Kapitel 14

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Janeik

„Ein ganzer Mond war an mir vorbeigezogen, ohne dass ich es gemerkt hatte. Ob sich so wohl auch mein Vater gefühlt hatte, als der Wahnsinn bei ihm überhandgenommen hatte?

All die Gefühle hatten sich in mir aufgestaut, es war, als könnte ich plötzlich nicht mehr sprechen.

Die ersten Tage, an denen mir die Heilerin ihre Kräutertinkturen gegeben hatte und mir ihre merkwürdigen Worte ins Ohr geflüstert hat, waren wie die Hölle für mich gewesen. Als würde ich durch eine Höhle laufen, ohne jemals einen Ausgang zu finden. Die Welt war wie abgegrenzt für mich, Tage waren verstrichen. Ich hatte mich nur auf meinen Schmerz konzentriert und Mira ganz allein gelassen.

Mir war längst aufgefallen, seit ich wieder halbwegs klar denken konnte, das etwas vorging, auch wenn sie versuchten mich davon fernzuhalten. Mira hatte mich seitdem nicht besucht, ich wusste nicht mal, ob sie immer noch in Cylnie, geschweige denn in Norda war.

Ich blickte zu der alten Frau auf, die irgendetwas zu mir gesagt hatte. Ich hatte nicht mehr gesprochen, seit... ich wusste es nicht mehr. 

Es hatte sich ein Kloß in meinem Hals gebildet, der immer größer wurde. „Wo ist Mira?" fragte ich mit belegter Stimme. Ihr Blick war überrascht und erfreut zugleich.

„Sie ist im Schloss, Janeik. Falls ihr mit Ihr reden möchtet, dann kann ich sie holen." Langsam schüttelte ich meinen Kopf. Er fühlte sich so leer an und dennoch ließ ich ungewollt alle Gefühle überdeutlich zu.

„Ich muss ihr helfen." Sie nickte ruhig und sah mich direkt an. „Aber fühlt ihr euch dazu bereit?" „So eine Frage hat mir noch nie jemand gestellt." „Habt ihr euch das selbst nie gefragt?" Stumm schüttelte ich meinen Kopf.

„Aber ich habe keine andere Wahl." „Man hat immer eine Wahl." „Aber alles hat seinen Preis. Ich muss ihr helfen." Ich erhob mich und fuhr mir durch mein Haar, welches inzwischen viel zu lang geworden war.

Ohne ein weiteres Wort verließ ich den Raum und trat auf den Flur. Noch nie war es mir so schwer gefallen in die Gesichter der Menschen zu blicken, die mir entgegenkamen.

Es waren nur noch wenige Schritte, bis zu meinem Zimmer. Aushalten.

Als ich endlich an die Tür kam riss ich sie schnell auf und verschwand atemlos im Raum.

Es brauchte eine Weile, bis ich wieder weitermachen konnte.

Also wusch, rasierte und zog ich mich an. Ich rief mir all die Worte, die die Heilerin gesagt hatte wieder in den Kopf und trat wieder auf den Flur.

Lass alle Gefühle und Gedanken zu. Vielleicht hatte mich das all meine Kraft gekostet. Doch ich gab mein bestes wieder wie der König auszusehen, den sie kannten. Und je weiter ich kam, desto ehrfürchtiger wurden ihre Blicke wieder.

Bei dem Beratungsraum stieß ich die Türen schwungvoll auf, sodass sich alle Blicke auf mich richteten. Ein warmes Prickeln erfüllte mein Inneres.

Mira war die Letzte, die sich zu mir umdrehte. Ein Lächeln, welches ich nicht zuordnen konnte, legte sich auf ihre Lippen. Ich ließ meinen Blick auf den Plan hinter ihr wandern.

„Was ist passiert?" Fragte ich mit lauter Stimme und General Yoasch trat vor.

„Mein König, unsere Insel wird von fremden Schiffen belagert. Sie kommen von einem anderen Land." Ich schluckte, doch versuchte nichts gegen die Nervosität zu tun, die in mir hinaufkletterte.

„Wie viele sind es?" „Sie ankern von Koso bis Penrin. Die Bewohner in Nytar und Ariel haben wir schon ins Innere des Landes bringen lassen. Unsere Truppen sind nun dort. Und außerdem..." er warf einen Blick zu Mira, dem ich folgte. Sie schüttelte unmerklich ihren Kopf. Der General räusperte sich. „Es sind bereits Truppen nach Jaobe unterwegs." „Was ist sonst noch passiert?" Wieder ein Blick. Ich sah Mira an. „Ich will wissen, was sonst noch passiert ist!" Nach kurzem Zögern blickte sie auf den Boden.

„Firo hatte recht, es breitet sich eine Krankheit aus, wie..." Sie verstummte und ich beendete ihren Satz. „Wie die bei Arwen. Habt ihr schon die anderen Herrscher benachrichtigt?" „Sie werden heute Abend hier ankommen." „Was habt ihr mit den Kranken gemacht?" „Wir haben versucht sie von den Gesunden zu trennen und sie in eine Quarantäne Station zu bringen. Bisher sind es noch nicht Viele, doch es werden mit jedem Tag mehr. Sie weigern sich nicht, wenn wir sie wegbringen lassen." „Wir werden sehen, bis wann es die ersten Aufstände gibt." Ich drehte mich wieder zu den anderen Personen in Saal um.

„Was habt ihr sonst noch in meiner Abwesenheit besprochen?" Marx trat vor und wies auf einen Stapel Blätter.

Doch bevor er etwas sagen konnte, wurde die Tür geöffnet. Ich drehte mich, wie alle anderen, um und erkannte Nathan.

Er musterte mich erstaunt und sah dann hinter mich. „Königin Mirabelle. Ich muss mit euch sprechen. Allein."

Es dauerte eine Weile, bis die Anwesenden den Raum verließen, doch ich machte keine Anstalten mich zu bewegen. Unschlüssig sah Nathan zwischen mir und Mira hin und her. „Worum geht es?" raunte sie und die Beiden wechselten einen tiefen Blick.

„Um zwei Angelegenheiten." Er zog die Augenbrauen hoch. Die Unwissenheit machte mich ganz nervös. „Könnt ihr mich bitte aufklären?" fragte ich eine Spur zu scharf und Miras Blick landete auf mir.

Sie biss sich auf die Lippe. „Nathan." Murmelte sie, ohne von mir weg zu sehen. „Erzähl uns von der ersten Angelegenheit." „Es geht um Jaobe und Nytar. Die Bewohner wurden erfolgreich ins Innere des Landes gebracht, doch die ersten Truppen von ihnen haben auch das Land betreten." Sie schluckte und begann im Raum auf und ab zu gehen.

„Und die zweite?" fragte ich kühl und Mira blickte wieder auf. Zögerlich öffnete Nathan seinen Mund, doch schloss ihn schnell wieder.

„Der Baron von Nytar ist vorgestern verstorben." Sein Blick traf sie so sehr, dass sie sich an einer Stuhllehne festhalten musste.

Verwirrt sah ich sie an. „Würdet ihr so freundlich sein und mich bitte aufklären? Und wo, verdammt nochmal, sind Mirek und Lysander?" „Mirek ist bei den Magiern. Und Lysander musste abreisen." Sie schluckte. „Wie lange ist er denn schon weg?" fragte nun Nathan.

Mit zusammengepressten Lippen starrte sie auf den Boden. „Seit fast zwei Wochen." „Wohin wollte er?" „Sie haben Nala genommen." Eine Falte bildete sich auf Nathans Stirn.

„Ich werde einen Trupp zusammenstellen, um die Beiden suchen zu lassen." Sagte er mit fester Stimme und ging, ohne auf eine Antwort zu warten.

Für eine Weile legte sich die Stille, wie ein Tuch, über den Raum. Keiner von uns machte Anstalten die Anderen wieder reinzuholen.

Nach einer kleinen Ewigkeit sah sie wieder auf. „Wir müssen die Menschen aus Norda nach Meridione bringen. Falls sie noch tiefer in das Land einfallen, können sie das Volk nicht verletzen." „Und wenn sie auch noch von der anderen Seite angreifen?" Still schüttelte sie ihren Kopf.

„Dort sind bereits unsere Flotten. Wir haben auch Nefaria umstellt, dass sie keine Schiffe mehr austauschen können. Wenn wir es schaffen ein Abkommen mit Oves und Pino zu schaffen, dann sind wir vielleicht im Vorteil." „Ihr Militär ist nur halb so stark wie unseres." „Ich rede hierbei auch von Waffen, Janeik. Und von Magie." „Oves ist an der Spitze, was moderne Verteidigung angeht und Pino mit Magie, Alchemie und... dunkler Magie." „Das Volk und die Soldaten würden dunkle Magie nicht gutheißen. Allein schon der Götter wegen." „Und was, wenn es das einzige ist, was und bleibt?" „Wir werden sehen." „Ihre Waffen sind so weit entwickelt, dass es vielleicht das einzige sein wird, was dagegen ankommt." „Woher weißt du das? Haben die... hat der Spion gesprochen?" Sie nickte.

„Allerdings nicht in einem Verhör. Er ist auch nicht mehr im Gefängnis, ich habe ihm ein Zimmer gegeben, welches allerdings rund um die Uhr bewacht ist. Deswegen kann ich auch ihre Sprache." Überrascht blinzelte ich.

„Das ist fantastisch!" Sie nickte. „Vielleicht schaffen wir es so auch, dass wir mit ihnen Verhandeln können." Ich nickte.

„Ich werde wieder zum Militär gehen. Ich denke, dass es die Soldaten bestärken wird, wenn sie von ihrem König angeführt werden." Diesmal nickte sie.

„Und wie geht es dir?" fragte sie eine Spur leiser. „Besser. Danke. Für alles." „Wenn du Reden willst, dann bin ich da." Ich verzog meine Lippen zu einem Lächeln. „Danke."

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