Kapitel 20

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Janeik

„Das Grab meines Vaters wurde neben dem meiner Mutter errichtet. Doch im Gegensatz zu ihrem hatte es nichts mehr von dem Protz und Gold, der aller Tradition nach einem König gebühren sollte.

Das Grab war einfach, aus grobem Fels gehauen. Mit einem einzigen Schriftzug; König Rico, der Blutdurstige.

Das Volk wollte es so, nach Carlee's und Gareths Tod konnte ich nicht mehr riskieren. Und obwohl ich meinen Vater mein ganzes Leben gehasst hatte, schmerzte es mich diesen Grabstein anzusehen. Seine Worte, die er gesagt hatte. Sein Blick, es hatte so echt gewirkt. Aber ich hatte schon viel zu oft meinem Herzen vertraut. Er hatte mich mein ganzes Leben lang gedemütigt, geschlagen und unterdrückt. Er hatte meine Mutter ermordet.

Und das war das einzige was zählte. Nicht irgendwelche Worte, die er im Sterben gefaselt hatte.

„Ich schwöre euch, bei meinem Leben. Ich werde es besser machen. Mein Vater hat mir immer gesagt, dass er nicht mein Vater, sondern ein König ist. Und das ist die Art, wie ich nun mit ihm umgehe; nicht wie ein Sohn, sondern wie der Führer einer neuen Ära. Ich werde mit euch eine neue Zeit begründen." Ich trat vor und legte das Schwert meines Vaters, welches man mit Schweineblut getränkt hatte, auf sein Grab. Auf dem Grab meiner Mutter lagen Rosen.

Hinter mir hörte ich das Volk johlen, doch es fiel mir schwer mich umzudrehen. Ich konnte meinen Blick nicht von seinem Grabstein lösen.

Seine Worte hallten in meinem Kopf. Ich werde mich nicht von meiner Macht, nur wegen meines Herzens, zu Fall bringen lassen. Mein Volk soll mich Respektieren. Ich hatte seine größte Angst wahr werden lassen

Ich würde jeden Rebellen töten, auch wenn es mein eigenes Kind wäre. Eine Stimme erklang in mir: „Du weißt, dass er das niemals getan hätte."

Es war zu viel, zu viele Lügen. Nimm dich zusammen.

Es wurde eine prächtige Feier veranstaltet. Da war keine Trauer um meine Eltern, nur der Jubel um den toten Tyrannen. Ein Fest ganz in Rot.

Man ließ Ricos Todestag als Jahrestag erklären, der Tag, an dem eine blutige Herrschaft beendet wurde. Vielleicht glaubten sie auch daran, dass ich ihn umgebracht hätte.

Es waren alle willkommen, das Fest war keines, welches nur im Schloss gefeiert wurde, es fand in ganz Gwendorith statt. Überall brannte Feuer, erklang Musik und wurde Wallgir verteilt. Mir war klar, dass ich meine Gefühle nicht im Alkohol ertränken durfte und dennoch tat ich es.

Zusammen mit all den Bauern, Arbeitern, Magiern und den vereinzelten Adeligen betrank ich mich, bis ich alle Erinnerungen verlor und nur noch in der heißen, vernebelten Welt gefangen war.

Das Fest zog sich drei Tage lang und ich hatte die gesamte Zeit Brick, Arthur und Mirek an meiner Seite. Meistens waren wir mindestens angetrunken, nur Mirek nicht. Er verachtete die Trinker und zog sich oft zu den Künstlern zurück.

Es wurde nicht nur meine Krönung und Ricos Tod gefeiert, sondern auch das Ende des Krieges. Wobei es mehr um die ersparten Leben, als um den Frieden mit Norda ging.

Erst, als Mira am letzten Tag anreiste, damit wir zusammen eine Statue von Carlee errichten konnten.

Die Geschichte, Mirabelle hätte sie ermordet, hatte ich als falsch erklärt. Carlee sei als Opfer des Krieges gestorben, ermordet von den Göttern, die uns ein Zeichen geben wollten.

Mir war bewusst, dass viele dieser Geschichte keinen Glauben schenkten, doch diese gingen nur davon aus, dass Mirabelle damit geschützt werden sollte.

Carlee wurde trotz allem als Retterin, Friedensbringerin und von manchen fast schon als Heilige verehrt. Ihr Bild wurde so verzerrt, dass am Ende nur noch ein tapferes Mädchen, welches mit dem Prinzen das Land revolutionierte zu und sich für den Krieg opferte.

Da war nichts mehr von der Carlee, die über alles ging, um an die Macht zu kommen. Nicht mehr der, die das Volk ganz allein von sich selbst überzeugte.

Sie hatten sie zu einem unschuldigen, tapferen Mädchen reduziert.

Die Trauer hatte Mira zugesetzt, dass sah ich ihr an. Doch ich konnte kein Mitleid mehr mit ihr empfinden, weil mein Hass irgendwo in mir immer noch glühte.

Als sie wieder abreiste, war es, als würde eine Last von mir abfallen.

Ich betrat den Beratungsaal. Es gab kaum noch ältere Mitglieder, sie alle wurden entweder von Bauern oder ihren eigenen Kindern ersetzt.

Mirek, welcher nun mein engster Berater geworden war, kam auf mich zu. „Janeik, wir mussten eine Beratung einleiten, da es unzählige Verbrechen und Schlägereien während der Festtage gab." „Was genau meinst du damit?" „Es wurden Tote gefunden. Vom niederen Volk, doch vor allem von Adeligen, die der neuen Orientierung der Krone nicht zusagten." Ich nickte und blickte in die Runde.

„Wer war betroffen?" Ein junger Mann erhob sich aus einer der oberen Reihen. „Mein Vater, er wurde in seinem Anwesen in Tuski von Eindringlingen erschlagen." „Hat man sie erfasst?" „Ja, doch sie fühlen sich dadurch gerechtfertigt, dass mein Vater dafür einstand, dass es eine Trennung zwischen Adeligen und Bauern geben sollte." Ich nickte und ließ mich auf meinem Stuhl nieder. „Wer sonst noch?"

Es waren zu viele. Zu viele Menschen, Adelige, sowie das einfache Volk. Doch was sollte ich tun? Wie mein Vater jeden Aufstand im Keim ersticken? Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich alle Augen wieder auf mir spürte. Man hatte mir mal gesagt, dass die Angst vergehen würde, je öfter man als König sprach, doch bei mir wollte es einfach nicht aufhören.

Hilfesuchend blickte ich zu Mirek, doch ich wusste bereits, dass ich allein die Entscheidungen treffen konnte.

„Nehmt sie fest! Alle, die noch am Leben sind und Unrecht getan haben. Ich möchte sie verhören, also bring sie in unser größtes Gefängnis in Ferris. Und macht keinen Unterschied, egal wie viel Geld ihr seht."

Als ich den Saal endlich verlassen konnte, fühlte es sich an, als hätte man eine Last von mir genommen. Doch endgültig verschwinden, tat sie erst, als ich mich auf mein Pferd schwang und zusammen mit Arthur und ein paar anderen vom Hof auf die Jagd ging.

Endlich, seit einer langen Zeit, fühlte sich mein Verstand befreit. All die Probleme von dem Volk, Firo und Mirabelle verschwanden immer für diese Stunden.

Doch ebenso musste ich mir eingestehen, dass mir ohne meine Regentschaft etwas fehlen würde. Ja, mit der Zeit begann ich es sogar fast zu lieben."

AbluvionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt