftig der Einzige, der in dieser Sache für ihn gerade stehen konnte. Er war sein Augenzeuge, er würde ihn nicht hintergehen. Die beiden teilten Meinungen, sie saßen einige Stunden in dem kleinen Dachbodenzimmer des Fotografen und redeten über vergangene Dinge. Sie redeten über die Prügeleien, über Kia, über die Diagnose und über Namjoon.
Namjoon und seinen Freund Jin, die beiden die Chiron ständig im Gewissen lagen. Der Gedanke daran, dass Namjoon ihn nie wieder seinen besten Freund nennen würde, brannte in Chirons Brust. Es tat ihm leid, diese Freundschaft aufgegeben zu haben, doch er konnte es nicht aufhalten.
,,Ich bin nicht wütend auf ihn, eher würde ich manches gerne rückgängig machen." ,,Aber er hat dich doch hintergangen, dich sitzen gelassen."
Chiron zuckte mit den Achseln, er wusste das doch bereits. Darüber hatte er schon Wochen lang nachgedacht.
,,Ja, aber ich denke wir haben uns einfach nur auseinander gelebt."
,,Wegen seinem Freund?" ,,Wegen mir."

Jungkook nickte verstehend, er wollte für seinen neu gewonnenen Freund da sein. Schließlich hatte er einige Dinge in seinem Leben nahezu miterlebt. Er konnte seine Zweifel verstehen, er wollte ihn unterstützen.
Er brauchte etwas, um Chiron besser fühlen zu lassen.
Er hatte Möglichkeiten, Chiron besser fühlen zu lassen.
Und deswegen griff er zu diesen Mitteln, unterstützte seinen Kumpel.
Obwohl dieser nicht einverstanden war.

One More Light | BTS √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt