Was eine Beziehung alles auslösen kann...

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„Oh mein Gott, endlich! Ich hatte schon Angst, ihr würdet es nicht mehr schaffen." Überrascht schaute ich Lara an. „Du hast damit gerechnet?" „Aber sowas von. Ihr ward beide unglaublich offensichtlich. Das war fast schon ein Wunder, dass ihr nicht früher zusammen gekommen seid!" Ich spürte, wie ich leicht errötete, während Lara sich immer noch freute. „Bitte sei nicht so laut, wir wollen nicht, dass es gleich die ganze Schule mitbekommt. Dann bekommen es nämlich auch meine Geschwister mit und das wäre nicht gerade von Vorteil. Heute ist der letzte Schultag vor den Herbstferien, am Montag kommt Papa endlich nach Hause und ich will nicht, dass es zu Hause irgendwelche Unruhen gibt, wenn er da ist." Lara seufzte. „Du kannst deinen Vater nicht für immer in Watte packen, das ist dir doch hoffentlich klar? Er hat in der Klinik gelernt, wie er mit Stress besser umgehen kann und du solltest ihm die Chance geben, das auch umzusetzen. Aber er sollte eben auch wissen, dass er jederzeit zu dir kommen und mit dir reden kann. Du bist vielleicht nicht deine Mutter Becca, aber du bist nah dran. Und dein Vater muss endlich lernen das zu schätzen, aber dich nicht zu überschätzen. Du bist auch nur ein Mensch." Durchdringend sah meine beste Freundin mich an und ich nickte schwach. Sie hatte ja Recht. Ich musste dringend mit Papa reden, wenn er wieder zu Hause war. Allein schon aufgrund der Tatsache, dass Elias immer noch bei uns wohnte.

„Ich muss nicht euer ganzes Gästezimmer in Beschlag nehmen, ein Feldbett in irgendeinem kleinen Zimmer hätte auch gereicht." Energisch schüttelte ich den Kopf. „Du bist unser Gast und du schläfst bestimmt nicht auf irgendeinem Klappbett, wenn wir ein passendes Gästezimmer haben." „Aber was ist, wenn ihr Besuch bekommt?" „Wer soll kommen? Der Einzige, der uns regelmäßig besucht und hier übernachtet, ist Paul. Und der ist anscheinend immer noch beleidigt und wird wohl eher nicht so schnell vorbeischauen." Wenn ich in diesem Moment gewusst hätte, wie bald Paul uns einen Besuch abstatten würde, hätte ich mit Sicherheit nicht so locker darüber geredet. Aber ahnungslos half ich meinem Freund - was immer noch extrem ungewohnt klang - dabei, seine Sachen in den Schrank zu räumen und schaute dann auf die Uhr. „Papa müsste in ein paar Stunden hier sein, dann sollte ich mich mal langsam ums Essen kümmern." Doch bevor ich den Raum verlassen und in die Küche gehen konnte, hatte Elias meine Hand genommen und mich liebevoll zu sich gezogen. Er grinste mich an, dann küsste er mich sanft und ich erwiderte es hingebungsvoll. Eine angenehme Wärme breitete sich in meinem Körper aus und fast hätte ich enttäuscht geseufzt, als wir uns wegen Luftmangels voneinander lösen mussten. "Ich helfe dir beim Essen machen." "Das musst du nicht", widersprach ich Elias sofort, doch er ignorierte das und zog mich hinter sich her in die Küche, wo wir uns an den Herd stellten. In den nächsten 50 Minuten schafften wir es, die Finger voneinander zu lassen, denn wir waren uns darüber einig, dass wir unsere Beziehung noch nicht jedem auf die Nase binden wollten. Als ich schließlich einen Blick auf die Küchenuhr warf, nickte ich zufrieden. "Papa müsste jeden Moment ankommen." Als hätte ich ihm damit ein Stichwort gegeben, klingelte es in diesem Augenblick an der Haustür. Tief atmete ich durch und machte mich auf den Weg zur Tür, doch Tabea war schneller. Bevor ich meine Hand auf die Klinke legen konnte, hatte sie bereits geöffnet und strahlte unseren Vater an. "Papa!" "Hallo mein Schatz!" Lächelnd ging Papa ein wenig in die Knie und hob meine kleine Scwester hoch, um sie eng an sich zu drücken. Mit Tränen in den Augen musterte ich das sich mir bietende Bild, das mir wie eine Erinnerung vorkam und mein Herz warm werden ließ. Nachdem Papa Tabea losgelassen hatte, zog er mich ebenfalls in die Arme und ich genoss das so vertraute und doch lange zurückliegende Gefühl von väterlicher Liebe und Geborgenheit. "Ich hab dich vermisst", flüsterte ich und Papa küsste mich sanft auf den Scheitel. "Ich dich auch, Große." Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, dann löste ich mich von meinem Vater, der sich meinen Brüdern zuwandte, die mittlerweile ebenfalls die Treppe heruntergekommen waren. Schließlich stand Papa Elias gegenüber und schaute diesen fragend an. "Was machst du denn hier? Elias, richtig?" "Richtig. Es ist schön, Sie wieder in besserer Verfassung zu sehen." "Ich glaube, wir waren schon beim Du. Aber ich warte noch auf eine Erklärung, wieso du hier bist." Ich räusperte mich. "Elias wohnt seit kurzem hier. Er hatte Differenzen mit seinen Eltern und ich wollte nicht, dass er in seinem Auto schläft. Ich hoffe, das ist okay für dich." Mein Vater nickte lächelnd. "Natürlich ist das okay. Wir haben ja genug Platz im Haus." "Danke. Timo, bringst du bitte Papas Tasche hoch in sein Zimmer und ihr anderen könnt schon alle mit in die Küche kommen, es gibt Essen." Mein großer Bruder folgte meiner Anweisung sofort und fünf Minuten später saßen wir alle am Tisch und Tabea betete. "Lieber Gott, danke, dass Papa wieder zu Hause ist und es ihm besser geht. Danke auch für das leckere Essen, was Becca und Elias gekocht haben und danke, dass Elias weiterhin hier wohnen kann. Bitte mach, dass jetzt alles wieder gut wird und dass Onkel Paul noch eine Weile wegbleibt. Amen." Mir stockte der Atem, während ich die Augen aufschlug und Papas irritiertem Blick begegnete. "Was ist mit Paul?" Ich schluckte und starrte auf meine Hände, es herrschte Totenstille. Nach einer gefühlten Ewigkeit räusperte Timo sich. "Paul war vor kurzem hier und hat sich ziemlich daneben benommen, woraufhin wir ihn weggeschickt haben und na ja, seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört." "Was hat er denn getan?", hakte Papa nach und ich seufzte. "Er fand es nicht gut, dass Elias hier wohnt und wollte es dir sagen. Wir haben ihn gebeten das nicht zu tun, um dich nicht unnötig aufzuregen, aber das wollte er nicht hören." "Er wollte uns mit deiner Gesundheit erpressen, um Elias aus dem Haus zu verscheuchen", fügte Jonny hinzu und Papa schaute uns erschrocken an. "Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich werde mit ihm reden und ihm meine Meinung dazu sagen. Aber jetzt erzählt mir von den schöneren Dingen, die in den letzten Wochen passiert sind." Er verteilte Essen auf jeden Teller und wir alle berichteten von den Geschehnissen während seiner Abwesenheit. Lächelnd beobachtete ich, wie Jonny Papa glücklich musterte und ich wusste, dass er noch immer mit sich kämpfte, weil er sich die Hauptschuld an Papas Zusammenbruch gab, aber in diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass er diese schlechten Gedanken hinter sich lassen konnte. Jetzt konnte es endlich bergauf gehen.

Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt