Vorsichtig löste ich den Kajalstift von meiner Wange und betrachtete mich im Spiegel. Mein Make Up war nun vollendet und man konnte mich nicht mehr als Erik Durm wiedererkennen. Mein Haar war pink, die Augen neongelb, um meine Augen war eine schwarze, aufgemalte Maske und meine Lippen hatte ich mit einem hautfarbenen Lippenstift etwas dezenter wirken lassen. Auch das Tape saß unter meinem pinken T-Shirt mit der Collegejacke darüber und meine schwarze Jeans lag eng an.
Ich atmete noch einmal tief durch, ehe ich zu meiner falschen Brille griff und diese aufsetzte. Ich schnappte mir meine Handys und verschwand dann im Flur, um mir Schuhe und eine weitere, alte Jacke überzuziehen. Als ich schließlich bereit war, machte ich mich auf den Weg zu besagtem Häuschen am Phoenixsee.
Matze hatte mir die Adresse und eine Wegführung von seinem Haus zu dem kleinen Häuschen im Waldstück geschickt, genau wie ein Bild der Holzhütte.
Es hatte eine gute halbe Stunde gedauert das Holzhäuschen zu finden, doch als ich schließlich da war, wurde ich doch etwas nervös. Paranoid sah ich mich das hundertste Mal um, dass mich auch bloß keiner sehen konnte, geschweige denn erkannt hatte.
Als die Luft schließlich rein war, trat ich auf die Tür des Häuschens zu. Unsicher blieb ich davor stehen. Sollte ich jetzt klopfen oder einfach so reingehen? Oder wäre es doch das schlauste Matze noch einmal zu schreiben, dass ich nun angekommen war?
Meine Entscheidung wurde mir jedoch genommen als sich die Tür öffnete. Zunächst geschockt und überrascht trat ich ein ganzes Stück zurück und war schon kurz davor mich weiter zu entfernen, als Matze mit einem charmanten Lächeln in der Tür des Häuschens stand und mich mit seinen blauen Augen ansah.
"Hey", hauchte er leise, aber doch laut genug, sodass ich ihn deutlich hören konnte, "ich freu mich, dass du gekommen bist. Ich hab dich durchs Fenster gesehen."
Ich nickte nur abwesend und blieb angewurzelt an Ort und Stelle stehen.
"Komm rein. Sonst sieht uns noch wer", führte er fort und sah sich kurz um, doch mir war es nicht möglich mich zu bewegen. Ich war wie angewurzelt. Ihn auf einmal aus dem Haus kommen zu sehen, hatte mich doch mehr geschockt als ich angenommen hatte.
"Dean?", hörte ich nur fern Matzes Stimme und als ich das nächste Mal bewusst aufsah, stand er schon vor mir und lächelte mich sanft an.
"Hey... Komm. Ich will dir was zeigen", hauchte er und hielt mir seine Hand entgegen.
Nach einem Moment des Zögerns griff ich nach dieser und ließ mich von ihm in die kleine Hütte ziehen.
Dort angekommen sah ich mich verblüfft um. Matze hatte den Raum scheinbar mit viel Mühe hergerichtet. Einige Bretter und Steine waren in eine Ecke getragen worden, sodass sich in der Mitte genug Platz anbot um dort gemütlich sitzen zu können. Eine große Picknickdecke war ausgebreitet mit vielen Kissen drumherum. Auf der Decke stand eine Palette, die wohl zuvor in diesem Raum gewesen sein musste. Darauf waren mehrere Köstlichkeiten ausgebreitet. Von mit Schokolade überzogenen Erdbeeren bis hin zu einer Käseplatte.
Da der kleine Raum keine funktionierende Lichtquelle bot, waren überall Kerzen verteilt, die das Ganze gemütlicher wirken ließen.
"Gefällt es dir?", fragte Matze hinter mir.
Ich konnte spüren, dass er genau hinter mir stand und sich direkt an meinem Ohr befinden würde, wenn er seinen Kopf nur etwas nach vorne lehnen würde. Ich spürte seine Wärme deutlich an meinem Rücken und wurde nervöser.
"Wie lange hast du für das alles hier gebraucht?", wollte ich wissen, doch er tat es mit einer Handbewegung ab.
"Das ist doch egal. Die Hauptsache ist, dass es dir gefällt und wir die Zeit genießen können", meinte er.
Ich drehte meinen Kopf, sodass ich über meine rechte Schulter zu ihm gucken konnte. Als er dies bemerkte, lächelte er mich sanft an und kurz darauf spürte ich, wie sich eine seiner Hände sanft an meinen Rücken legte.
"Komm. Setz dich", sagte er sanft und schob mich vorsichtig zu der Picknickdecke.
Langsam ließ ich mich mit einem sicheren Abstand zu ihm darauf nieder. So ganz traute ich der Sache noch nicht über den Weg. Er könnte damit wieder versuchen mich um den Finger zu wickeln und einzulullen, anstatt mein aufrichtiges Vertrauen erlangen zu wollen.
"Schokoerdbeere?", fragte er und hielt mir eine der Früchte entgegen.
Ich zögerte einen Moment, ehe ich sie ihm aus den Fingern zog, ohne seine dabei zu berühren und sie mir in den Mund schob.
"Du weißt schon, dass die Sache mit ein paar Schokoerdbeeren nicht getan ist, oder?", fragte ich und ließ meinen Blick überall hinwandern, aber bloß nicht zu seinen Augen.
"Ja, ich weiß. Wahrscheinlich kann nichts die ganze Sache wieder gut machen. Aber ich will, dass du weißt, dass ich dir aufrichtig vertraue und du mir wichtig bist. Deswegen hab ich das hier mitgebracht", entgegnete er mir und zog etwas zwischen den Kissen hinter sich hervor.
Als ich einen Blick darauf werfen konnte, erkannte ich, dass es sich bei dem Gegenstand um ein Fotoalbum handelte, das er nun aufschlug.
"Ich teile meine Vergangenheit und Kindheit nicht mit vielen Leuten, aber dir vertraue ich und deshalb möchte ich, dass du von meiner Vergangenheit weißt und du gleichzeitig das Gefühl bekommst, dass du mir auch vertrauen kannst", erklärte Matze weiter und begann das blaue Bilderbuch aufzuschlagen und sichtbar zwischen uns zu legen.
Auf der Seite, die sich uns offenbarte, war ein Ultraschallbild zu sehen, auf dem man die leichten Umrisse eines Babys erkennen konnte. '23. Schwangerschaftswoche' war darunter zu lesen.
"Das ist eins der Ultraschallbilder von mir im Bauch meiner Mutter", erzählte Matze und blätterte dann vorsichtig um, "und hier war ich dann auf der Welt. Im Arm meiner Mutter."
Auf dem Foto war eine Frau mit blondem Zopf und einer großen Brille zu sehen. Sie sah erschöpft aber glücklich aus, während sie auf den kleinen Wurm in ihren Armen mit liebevollen Augen hinab sah. Dieser Wurm musste wohl Matze sein. Er schien auf dem Bild friedlich zu schlafen und hatte ein weißes Mützchen auf dem Kopf.
"Mein Vater hat mich damals direkt nach meiner Geburt als Vereinsmitglied vom SC Freiburg eingeschrieben. Er hätte wohl niemals damit gerechnet, dass ich zwanzig Jahre später sogar für den Verein spielen würde... Er hat mich früh auf den Fußball gebracht. Er ist wohl mit der Grund weshalb ich überhaupt erst mit dem Fußball anfangen wollte und letztendlich den Traum hatte mal Profi zu werden. Ich hab immer zu ihm aufgesehen."
Mit einem leichten Lächeln betrachtete ich das nächste Bild, das Matze bereits aufgeschlagen hatte, auf dem er als Baby lachend im Arm seines Vaters lag, der komische Fratzen zog.
"Er sieht wie ein wirklich lebensfroher Mensch aus", äußerte ich während ich das Bild betrachtete.
"Ist er auch. Er gibt mir immer sehr viel Kraft wenn ich ein Spiel mal schlecht gespielt hab. Er hat mich seit ich vier bin wo er kann unterstützt. Ich bin ihm so dankbar, dass er so an mich geglaubt hat und auch immer noch glaubt", antwortete Matze.
"Klingt nach einem tollen Mann", entgegnete ich nur und betrachtete weiter die Bilder.
Ich kannte Matze zwar jetzt schon eine ganze Weile, doch so privat offenbart hatte er sich auch mir noch nie. Ein wenig fühlte ich mich ja sogar geehrt so einen genauen Einblick in sein Leben bekommen zu dürfen, auch wenn ich so nicht vorgegangen wäre, da er mich ja insgeheim kein Stück kannte wenn man meine zweite Identität betrachtete.
Eine ganze Weile blätterten wir durch das alte Album. Unter den zahlreichen Fotos waren auch eine ganze Menge Bilder von Matze bei Fußballturnieren und in zu großen Trikots zu sehen. Am besten jedoch gefiel mir das Bild, auf dem er breit grinste und den Strohhalm seiner Limo zwischen seine große Zahnlücke bei den vorderen Schneidezähnen gesteckt hatte.
"Das ist mein Lieblingsbild", sagte ich leise und fuhr mit dem Daumen über besagtes Bild.
"Dann nimm es dir", bot Matze an und friemelte das Foto aus seiner Glassichtfolie.
"Matze, ich kann doch nicht-"
"Doch, kannst du Dean. Ich möchte das du es hast. Damit du immer eine schöne Erinnerung an mich hast. Ich hab noch genug Kinderbilder von mir. Das eine verkrafte ich schon."
Zögerlich nahm ich das Bild entgegen und verstaute es in meiner Jackentasche.
"Danke", hauchte ich und sah nun mit einem sanften Lächeln zu Matze.
Auch dieser lächelte mich liebevoll an und einen Moment schien die Zeit still zu stehen, während wir in dem Augenblick verharrten.
"Dean...", flüsterte Matze schon fast, "du bist mir wirklich wichtig und ich möchte dir aufrichtig helfen."
In diesem Moment verschlug es mir irgendwie die Sprache. Matzes Augen waren so auf mich fixiert, er ließ mir gar keinen Raum mehr ihm zu antworten.
"Bitte... Du musst verstehen, dass ich das Angebot nie böse meinte. Es war nie mein Hintergedanke dich aus deiner Komfortzone zu ziehen. Ich dachte nur so könnte ich dich unterstützen. Ich wollte dir nie das Gefühl geben, dass du mein Sklave oder sowas sein würdest. Ich wollte doch nur helfen. Aber wenn du das nicht willst, dann akzeptiere ich das auch voll und ganz. Ich will dich zu nichts zwingen. Ich-"
An dieser Stelle unterbrach ich seine ehrliche Rede, indem ich meine Hand in sein Hemd krallte und ihn zu mir zog, um ihn dann in einem Kuss zum Schweigen zu bringen.
Die Aufrichtigkeit und das Vertrauen an mich, dass er in seine Worte gesteckt hatte, hatten mich klein beigeben lassen.
Ihm tat die ganze Sache wirklich Leid und auch ich musste langsam einsehen, dass er mir das Angebot nur unterbreitet hatte, um mir zu helfen.
Ich konnte spüren wie überrascht er zunächst war als er meine Lippen auf seinen spürte, doch im nächsten Moment gab er sich dem Kuss hin und erwiderte ihn. Dabei hielten wir das Ganze jedoch sehr zärtlich und sanft. Es war kein Kuss, der nach Verlangen strebte. Es war lediglich ein liebevoller Austausch von Vertrauen und Geborgenheit.
Und genau aus diesem Grund löste ich mich nach wenigen Sekunden wieder von ihm und lächelte ihn an.
"Ich verzeih dir", hauchte ich lächelnd.
So schnell wie sich daraufhin ein Lächeln auf Matzes Gesicht gebildet hatte, hatte ich es noch nie bei ihm erlebt.
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A Secret To Keep
FanfictionEriks Leben war noch nie leicht. Monatlange, beinahe jahrelange Verletzungen plagten ihn im Verlauf seiner Profikarriere immer wieder. Es war nicht einfach für ihn und auch die Zukunft sollte nicht besser werden. Mit einem dunklen Geheimnis versuch...