Enthüllungen

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„Tada!" „Wow. Du siehst mega aus!" Lächelnd betrachtete ich Lara, die strahlend vor der Umkleidekabine stand und mir eine Jeans in einer Größe präsentierte, die sie laut eigener Aussage seit Jahren nicht getragen hatte. Ich fand, sie hatte schon vorher gut ausgesehen, aber weil ich wusste, dass sie das nicht hören wollte, erwähnte ich es in diesem Moment nicht, sondern genoss lieber das breite Grinsen meiner besten Freundin. Immer mal wieder war ich in den letzten Wochen mit ihr joggen gegangen und ich wusste, dass Elias sie mit ins Fitnessstudio genommen und ihr dort alles gezeigt hatte. Jetzt schien sich ihre harte Arbeit auszuzahlen und das machte nicht nur sie glücklich, sondern auch mich. Denn dieses Mädchen hatte ein wirklich atemberaubendes Lächeln, das sie leider viel zu selten zeigte. In diesem Moment stieß Elias zu uns und pfiff anerkennend durch die Zähne. „Steht dir." „Danke. Ich probiere nur noch schnell die zwei Oberteile an und dann können wir gerne woanders hingehen." Elias und ich nickten und kaum war Lara in ihrer Umkleide verschwunden, griff der Dunkelhaarige nach meiner Hand und zog mich hinter sich her. „Komm mit, du musst auch was anprobieren." Meine Hand schien perfekt in seine zu passen und ich war so sehr damit beschäftigt, meinen Herzschlag zu verlangsamen, den seine Berührung zum Explodieren gebracht hatte, dass ich fast in ihn geknallt wäre, als er plötzlich stehenblieb und mir sein Ziel präsentierte. Mir blieb die Spucke weg. „Wow. Es ist wunderschön." Meine Hand griff automatisch nach dem roséfarbenen Stoff, der sich zwischen meinen Fingern wunderbar leicht anfühlte. „Na los, probier es an", forderte Elias mich auf und riss mich zurück in die Realität. „Das ist bestimmt viel zu teuer und ich hab gar keinen Anlass, sowas zu tragen." „Das ist nicht zu teuer und außerdem werde ich es dir kaufen." Entsetzt starrte ich ihn an. „Was? Nein! Das kann ich nicht annehmen!" „Bitte, für mich. Probier es wenigstens mal an." Mit seinem Welpenblick und den sanften braunen Augen brauchte Elias nur wenige Sekunden, um mich umzustimmen. „Also gut. Aber nur anprobieren!" Elias nickte und ich suchte mir das Kleid in meiner Größe heraus. In der Umkleidekabine stellte ich fest, dass es perfekt passte. Der roséfarbene Stoff schmiegte sich an meinen Oberkörper und ab der Taille schwang der schlicht fallende Rock bis kurz über meine Knie. Die Spitze am Oberteil war ein absoluter Blickfang und die Farbe des Kleides passte perfekt zu meinen dunkelbraunen Haaren. „Und?", erklang Elias' Stimme und ich verließ unschlüssig die Kabine. Elias und Lara, die mittlerweile neben ihm stand, fielen die Kinnladen herunter. „Du musst es nehmen!", rief meine beste Freundin sofort und auch Elias grinste. Ich griff nach dem Preisschild und stellte fest, dass es wirklich nicht allzu teuer war. „Wenn ich mein Taschengeld der letzten Monate zusammenkratze, könnte ich es mir vielleicht sogar leisten", murmelte ich, doch Elias unterbrach mich. „Nichts da, das kauf ich dir. Sieh es als verfrühtes Geburtstagsgeschenk." „Ich hab erst im Januar Geburtstag, das ist noch Monate hin." „Na und? Das Kleid ist perfekt und ich habe es gefunden, also bezahle ich es auch und damit basta." Weiterhin schüttelte ich den Kopf, denn das war verrückt. „Ich nehme das nicht an, Elias. Das ist ein viel zu teures Geschenk." „Ich kaufe es." „Mach das, aber nicht für mich." Jetzt grinste Elias. „Okay, ich kaufe es so oder so." Ich wartete darauf, dass er zu lachen begann, aber das tat er nicht. Also verschwand ich wieder in der Kabine und zog meine normalen Sachen an, dann reichte ich Elias den Bügel. „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber ich kann dieses Geschenk nicht annehmen." Der Dunkelhaarige ignorierte diese Aussage, nahm den Bügel mit dem Kleid entgegen und lief zur Kasse. Lara und ich folgten ihm kopfschüttelnd und auch meine beste Freundin bezahlte ihre Sachen, dann verließen wir den Laden und ich begegnete zwei fragenden Blicken. „Was machen wir als nächstes?" Ich zuckte die Schultern. „Dieser Tag war eure Idee, als entscheidet ihr." Aber Elias schüttelte den Kopf. „Dieser Tag ist für dich, also entscheidest du." Er lächelte sanft und ich erwiderte es schwach. Die beiden hatten mich heute ins Einkaufszentrum eingeladen, um mich vom vergangenen Sonntag abzulenken. Ich war mit Oma, Opa, meinen Geschwistern und leider auch Paul zu Mamas Grab gefahren. Zuvor hatte ich einen Geburtstagskuchen gebacken, den ich mitgenommen hatte und dann hatten wir alle nebeneinander auf einer Friedhofsbank gesessen und den Kuchen gegessen. Auf diese Weise hatten wir Mamas Geburtstag gefeiert und um ihren Tod getrauert und sogar Paul hatte zur Abwechslung mal die Klappe gehalten und mich am Sonntag nicht angerührt oder irgendeine perverse Bemerkung gemacht. Ich hatte an diesem Tag nicht eine einzige Träne verdrückt, irgendwie war mir alles unwirklich vorgekommen. Tja, und gestern hatten Lara und Elias mir dann vorgeschlagen, heute nach der Schule ins Einkaufszentrum zu gehen. „Was haltet ihr davon, wenn wir uns in irgendein Café setzen und ich euch zum Dank für diesen Nachmittag auf ein Getränk einlade?", schlug ich vor und meine Freunde nickten begeistert. Wir schlugen also den Weg zum nächstbesten Café ein und setzten uns, wobei Elias' Tasche zur Seite kippte und einige Sachen herausfielen. „Ach Mist." „Warte, ich helf' dir." Wir bückten uns und hoben alles wieder auf, wobei mein Blick auf einen Prospekt mit Wohnungen fiel. Ich reichte ihn Elias und schaute ihn dann fragend an. „Willst du ausziehen?" „Ja", antwortete der Dunkelhaarige bloß und ich beschloss, nicht weiter nachzufragen. Die nächsten zwei Stunden saßen wir einfach nur im Café und alberten herum, dann fuhr Elias uns nach Hause. Nachdem er Lara weggebracht hatte, fuhren wir zu mir und als wir schließlich vor dem Haus standen, schaute ich auf den Rücksitz, der jedoch leer war. „Wo sind meine Tüten?", erkundigte ich mich irritiert und Elias zuckte die Schultern. „Keine Ahnung." „Vielleicht hab ich sie in den Kofferraum gepackt", überlegte ich laut und stieg aus, um diesen zu öffnen. „Nein, das hast du bestimmt ni-." Mit großen Augen starrte ich auf den Inhalt des Kofferraums. Elias stand schweigend neben mir und ich guckte ihn fragend an. „Was soll das ganze Zeug hier?" Ich nickte in Richtung der Decken, Kissen, Fertiggerichte, Klamotten und Tüten. Elias schluckte und mir kam eine Idee. „Schläfst du etwa in deinem Auto?" Jetzt biss der Dunkelhaarige sich auf die Lippen und nickte leicht. „Wieso?" „Ist doch egal." „Nein, ist es nicht! Wieso schläfst du in deinem Auto? Haben deine Eltern dich rausgeschmissen?" „Nein, ich bin abgehauen." „Deshalb suchst du also nach einer Wohnung", stellte ich fest und Elias nickte. Ich seufzte. „Wieso hast du nichts gesagt? Du kannst bei uns schlafen." „Nein, ich will keine Umstände machen", widersprach Elias sofort, aber ich blieb konsequent. „Du kommst mit rein und schläfst bei uns. Papas Zimmer ist ja im Moment frei, ich beziehe dir das Bett einfach neu. Na los, nimm dein Zeug." „Nein, das kann ich nicht annehmen, Becks. Ich schlafe schon seit zwei Wochen im Auto, ich hab mich dran gewöhnt, ehrlich." „Das ist mir egal. Du kommst jetzt mit in dieses Haus und schläfst dort." Ohne weitere Widerworte zuzulassen, griff ich nach einer der Tüten, in der offensichtlich Sachen fürs Badezimmer drin waren und stapfte auf unsere Haustür zu. Davor drehte ich mich nochmal um und schaute zu Elias, der noch immer unschlüssig an seinem Kofferraum stand. „Na komm! Meine Familie beißt nicht! Und außerdem koche ich gleich!" Letzteres schien Elias zu überzeugen, denn er griff nach zwei Taschen und einem Rucksack, schloss sein Auto ab und lief mir hinterher. An meine Einkaufstüten, die wahrscheinlich Lara aus Versehen mitgenommen hatte, dachte ich an diesem Abend nicht mehr.

Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt