Kapitel 17

36 4 16
                                    

Mirabelle

„Wie viel Nevis doch wegen mir mitmachte. Ein schwacher Blitz des Schuldgefühls durchzuckte mein Herz, doch ich konnte mir nicht leisten, mir darum Sorgen zu machen.

„Wir werden ihn finden." Flüsterte ich immer wieder. Jeder Schritt hatte nur noch diesen einen Sinn; ihn nicht auch noch zu verlieren.

Janeiks Worte hatten meine Augen geöffnet. Ich konnte nicht einfach rumstehen und warten, bis irgendjemand ihn fand. Wenn ich etwas wollte, dann musste ich mich selbst darum kümmern. Das hatte ich schon früh begriffen.

Also begann ich alle Küsten, Berge, Dörfer, Höhlen und Plätze abzulaufen, dort, wo er am ehesten sein konnte. Oder an denen es am ehesten ein Zeichen von ihm geben konnte. Endlich erreichten wir die Spitze des Bergs und ein kalter Schauer überlief mich.

Ich sah mich um, die Gegend und die anderen Berge waren genauso verlassen, wie alles andere. Kein Zeichen. Tränen begannen in meinen Augen zu brennen und ich sah mich ein zweites Mal um.

„Seid ihr sicher, dass eure Soldaten hier noch nicht waren?" Ich presste meine Lippen zusammen und versuchte mich zu beruhigen. Als ich endlich genug Kraft hatte, drehte ich mich wieder zu Nevis um. „Besser doppelt, als wenn man einen Platz vergisst." Er nickte, schien jedoch nicht sonderlich überzeugt zu sein.

Wir schreckten beide zusammen, als wir plötzlich Schritte hörten. Nevis stellte sich schützend vor mich und ich zog meinen Dolch hervor. Wir beide warteten gespannt, bis die Person endlich vor Nevis auftauchte. Ich konnte hinter ihm nichts erkennen, doch plötzlich trat er zur Seite.

Es war Nathan. Erleichtert atmete ich aus und drehte mich von ihm weg um ein letztes Mal das Gebirge zu überblicken. Immer noch nichts.

„Was, bei allen Göttern, tust du hier, Mira?" Er sah mich entgeistert an. „Ich suche Lysander." Antwortete ich, ohne ihn anzusehen.

Nach einiger Zeit ging ich neben den Beiden auf den Weg, der wieder zurück ins Tal führte.

„Mirabelle!" rief Nathan mir hinterher. Er kam auf mich zu und Nevis trat ein Stück zurück.

„Du hast ein Land, welches du verteidigen musst, weißt du das noch? Eine Verhandlung und einen König, den du nicht einfach zurücklassen kannst!" Ich schüttelte meinen Kopf.

„Mach dir keine Sorgen. Ich weiß über alles Bescheid." Er schüttelte seinen Kopf. Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn.

„Wüsstest du wirklich alles, dann würdest du jetzt nicht hier deine Zeit verschwenden. Wärst du bei der Sache, dann wüsstest du wie schlecht es um Nytar steht und wie dringend sie dich brauchen! Du wüsstest, dass sie es geschafft haben Königin Pioni zu entführen!" Wut übertünchte die Sorge und Angst.

Ich schloss meine Augen für ein paar Sekunden und sah schließlich zu ihm auf. „Ich werde nicht die einzige Person aufgeben und zurücklassen, die mich noch liebt." „Mira." Er schüttelte verständnislos seinen Kopf und seine Haare fielen dabei in seine Augen. Er strich sie zur Seite und seine eisblauen Augen trafen mich.

„Ich liebe dich. Genauso sehr, wie er es tat." „Das tust du nicht." Flüsterte ich trocken. „Du hast es nur auf meine Macht abgesehen."

Er zog seine Augenbrauen zusammen, presste seine Zähne aufeinander. „Ich weiß nicht, was ich getan habe, dass du das denkst." „Du hast nichts getan. Das bist einfach du." Er schluckte.

Dann schüttelte er seinen Kopf.

„Wie auch immer. Komm zurück. Sei nicht so dumm." „Nein. Ich werde ihn nicht einfach aufgeben!" Ich drehte mich von ihm weg, um den Weg hinunter zu gehen.

AbluvionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt