Kapitel 24

59 7 5
                                    

Mirabelle

„Es hatte neun Tage gedauert, doch Brick hatte mir gesagt, dass heute mein letzter war. Auch er war es, der mir erzählt hatte, dass ich es Carlee zu verdanken hatte, dass man mich in die größere Zelle gebracht hatte.

Zwei Soldaten stießen die Tür auf und ich ließ mich ohne Widerstand mit ihnen mitziehen.

Sie brachten mich durch das Schloss und in einen der Türme.

Als sie die Tür öffneten und mich hineinstießen blieb nur die Soldatin zurück. „Wenn du dich widersetzt, dann bringen wir dich die restliche Zeit in den engen Raum zurück." Zischte sie und ich ließ mir von den Dienerinnen das Kleid ausziehen.

Sie halfen mir in eine Badewanne und begannen meinen Körper zu waschen. Es dauerte nicht lange, da war das Wasser nur noch eine dreckige Suppe.

Als sie mir heraushalfen wickelten sie mich in Handtücher ein. Ich war überrascht, dass sie so sanft mit mir umgingen. Mit der nordischen Hexe.

Doch sie kämmten meine Haare, lösten den Faden aus meiner Wunde und überschminkten die blauen Flecken an meinem Arm.

Sie behandelten mich wie eine Prinzessin und machten mir eine ordentliche Frisur. Das Kleid, das sie mir anzogen war so fein, wie ich es nur bei Königin Amaris gesehen hatte.

Es hatte die Farbe von Norda.

Und erst als sie mir die falsche Krone aufsetzten begriff ich, warum sie all dies taten. Heute sollte nicht nur eine Verräterin hingerichtet werden, sondern auch eine feindliche Königin.

Ich konnte nicht fassen, dass so alles vorbei sein sollte.

Mirek kam und holte mich ab. Er bot mir sogar seinen Arm an. Sein Blick war erfüllt von gemischten Gefühlen.

Ich spürte wie mein Herz schlug und es schien ihm ebenfalls aufzufallen. Scheu lächelte er mir zu. Je näher wir dem Ausgang kamen, desto mehr fiel auch die Anspannung von mir ab.

Dennoch zitterten meine Hände und meine Knie fühlten sich schrecklich weich an. Das Blut rauschte durch meine Ohren und es war einfach alles viel zu unwirklich.

Aber ich wusste, dass ich nicht träumte.

„Dann ist es wohl so weit." Sagte Mirek und blieb stehen, vor uns erhob sich das abweisende Tor. Ich schluckte und nickte.

Fanfahren erklangen und die Wächter öffneten das Tor. Sie führten mich vor, doch ich wollte in den letzten Sekunden meines Lebens nicht schwach sein.

Alle Augen wurden auf mich gerichtet und ich ging einen Weg entlang, hinter mir die Soldaten und betrat die Stufen zu einer Treppe, die auf ein Podest führte.

Als ungekrönte Königin würde ich sterben, als Verräterin für Meridione und als Hoffnung für Norden.

Carlee, Nathan, Lysander, Gina, Fenn. Ich würde sie niemals wiedersehen und mir rollte eine Träne über meine Wange. Ich hatte alles Verloren. Diesmal hatte ich zu hochgespielt, Ich spürte das kalte Eisen der Krone auf meiner Stirn und mein festlich geschmücktes Kleid, welches meine Taille einschnürte.

Ricos harte Worte prasseln auf mich ein, Janeiks Geständnis und die Anschuldigungen. „Die Hexe soll sterben!" „Das Blut der Verräterin soll fließen!" und weitere Rufe unterstützen die Königsfamilie des Südens in ihrem Eifer mich hinzurichten.

Ich habe geliebt. Ich habe gelebt. Sie sollten mich niemals vergessen. Ich hatte Herzen gebrochen und sie erobert. Ich hatte die Prüfung zu einer Königin bestanden, trug die Narben meiner Feinde aus dem Norden, aus dem Süden und die der Nefarier.

Ein letztes Mal fuhr ich mit meinen Fingen über meine Lippen, wo Dorian mich sooft geküsst hatte. Durch meine silbernen Haare und wischte meine Tränen weg. Ich hätte eine Königin sein können, doch ich hatte für den Bruder meines Feindes, alles aufs Spiel gesetzt und nun war ich hier; in seinem Schloss, vor den Augen seines gesamten Volkes und kniete mich auf das bordeauxrote Kissen vor dem Steinblock.

„Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen, Hexe?" drangen nun Ricos Worte zu mir durch.

Ich schluckte, atmete durch und straffte meinen Rücken wie Amaris es immer getan hatte. Dann sah ich erst ihm und dann Janeik in die Augen, mein strahlendes Blau funkelte sie an. Als ich merkte wie viel Schmerz es Janeik bereitete, musste ich lächeln.

„Ich habe eurem Land das Herz geraubt. Niemals werden wir untergehen." Mit erhobenen Kinn drehte ich mich zu dem Volk und lächelte erhaben. „Rico wird euch den Untergang bringen, Janeiks Herz war eure einzige Hoffnung, doch das werde ich wohl mit ins Grab nehmen."

Ein Raunen ging durch die Menge. Mit diesen Worten besiegelte ich mein Schicksal und lege meinen Kopf auf den kalten Stein. All die Wunden, die Janeik mir in den letzten Tagen zugefügt hatte pulsierten auf meinem Körper und trieben meine, wohl letzte Kraft, an. Die Berührung des Henkers, als er mir meine Haare aus dem Nacken streifte war elektrisierend. Ich spürte sogar den Luftzug, als er mit dem Beil ausholte.

Meine Lieder schloss ich und atmete ein letztes Mal ein.

Ich hatte meine Stärke bewiesen und das würde mir immer bleiben."

AbluvionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt