Ein Traum von einem Schwiegersohn

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„Guten Morgen, Sonnenschein." „Wann hörst du endlich auf, mich so zu nennen, Elias?", entgegnete ich genervt und lief einfach weiter. Im Bruchteil einer Sekunde hatte der Dunkelhaarige aufgeholt und grinste mich von der Seite an. „Sobald du morgens nicht mit einem Sieben-Tage-Regenwetter-Gesicht in die Schule stapfst." „Da kannst du lange warten", warnte ich ihn, doch so wie ich Elias bisher kennengelernt hatte, ließ er sich davon nicht abschrecken. „Deine Familie ist total nett", wechselte er das Thema in eine Richtung, die ich gerne vermieden hätte. „Deine Brüder sind wirklich cool und Tabea ist ja mal sowas von zuckersüß. Deine Großeltern und dein Vater waren auch total nett, aber mit deinem Onkel Paul komme ich glaub ich nicht so gut klar." Bei diesem Namen spannte ich mich automatisch an, was Elias nicht verborgen blieb. „Kann es sein, dass du ihn auch nicht magst? Du klangst auch gestern bei seiner Vorstellung irgendwie- kalt." „Ich weiß nicht, wovon du redest", entgegnete ich sofort und dann erreichten wir glücklicherweise das Klassenzimmer. Wie immer ließ Elias sich auf den Stuhl neben mir fallen und ich versuchte ihn zu ignorieren. Glücklicherweise kam nur wenige Sekunden nach uns Lara in die Klasse und ich stand sofort auf, um sie zu umarmen. Dass unsere Mitschüler tuschelten, war kaum zu überhören, doch dann tat Elias etwas, was ich ihm bis dato nicht zugetraut hätte. Er erhob sich ebenfalls und zog Lara fest in seine Arme. „Hey, schön, dass du wieder da bist." Er lächelte fast schon liebevoll und wir setzten uns alle drei wieder hin, da in diesem Moment der Lehrer kam. Doch die Tatsache, dass der coole Elias die uncoole Lara umarmt hatte, ließ unsere Mitschüler für den Rest der Stunde nicht mehr verstummen.

„Bist du dabei?" „Wie bitte?" Verwirrt schaute ich Lara an, denn ich hatte in den letzten Minuten absolut nicht zugehört. „Wo warst du nur wieder mit deinen Gedanken, Becks?", erkundigte sich Elias schmunzelnd, woraufhin ich ihn skeptisch ansah. „Becks?" „Ja, Becks. Am Samstag ist mir aufgefallen, dass keiner in deiner Familie dich Rebecca nennt und Lara nennt dich ja auch Becca. Also dachte ich mir, ich brauche einen Spitznamen für dich." „Was ist aus Sonnenschein geworden?", hakte ich nach. „Der gilt immernoch, ist aber zu lang, um ihn ständig zu benutzen." "Aha. Also zurück zum Thema: Was hast du mich gefragt, Lara?" "Ob du am Wochenende mit zum See kommst. Es soll wieder über 30 Grad warm werden, da hält man es wahrscheinlich gar nicht anders aus." "Nur du und ich?", hakte ich nach und Lara schüttelte den Kopf. "Elias hat es vorgeschlagen." Skeptisch zog ich die Augenbraue nach oben. "Bekomme ich Bedenkzeit?" Lara schaute mich flehend an. "Komm schon, gib dir einen Ruck. So schlimm ist Elias doch gar nicht!" Seufzend gab ich mich geschlgen, denn diesen bettelnden Augen konnte ich nicht widerstehen. "Also schön. Aber der Traum von einem Schwiegersohn muss uns eine Runde Eis ausgeben und eine Musikbox mitbringen." "Der was?", hakte Elias entgeistert nach und ich musste grinsen. "So hat meine Oma dich bezeichnet, sobald du das Haus verlassen hattest." Jetzt mussten wir alle drei herzlich lachen und es war ungewohnt, meine gehobenen Mundwinkel nicht vorzutäuschen. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, klärten wir die letzten Details, dann klingelte es und wir mussten wieder in den Unterricht.

Die gesamte Woche über hatte ich jeden einzelnen blauen Fleck, den Paul mir verpasst hatte, ganz genau beobachtet und gehofft, dass man am Samstag nichts mehr davon sehen würde. Jetzt stand ich vor dem Spiegel und stellte fest, dass mein Bikini es nicht schaffte, auch nur einen einzigen davon zu überdecken. Seufzend stieg ich stattdessen in meinen Badeanzug und jetzt sah man wenigstens die blauen Flecken an der Hüfte nicht mehr. Kurzerhand zog ich eine fast knielange Hose und eine dünne Bluse über, sodass wirklich nichts mehr zu sehen war. Meine Haare hatte ich wie so oft zu zwei Zöpfen geflochten und nach einem letzten Kontrollblick in den Spiegel, verließ ich das Bad. In meinem eigenen Zimmer packte ich schnell die letzten Kleinigkeiten in eine Tasche, dann lief ich nach unten in die Küche und schnappte mir den Picknikkorb, den ich vorhin vorbereitet hatte. Ich wollte gerade die Haustür öffnen, als es klingelte. Ich riss die Tür auf und wurde von Lara sofort in eine Umarmung gezogen. "Hi, hast du alles?" Ich nickte und drückte ihr den Picknikkorb in die Hand, dann rief ich einen Abschied ins Haus und lief gemeinsam mit Lara zu Elias' Auto. Er stieg extra aus, um mich kurz zu umarmen, dann fuhren wir los. Am See war ziemlich viel los, aber Elias erzählte irgendwas von einer geheimen Stelle, die weniger bekannt, aber super schön sein sollte. Wir fuhren also noch weitere zehn Minuten bis in ein kleines Waldstück. Dort parkte Elias und führte uns zu Fuß zwischen den Bäumen hindurch, bis wir ans Ufer des Sees kamen und Lara und ich staunend stehen blieben. Der Wald lichtete sich, aber ermöglichte immer noch schattige Plätzchen, das Wasser war überraschend klar und auf der sich kräuselnden Oberfläche spiegelte sich das bereits recht tief stehende Sonnenlicht. "Wow. Dafür hat sich der Fußmarsch wirklich gelohnt", entfuhr es Lara und ich nickte zustimmend. "Es freut mich, dass ihr nicht enttäuscht seid", bemerkte Elias grinsend, dann breitete er eine Picknikdecke aus und ließ sich darauf fallen. Wir stellten die Taschen immer auf die Ecken, damit die Decke nicht verrutschte, dann öffnete ich den Korb und verteilte das Essen zwischen uns. "Das sieht mega lecker aus", stellte Lara fest und griff sofort nach einem Obstspieß. Ich hatte mich extra auf Gesundes beschränkt, weil ich vermeiden wollte, dass Lara sich zu viele Gedanken darüber machte, was sie aß. Seit ich ihren Eltern ordentlich die Meinung gegeigt hatte, hatte auch sie sich getraut, ihre Stimme zu erheben. Damit waren ihre Eltern zunächst nicht einverstanden gewesen, aber letztendlich hatten sie sich darauf geeinigt, dass Lara sich selbst überlegen würde, wie sie abnehmen wollte. Bei Fragen konnte sie sich jederzeit an ihre Eltern wenden, aber ich glaubte er nicht daran, dass sie das tun würde. Wir quatschten eine Weile über die Schule und ein paar Mitschüler, nebenbei verputzten wir einen Großteil des Essens, dann erhob Elias sich irgendwann. "Gehen wir eine Runde schwimmen?" Noch bevor wir antworten konnten, zog er sich sein T-Shirt über den Kopf und ich erstarrte beim Anblick seiner ausgeprägten Bauchmuskeln. Sie waren nicht zu viel, aber man sah tatsächlich relativ deutlich die Ansätze eines Sixpacks. Ich konzentrierte mich schnell wieder auf sein Gesicht und biss mir auf die Unterlippe. "Ich muss nicht unbedingt ins Wasser." Auch Lara wollte eher nicht gehen, aber das ließ Elias nicht gelten. "Kommt schon, ihr zwei. Hier ist außer uns kein Mensch und ihr habt beide nichts, wofür man sich schämen müsste. Außerdem wäre es wirklich tragisch für mein Ego, wenn ich mit zwei wunderschönen Frauen an den See fahre und am Ende alleine ins Wasser muss." Diese Aussage brachte sowohl Lara als auch mich zum Schmunzeln und ich schaute sie fragend an. "Dann können wir ja eigentlich gar nicht anders, als mit reinzugehen." Meine beste Freundin nickte und damit war es beschlossene Sache. Ich zog die Bluse und die kurze Hose aus, meine Schuhe hatte ich direkt zu beginn ausgezogen. Angestrengt versuchte ich zu verhindern, dass man meine Oberschenkel sah, an deren Innenseiten ziemlich eindeutige blaue Flecken und Kratzer zu sehen waren. So schnell wie möglich lief ich ins Wasser, ignorierte die Kälte und tauchte direkt bis zu den Schultern unter. Für einen kurzen Moment schüttelte es mich, dann stellte ich fest, dass das Wasser unglaublich angenehm und nicht so kalt war, wie ich es am Anfang empfunden hatte. Die anderen beiden schienen zum Glück nicht auf mich geachtet zu haben und kamen jetzt ebenfalls ins Wasser und dann vergaß ich für fast zwei Stunden alles. Es gab keine anstrengenden Brüder mehr, keinen wütenden Papa, keinen widerlichen Paul, keine Verpflichtungen. Während Elias, Lara und ich uns gegenseitig untertauchten und mit Wasser vollspritzten, gab es nur uns, die Sonne, den See und ein Gefühl von unbändiger Freiheit.

Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt