Kapitel 4

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Mirabelle

Die Route zurück nach Norda führte uns durch Pino und die Vagabundenlager. Fenn war die einzige Freundin, die mir übriggeblieben war und unsere Zeit zusammen war viel zu kurz. Ich wusste, dass ich nicht bleiben konnte und dass wir sie nicht mitnehmen konnten. Dafür liebte sie ihren Stamm viel zu sehr.

Aber auch um Mireks Willen konnten wir nicht zu lange dortbleiben. Unter den Vagabunden waren Alkohol und Drogen erlaubt, sie dienten ihnen sogar zu medizinischen Zwecken. Jedes Mal, wenn sie ihm etwas anboten, rang er mit seiner Verfassung.

Man konnte ihm auch ansehen, dass Janeiks Worte und sein Rückfall ihn getroffen hatten. Nach zwei Tagen in ihrem Lager, ritten wir weiter.

Mirek und ich ritten oft nebeneinander, meistens schweigend. Ich erkannte, dass er eine Person war, mit der es nicht unangenehm war zu schweigen.

„Wie hast du es damals geschafft, als du ihn verloren hast?" Fragte er mich, kurz vor der Grenze zu Norda. „Ich war abgelenkt. Erst ist er alles was zählt, dann verlierst du ihn. Doch der Schmerz hält nur solange an, bis etwas Anderes passiert. Und bei mir ist danach so viel passiert. Ich hatte kaum Zeit nachzudenken." Er nickte. „Und Wayne? Konntest du ihn so viel lieben, wie du Dorian geliebt hast?" „Nein. Das konnte ich nie. Ich werde niemals jemanden so sehr lieben, wie ich ihn geliebt habe." „Er war die Liebe deines Lebens." Flüsterte er mit rauer Stimme. „War Arthur das denn für dich?" „Er war noch mehr als das. Er war alles, was ich hatte." Ich nickte, vielleicht konnte niemand ihn so gut verstehen, wie ich es tat.

„Was ist mit Janeik?"

Das Holz unter uns begann zu knarren, als wir über die riesige Brückte ritten, die Norda mit Pino verband. „Ich weiß, dass es falsch ist, aber ich denke immer nur, dass Arthur ohne ihn nicht gestorben wäre." „Wieso?" „Weil er ihm den Befehl gegeben hat Firo mit allen Mitteln gefangen zu halten." Er schüttelte seinen Kopf.

„Aber es war nicht seine Schuld." Seine Worte gingen bei den Hufschlägen, dem Knarren und dem Rauschen des Meeres fast unter. „Es war so falsch Janeik vorzuwerfen, dass er schuld war. Obwohl die ganze Zeit nur versucht hat mich zu beschützen." Wir ritten von der Brücke runter und standen endlich wieder auf der Erde meines Landes.

Ein Knoten in mir löste sich, Mirek lächelte mich matt an.

„Du bist so stark. Ganz so, wie Carlee es immer gesagt hat." „Du kanntest sie, oder?" „Ich war ihr Schoßhündchen." Er lächelte bei dem Gedanken. „Jedenfalls hat Rozà mich immer so genannt." „Und wer war Rozà?" „Ihre Konkurrentin, wenn man das so sagen kann." Sein Blick ruhte auf meinem Gesicht.

„Sie hatte dieselbe Art zu reden, wie du." In mir wirbelte etwas auf. Cilia Rozà. Aron Gabriel. Mirabelle Noa.

„Wusstest du wo sie herkam?" Er zuckte mit den Schultern. „Aus der Gegend von Torso, soweit ich weiß." „Wie sah sie aus?" „Lange schwarze Haare, dunkle Augen und ein dunkler Teint. Typisch Meridionischen eben." „Hat sie je etwas von einem Bruder erzählt?" „Sie hat kaum mit uns geredet. Nur Gareth hat sie alles anvertraut." „Gareth?" „Derjenige, der die Revolution mit Carlee in Gang gesetzt hat." „Wie kam Rozà zu euch?" „Gareth hat sie gefunden, sie hatte schon mehrere Tage auf der Straße verbracht und ihm bei einer seiner Reden zugehört." „Wie alt war sie?" „Ich weiß es nicht. Kennst du sie etwa?" Ich schüttelte meinen Kopf. Ich konnte nicht immer paranoid werden, wenn es um die Namen meiner Verwandten ging, vor allem nur um die Zweitnamen.

„Nein. Ich hatte nur einen Verdacht, doch der ist unbegründet." Mirek nickte. „Schau, da vorne ist schon Jaobe." Ich musste mir eine Hand über die Augen halten, damit ich nicht von der Sonne geblendet werden konnte. Aber im Morgenlicht konnte ich bereits die silbernen Türme der Stadt funkeln sehen.

AbluvionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt