Kapitel 14

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Mirabelle

„Er hatte mir nicht einmal eine Nachricht hinterlassen. Und obwohl eine bittere Enttäuschung sich in mir breitmachte, konnte ich ihn mehr denn je verstehen. Doch hatte es ihn wirklich so sehr verletzt?

Aber ich musste weitermachen, nach dem plötzlichen Einfall im Westen bei Ariel war kaum noch ein General zurückgekehrt oder hatte sich gemeldet.

Man nahm an, sie seien bei einer der Explosionen verbrannt worden. Es waren alles alte Männer gewesen, die mehr zur Schau, als für den Krieg ausgebildet worden waren. Je mehr ich mich mit den Angelegenheiten der Krone beschäftigte, erkannte ich Amaris löchrige Regentschaft.

Marx jedoch war ein guter Lehrer. Er brachte mir alles bei, was er wusste und je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, schien mein Leben sich wieder etwas zu beruhigen.

Wenn ich einmal meinen Pflichten entbunden wurde, konnte ich Zuflucht in meinen Büchern finden. So blieb mir keine Zeit an Dorian, meine Familie oder Janeik zu denken.

Auch Lysander war immer bei mir. Gina war mit einem Trupp nach Darwm gezogen, da sie eine ausgebildete Heilerin war.

Jedoch merkte ich, wie sich mit jeder Woche die Spannung im Schloss verdoppelte. Sie vertrauten mir nicht. Sie hat ihren Mann vertrieben, hieß es immer wieder.

Sie ist diejenige, die unsere Kinder in den Tod schickt. Ich konnte nicht behaupten, dass diese Anschuldigungen nicht schmerzten, doch mein größeres Problem war, dass ich aufpassen musste, dass keine Intrigen gegen mich entstanden. Meine Krone war wie ein Schwert.

Ich musste lernen damit umzugehen. Üben es zu benutzen. Dabei waren kleine Schnitte und Wunden in Ordnung, doch durfte es niemals zu einem Einstich kommen. Ich durfte dieses Schwert keine Sekunde aus der Hand an Jemandem geben, dem ich nicht vertraute.

Und in der Situation, in der ich mich befand, war mein Schwert mein einziger Trost gegen eine Armee machtgieriger Adeliger.

Ich saß an meinem Schreibtisch, als ein Wache eintrat und Nathan ankündigte. Er wartete nicht auf meine Genehmigung und marschierte einfach in den Raum. Sein Haar hing ihm durchnässt im Gesicht und er trug seine Reitkleidung.

„Sie sind alle tod." Begann er und machte dabei keine Anstalten sich hinzusetzen. „Wir haben keinen einzigen General, Hauptmann oder Oberst mehr, der die Soldaten nach Trav anführen könnte." „Was ist dort? Und wo ist das?" „Es gab einen weiteren Angriff auf den Tempel. Es ist ein sehr alter, wichtiger Tempel. Unzählige Menschen pilgern immer wieder dorthin, wenn er fällt werden sie die Hoffnung verlieren." „Und du?" „Ich muss nach Jaobe weiterreiten, man braucht dort die Unterstützung." Die Feder in meiner Hand zitterte und ich ließ sie los. Nathans strahlend blauen Augen bohrten sich in meine.

Ein Tropfen rann über seine Stirn. „Dann werde ich sie anführen." Flüsterte ich mehr, als das ich es sagte.

Ich erhob mich und die Wache trat einen Schritt auf mich zu. „Meine Königin, es ist eine strickte Anordnung von König Wayne, dass ihr..." Ein Blick von mir und er war Still.

„Macht mein Rentier fertig und bereitet die Soldaten vor, wir werden in einer Stunde aufbrechen." Ich warf mein Haar zurück und kam hinter meinem Schreibtisch hervor. Die Wache verschwand und ich trat zu Nathan.

„Ich bin froh, dass du noch lebst." Flüsterte ich und verließ das Zimmer.

Ich zog mir eine der Uniformen an, welche in meinem Schrank hingen und band meine Haare zu einem Zopf. Die Schwere Krone tauschte ich in ein kleines Diadem, welches nicht zu auffällig immer noch meine Macht demonstrierte.

Auch mein Rentier trug das Silber und Blau Nordas, geschmückt mit einer einzigen, metallenen Blume.

Ich lächelte zu Lysander, welcher mich von dem Balkon aus beobachtete. Komm zurück. Baten seine Augen und ich nickte.

Ich löste mich von seinem Blick und sah auf die Soldaten. Manche von ihnen waren kaum älter als ich. Das schnelle schlagen meines Herzens war das einzige, was meine Angst verraten konnte. Mit meiner Körperhaltung versuchte ich Ruhe und Zuversichtlichkeit auszuströmen. Ob es mir gelang war eine andere Sache.

Ein Schwert hing an meiner Hüfte und ich betete, dass ich es nicht benutzen musste. Bleib ruhig. War das einzige, mit dem ich mich selbst zu ruhe zwang.

Ich wünschte mir nichts sehnlicher als jemanden an meiner Seite, der zumindest ein Teil der Aufmerksamkeit und Verantwortung von mir abnehmen konnte.

Ich schwang mich auf und ritt voran. Von Fanfahren begleitet verließen wir das Schloss und ritten einen ganzen Tag zum südlichen Meer, an dem die kleine Stadt lag.

Als ich die Lager des Feindes schon von weitem erkannte begannen meine Finger zu stark zu zittern, dass ich meine Zügel kaum noch halten konnte.

Die Angst hatte sich in meinem Herz verfangen. Wie sollte ich das schaffen? Eine Armee anführen? Ohne jegliches Wissen und Kenntnisse.

Ich versuchte meinem Kopf zu verbieten an Dorian zu denken. An die Soldaten und die mögliche Gefangennahme, die mir bevorstand.

Je näher wir der Stadt, welche eher einem Dorf glich, kamen, desto mehr wurde mir der Ernst der Lage bewusst. Das hier war ein Krieg. Ein Gemetzel. Es war nicht mal sicher ob ich den heutigen Tag überleben würde.

Doch ich schaffte es, dass die Soldaten mir bis zu dem Tempel folgten, welcher von den feindlichen Soldaten besetzt worden war.

Ich war noch nie zuvor in einer Schlacht oder etwas ansetzweise Ähnlichem gewesen, doch es war eines der schlimmsten Dinge, die ich je miterleben musste.

Zu sehen, wie sich die Soldaten, von welchem Land auch immer, gegenseitig kaltblütig erstachen, erschossen, solange, bis Blut die Wiesen tränkte. Wie sie den Ort besudelten, an dem alle Völker eigentlich dazu verpflichtet waren ihren Göttern den Frieden und die Treue zu schwören.

Doch merkte ich auch, dass sich alles verlangsamte; wie man alles schärfer wahrnahm und auf einmal hatte jede Übung mit dem Schwert seinen Sinn.

Zum Glück waren die Gesichter der Menschen unter Helmen verdeckt, sodass ich nicht sehen konnte, wie sich mich ansahen, wenn ich mein Schwert in ihre Rippen rammte.

Nach einiger Zeit brannte meine Kehle, so viel hatte ich geschrien und meine Wangen waren mit Tränen benetzt.

Als wir am nächsten Tag mit der Morgendämmerung zurück ritten waren meine Hände, mein Rentier, mein Gesicht und mein Kleid mit Blut besudelt.
Dennoch versuchte ich meinen Rücken grade und meinen Blick gebieterisch zu halten. Und der Stolz, der in den Augen meiner Soldaten stand, schien allem, was ich getan hatte, auf eine grausame Art und Weise Recht zu geben.

Mitten auf dem Weg wurden wir von einem Boten abgefangen.

„Meine Königin." Er legte eine Hand auf sein Herz und neigte sein Haupt, so wie es bei uns üblich war. „König Wayne hat euch eine Nachricht zukommen lassen, nachdem er erfahren hat, dass ihr selbst in die Schlacht geritten seid." Wut brandete in mir auf, er konnte mir nicht verbieten irgendetwas zu tun! Vor allem nicht, nachdem er es war, der mir geschworen hatte, dass er mir all meine Freiheiten lassen würde.

Ich nahm den Brief eine Spur zu grob an und riss das Siegel auf. Doch hingegen meiner Erwartungen wies er mich nicht zurecht, sondern dankte mir. Er schrieb, dass er meinen Mut bewunderte und dass es ihm leidtat einfach gegangen zu sein. Deswegen sollte ich zu ihm kommen, um mit ihm gemeinsam in die Schlachten reiten zu können.

Es fiel mir schwer mir vorzustellen, dass er sich einfach so entschuldigte, doch ich ritt auf direktem Weg zu ihm."

AbluvionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt