Kapitel 19

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Mirabelle

„Janeik ritt mit glühenden Wangen voran. Er war heute Morgen bereits mit einem feurigen Optimismus aufgestanden. Die Soldaten hingen an seinen Lippen und er führte sie mit Mut in die Schlacht.

Wir blieben zusammen und kämpften Rücken an Rücken. Wir hatten für Atlantis eine einheitliche Farbe ausgesucht; Blau und Gold.

Schnell vermischte sich unsere Farbe mit dem Rot und Bronze von Nigos. Wie damals kämpfte auch ich unerbittlich mit meinem Schwert, solange, bis mein Hose mit Blut getränkt war und mein Herz brannte.

Als es plötzlich passierte und ich zu Boden gerissen wurde, war ich im ersten Moment unfähig mich zu bewegen. Im zweiten Moment hatte eine junge Frau ein Schwert in meinen Bauch gerammt und ein Lächeln, welches ich niemals vergessen werde, zog sich auf ihre Lippen.

Die Zeit schien sich zu verlangsamen und ich legte meine Hände auf die Wunde. Das Blut benetzte so unwirklich meine Finger, dass ich sie mir vor die Augen halten musste, um es zu verstehen.

Nach einer Sekunde oxidierte das Rote Blut zu schwarz. Die Schemen der Todesgöttin machten sich über mir erkennbar. Alles andere, was passierte, nahm ich nicht mehr wahr. „Milas." Flüsterte ich, doch anstatt ihrem Gesicht sah ich nun Janeiks Rotblonden Haarschopf über mir. Auch seine Wangen waren mit Blut überzogen.

Ich überlegte, ich wessen Armen ich jetzt lieber sein würde; Milas oder Janeiks. Doch ich spürte nichts. Jedenfalls nicht für die ersten Minuten, bis irgendwann das Loch in meinem Bauch zu pochen begann.

Janeiks Gefasel drang nicht zu mir durch. Irgendwann verstummte auch das Kriegsgeschrei. Ich glaubte auf meinen Wangen Hände zu spüren. Zart und warm, wie die eines Kindes.

War das jetzt mein Ende? Würde ich so sterben? Eine Träne löste sich aus meinem Auge. Ich konnte das Land nicht aufgeben. Nicht schon jetzt.

Königin Ariana und Lady Greer mit ihrem selbst ernannten Friedensfeldzug durfte Atlantis nicht gehören.

„Lass sie nicht gewinnen." Brachte ich heraus und spürte, wie sein Blick auf mir landete. Seine Hände an meinem Körper glühten und mit einem Satz setze der Schmerz ein.

Grade als er mich ablegte, hielt ich es nicht mehr aus und begann zu schreien. Jetzt konnte ich auch seine Worte endlich verstehen; „Ich werde dich nicht allein zurücklassen." Und seinen lauten Atem.

„Töte mich." Wiederholte ich und er schüttelte seinen Kopf. „Gibt deine Kraft lieber dafür, den Krieg zu gewinnen." Er nahm eine Hand von der Wunde und verpasste mir einen leichten Schlag gegen den Kopf.

Dann verfinsterte sich sein Gesichts Ausdruck und er riss das Loch in meinem Hemd weiter auf, die Kälte biss sich in meine Haut.

Seine Worte drangen in meinen Kopf und mit jedem Augenblick verging der Schmerz etwas mehr. Die Haut begann zu kribbeln und die Wunde schloss sich. Janeiks Hände wurden lockerer und ich richtete mich auf, bevor Janeik zusammenbrechen konnte, schob ich seine Hände von mir weg und fing ihn auf.

Die Watte in meinem Kopf löste sich langsam auf und Janeik stöhnte. Mit einer Hand fasste er sich an den Kopf und ich flüsterte: „Danke." „Besser, als zu sterben, was?" fragte er und gab sich Mühe belustigt zu klingen.

Ich sah mich um und erkannte sofort die alten Malereien an den Säulen und den rissigen Boden wieder.

„Wir sind wieder hier." Er nickte. „Hier haben wir uns zum ersten Mal gesehen. Und hier haben wir den Friedensvertrag geschlossen." „Und hier wäre ich fast gestorben." Meine Hand zitterte immer noch.

Ich blickte nach draußen. Die Berge waren in Nebel gehüllt und schoteten uns von dem Schlachtfeld ab. Es war wie ein Déjà-vu.

Janeik richtete sich wieder auf und strich über meine Wange. „Deine Narbe ist wieder aufgeplatzt." Ich fasste an den neuen Schnitt und strich das Blut weg.

Als Schritte ertönten zuckten wir Beide zusammen. Janeik fluchte und erhob sich zittrig. „Das Blut. Es muss eine Spur hinterlassen haben." Auch ich stand auf und wir eilten in den hinteren Teil des Tempels, wo wir durch eine Tür auf einen Balkon verschwanden. Darauf standen die Staturen von der Göttin Astaniá und des Gottes Dormetalius.

Die Schritte hallten in dem Tempel wieder und Stimmen wurden laut. Janeik horchte und flüsterte dann: „Zwei Männer und eine Frau. Feindliche Soldaten, was sie sagen, kann ich nicht genau verstehen." Schweißperlen standen auf seiner Stirn und er wischte sie trotzig weg. Die Magie hatte ihn viel Kraft gekostet.

„Was können wir tun?" flüsterte ich und er sah mich an. „Sie anzugreifen wäre sinnlos, wir haben keine Waffen und springen..." Er blickte nach unten. Der Berg auf dem unser Tempel stand, wurde von einem Fluss von den anderen abgegrenzt. Es ging unendlich in die Tiefe, bis sich dort ein reißender Fluss befand. „...tödlich." beendete ich seinen Satz und er nickte.

„Es gibt keinen anderen Weg. Hast du irgendwelche Waffen?" Ich sah an mir hinunter und zog meinen Dolch aus einem Stiefel. Er zog sein Schwert.

„Wir müssen sie Überraschen, etwas Anderes bleibt uns nicht übrig." Seine Arme zitterten, während er versuchte das Schwert hoch zu halten.

„Jetzt." Presste er hervor und ich stieß die Tür auf. Wir stürzten auf sie los und es dauerte, bis sie verstanden, was grade passierte. Unser einziger Vorteil.

Eine junge Frau mit scharlachroten Haaren hatte sich auf den Boden gekniet, dort wo meine Blutlache war. Neben ihr standen zwei Männer.

Einer von ihnen stürzte sich auf mich, der andere auf Janeik. Von der Seite hörte ich wie Klingen auf einander trafen, und ich schaffte es meinen Gegner Bewusstlos zu schlagen. Als ich mich umdrehte, kam der auf mich zu, der eben noch Janeik attackiert hatte und ich wich seinem Hieb aus.

Es war wie ein Tanz, als ich immer wieder seiner Klinge auswich und versuchte ihn mit meinem Dolch zu erwischen. Jedoch war er ein guter Kämpfer und so bedacht, dass er sich nicht von der Panik überrumpeln ließ. 

Ich schaffte es jedoch nicht mehr länger nachzudenken, da mein Bauch wieder begann zu brennen. Die Wunde war zwar zugewachsen, doch die Magie konnte auch die Schmerzen nicht verhindern, die der Körper in mein Gehirn schickte.

Denn er hatte noch nicht begriffen, dass dort bereits keine Wunde mehr war, genauso wenig wie mein Verstand.

Magie hat nämlich nichts mit dem Körper oder dem Verstand zu tun. Magie geht um die Seele und die Fantasie. Wenn man nicht sieht, was man bewirken möchte, dann ist es bloß ein Wunsch. Sobald man allerdings weiß, was es werden soll, hat man einen Zauber. Dann braucht man nur noch die Kraft es durch zu führen.

Genauso hatte ich immer alles gehandhabt. Für mich zählten nie Träume und Wünsche, für mich zählten bloß Pläne und Ergebnisse.

Doch das war der Moment, in dem mein Körper es zum ersten Mal war, der mir ein Ziel verwehrte. Die Schmerzen hemmten mich und die Angst verdrängte meine Ruhe.

Irgendwann wurde ich unvorsichtig und sah die Gefahr nicht mehr.

Damals war es eine Frage des Glücks, dass ich es schaffte meinem Gegner die Klinge über die Brust zu streifen, doch so viel Glück sollte ich nicht wiederhaben."

AbluvionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt