Kapitel 20

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Janeik

„Die junge Frau erhob sich katzengleich und ich erkannte aus dem Augenwinkel, dass Miras Gegner zu Boden ging. Der Mann ließ von mir ab und drehte sich zu ihr um. Bevor ich ihn aufhalten konnte, sah ich bereits, wie die Frau mit dem Schwert ausholte.

Nur knapp konnte ich entweichen. Doch meine Hände waren zu feucht und meine Arme zitterten so sehr, dass mir das Schwert aus der Hand rutschte.

Ich versuchte zittrig zu Luft zu kommen, doch mein ganzer Körper fühlte sich aus ausgelaugt an, dass ich zusammenbrach.

Sie holte aus und ihr Haar leuchtete in der Sonne wie ein Feuer. So wie früher. Schoss es mir durch den Kopf und ich blinzelte gegen das Licht.

„Marlena." Die Klinge hielt kurz vor meinem Gesicht inne. „Janeik?" Ich hielt mir eine Hand vor die Augen, um sie sehen zu können. Sie ließ ihr Schwert sinken und musterte mich.

Ihr Gesicht war immer noch wie früher, ihre Lippen dieselben wie meine. „Marlena?" fragte ich noch einmal und sie starrte mich an.

Nach einiger Zeit blinzelte sie perplex und murmelte in atlantianisch: „Eigentlich heiße ich jetzt Marla, aber das ist ja jetzt nicht so wichtig. Du bist der König? Aber wie..." Sie schüttelte ihren Kopf. „Wieso lebst du noch?" Unterbrach ich sie. Marla verzog ihren Mund zu einem schmalen Lächeln. „Tja. Anstatt zu kentern, habe ich eben das andere Land erreicht. Der Plan der Nefaria ging wohl nicht auf." Sie hielt mir ihre Hand hin und ich ergriff sie.

Erstaunlich kraftvoll zog sie mich auf die Beine. Sie war ein Stück kleiner als ich und sah mich aus funkelnden Augen an. Meine kleine Halbschwester. Oder war sie jetzt auch immer für mich war.

„Du und die alte Frau aus dem Dorf waren damals die einzigen, die versucht haben mich zu retten." Wisperte sie und berührte zögerlich meine Schulter. Als ob sie herausfinden müsste, ob ich wirklich existierte.

„Und jetzt kämpfst du gegen uns?" „Rico hat mich damals weggeschickt. Die Nefaria wollten mich verbrennen. Obwohl ich unschuldig war." „Hast du ihnen verraten, dass auf dem Meer noch ein Kontinent war?" Dieselbe, ertappte Röte schlich sich auf ihre Wangen und ihren Hals, wie es bei mir auch immer war.

„Du lebst." Wiederholte ich und musste lächeln, sie sah zu mir auf und nickte. „Du lebst, Marla. Und das ist grade alles für mich, was zählt." Sie lächelte und ich zog sie in meine Arme. Sie schluchzte auf.

„Ich wollte dir nicht wehtun. Ich wollte bloß... Rache." Sie trat zurück und wir hörten, wie jemand zu Boden ging.

Marla drehte sich um und ich sah, wie Mira vor dem Mann zurückwich, der sich auf dem Boden wälzte. Dann sah sie zu uns auf.

Marla stürzte zu ihm und schien sich erst jetzt wieder bewusst zu werden, dass wir bis eben noch miteinander gekämpft hatten. „Hey, Fox." Flüsterte sie und bettete seinen Kopf auf ihre Oberschenkel. Mira sah zwischen uns hin und her.

Sie machte noch einen Schritt zurück und wartete, bis ich sagte: „Mira, wenn ich dir vorstellen darf; das ist Marla. Meine Halbschwester. Marla, das ist Mirabelle, die Königin von Norda und meine Frau." Beide sahen sich fassungslos an.

Marla war die erste, die wieder Worte fand. „Ihr seid verheiratet?" „Schwierige Geschichte." Flüsterte Mira und zog ihre Augenbrauen zusammen. „Und sie ist deine Halbschwester? Aber wie...?" Sie atmete scharf ein.

„Das verurteilte Mädchen aus Geltea. Wie habe ich es bloß geschafft deine Haare nicht wiederzuerkennen?" „Woher kennst du mich denn jetzt wieder?" „Meine Großmutter hat damals dafür gesorgt, dass sie dich nicht verbrennen." Marla starrte sie an.

„Du kommst aus Nefaria?" Ihre Augen weiteten sich noch ein Stück. „Du bist Mirabelle. Die Königin. Lysanders Freundin." Mira kam zu uns und ließ sich auf den Boden sinken. Ihr Oberteil war zerfetzt und Blutgetränkt und ihre Augen leuchteten.

„Lebt Lysander?" Marla sah kurz zu mir und schluckte dann. „Er... sie haben seine Frau die Klippe hinuntergestürzt und er... ist ihr hinterher gesprungen." „Dann hat er keine Informationen verraten." Flüsterte Mira hoffnungsvoll und Marla biss die Zähne zusammen.

„Sie sagten sie würden seine Frau verschonen und sie gehen lassen, wenn er ihnen Fragen beantworte. Er tat es und nachdem sie alles wussten... ließen sie sie fallen. Er hat aus Verzweiflung heraus gehandelt." „Wer?" Marlas Griff um Fox Hemd wurde fester.

„Königin Ariana, König Kael, Lady Greer, Offizier Arik und ihre Soldaten." Etwas in Miras Augen brach. Selbst Marla schien das zu sehen.

Mira blickte auf Fox hinunter. „Es tut mir leid. Aber wenn ihr seine Wunde richtig versorgt, wird er es schaffen." Wisperte sie und machte mit zittrigen Fingern einen kleinen Beutel von ihrem Gürtel ab.

Marla nahm ihn an und wir blickten zu dem anderen Mann, der sich erhob. Eine Hand hatte er an seinen blutenden Schädel gepresst.

Er stellte Marla auf seiner Sprache eine Frage und sie antwortete. Er kam zu uns und kniete sich ebenfalls neben Fox. Kritisch betrachtete er erst die Wunde und dann die Kräuter.

Mira stand auf und stolperte ein paar Schritte zurück. Ich war mit wenigen Schritten bei ihr und hielt sie fest.

Marla sah zu uns auf. Auch sie stand auf und kam zu mir. Sie stellte sich auf Zehenspitzen und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Auf Wiedersehen, Brüderchen." Ich lächelte und strich ihr mit meiner freien Hand eine Feuerrote Strähne hinters Ohr.

Mira versteifte sich und trat einen Schritt von mir weg. „Wir müssen gehen." Sagte sie und ich nickte. Zusammen schritten wir zu der Treppe, die wieder in das Tal führte.

„Ich werde nicht zulassen, dass sie euch umbringen." Rief Marla uns hinterher. „Aber sie werden auf euch warten. Also passt auf."

Zusammen mit Mira schritt ich die Treppe hinunter. Wir kamen auf den Pfad, der erst durch die Berge und dann zurück auf das Schlachtfeld führte, doch, obwohl wir näherkamen, konnten wir keine Schreie mehr hören.

Ich blieb stehen und sah mich um. Sekundenschnell begriff ich, was gesehen war, als ich einen Haarschopf hinter einem Felsen verschwinden sah. Noch im nächsten Augenblick wurde etwas nach uns geworfen und riss Mira hinter den nächsten Felsen.

Noch in der nächsten Sekunde explodierte der Felsen mit einem gewaltigen Knall.

Einige Teile landeten neben mir und ich riss so abrupt meinen Kopf um, dass meine Lippe aufriss. Ein warmes Rinnsal bedeckte mein Kinn und ich musste wegen des Staubs husten.

Es dauerte eine Weile, bis der Rauch verflog und ich Mira neben mir entdeckte. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Langsam, mit klopfendem Herzen drehte ich meinen Kopf.

Wir waren umkreist von Soldaten. Alle mit dunklen Rüstungen und beunruhigenden Waffen. Sie teilten sich und bildeten einen Weg, den zwei Pferde entlang ritten. Die wilden Haare erkannte ich bereits von hier, genauso wie den mürrischen Gesichtsausdruck des anderen Reiters. Mira erhob sich, ihre Wangen waren gerötet und mit Asche überzogen, sie hatte eine Wunde an ihrer Schläfe und ihr Atem ging schnell.

Sie sah zu mir und half mir auf, ihre Augen funkelten und ich musste sie zurückhalten, um die Lady nicht anzuspringen. „Das Königspaar. Wir haben euch vermisst." Begann Lady Greer.

Ihr Knie berührte das von Wolf, eine merkwürdig zarte Geste zwischen all dem Chaos. Miras Puls, den ich an ihrem Handgelenk spüren konnte, ging viel zu schnell.

Lady Greer stieg von ihrem Pferd ab."

AbluvionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt