Kapitel 9

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Janeik

„Ich war froh, dass Gareth, Carlee und selbst Rozà nicht verrieten, wer ich war. Es war erfrischend von den anderen Leuten, wie einer von ihnen behandelt zu werden.

Unschöner war jedoch das Leid, welches ich nun zu sehen bekam. Die Menschen, welche in halb eingestürzten Gebäuden wohnten. Die mit Fäkalien verdrehten Seitengassen, in denen selbst Kinder alles mit sich machen ließen, nur um an Geld zu kommen.

Doch die Massengräber waren das schlimmste. Man konnte sie nicht mal als Gräber bezeichnen. Es waren Gruben, in denen die Menschen hineingeworfen wurden, übereinander ohne jeglichen Grabstein. Der Geruch zog in die Dörfer und Kleinstädte, doch die Menschen schienen sich daran gewöhnt zu haben.

Als ich husten musste, als ich zum ersten Mal den Geruch einatmete, lachten Gareth und Carlee mich aus. Rozà murmelte irgendetwas vor sich hin und die Fremden blickten mich nur verwirrt an.

Egal, was mir machen, ich musste mich stätig auf das Schlimmste vorbereiten, da sie mich nie vorwarnten. Mich erschütterten Dinge, die für sie wie Alltag schienen.

Ich fühlte mich auf einmal so nackt und dreckig, wie noch nie in meinem Leben. Die Schuldgefühle lagen wie Gebirge auf meinen Schultern. Es war mir peinlich, mir selbst eingestehen zu müssen, dass ich manchmal in der Nacht weinte.

Ich half so viel und wo ich konnte, doch es reichte um Weiten nicht. Es war klar, dass ich erst wirklich helfen konnte, wenn ich auf dem Thron saß. Also ließ ich fürs erste Geld schicken, um die Dörfer wiederaufzubauen und das nötige Essen zu beschaffen. Jedoch nicht so viel, dass mein Vater etwas merken würde.

Die Revolution hatte sich wie eine Made durch das gesamte Volk gefressen und Gareths und Carlee's Stolz, war unverkennbar.

Rozà war erst später zu ihnen gestoßen. Sie kam von der Küste Meridiones und hatte dem Baron von Vanwaden gedient, bis sie heimlich einer von Gareths Reden zugehört hatte.

Schon nach einem Tag fiel mir ihre Ehrfurcht vor ihm auf. Doch manchmal konnte ich auch etwas Anderes in ihren Augen erkennen; ob es Liebe oder Respekt war, konnte ich nicht unterscheiden.

Für mich hatte sie jedoch nur Abscheu übrig. Sie ließ es sich nicht nehmen, alles was ich tat und sagte, zu kommentieren. Wenn ich mit ihr redete strahlte sie eine Kälte wie Mirabelle aus. Auch wenn Carlee mich verteidigte. Erst als Gareth nach einer Zeit dazwischen ging, hörte sie auf. Nur ihr Blicke waren geblieben.

Auch zwischen Rozà und Carlee gab es Spannungen. Zusammen konnten die Beiden jedenfalls nicht lange in einem Raum bleiben. Mir brannten Fragen auf der Zunge, bis ich schließlich neben Carlee ritt.

„Was ist da eigentlich zwischen dir und Rozà?" Sie warf mir einen kurzen Blick zu und zog ihre Augenbrauen hoch.

„Nichts." Sagte sie kurz angebunden, doch ich ließ nicht locker. „Was ist passiert?" Ihr Unterkiefer bebte, dann sah sie mich an.

„Gareth und du seid passiert." Mein Herz sackte in meine Knie. Carlee schüttelte ihren Kopf und einige Strähnen lösten sich aus ihrem hellen Haar.

„Als Gareth und ich uns zum ersten Mal getroffen und geredet haben war eine Sache klar; wenn wir vorher nicht sterben würden, dann würde ich eines Tages dieses Land regieren. Gareth war nie der Typ, der die Aufmerksamkeit brauchte." „Du schon?" Kurz blickte sie mich wütend an, ignorierte dann aber den Kommentar und sprach weiter.

„Doch dann kam sie." „Und?" „Dieses kleine Biest hat begonnen Gareth davon zu überzeugen, dass sie die Regentschaft übernehmen sollte." „Und was habe ich damit zu tun?" „Er war erst davon überzeugt, als ich dich begann einzuweihen. Sie meinten ich sei verrückt, dumm, leichtgläubig. Es hat es Rozà einfach gemacht die Leute für sich zu überzeugen." Ein schaler Geschmack bildete sich in meinem Mund. Zu dem Gebirge auf meinen Schultern gesellte sich ein neuer Berg.

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